Verwirrspiel um die Kapitänsrolle

Sky-Dominanz: Der Tour droht eine “One-Team-Show“

Von Daniel Brickwedde

Foto zu dem Text "Sky-Dominanz: Der Tour droht eine “One-Team-Show“"
Geraint Thomas schlüpfte am Mittwoch ins Gelbe Trikot der Tour de France. | Foto: Cor Vos

19.07.2018  |  (rsn) - Bradley Wiggins meldete sich mal wieder zu Wort. Der frühere Tour-Sieger, selten um eine klare Meinung verlegen, begleitet die Tour in diesem Jahr mit einem eigenen Podcast im britischen Programm von Eurosport. Dort sinniert er launisch über das sportliche Treiben und kommt dabei natürlich auch nicht um sein ehemaliges Team Sky herum. Also bezog Wiggins vor wenigen Tagen auch zur Konstellation um Chris Froome und Geraint Thomas in der britischen Mannschaft Stellung.

"Dave Brailsford geht es nur um den Sieg des Teams, nicht um die Individuen oder die Charaktere", erklärte der 38-Jährige zum Vorgehen des Sky-Managers, "er wird beiden sagen, dass sie gewinnen können, um sie weiter zu motivieren. Er wird das bis weit ins Rennen durchziehen, bis es eine natürliche Selektion gibt." Insgesamt stufte Wiggins die Situation als "gefährlich" für Team Sky ein und blickte auf eine "interessante Dynamik" voraus. 

Der "Plan B" fährt allen davon

Seine Einschätzung gab er wohlgemerkt vor der 11. Etappe nach La Rosière ab. Dass Thomas aufgrund seines Zeitvorsprungs aus den ersten neun Tagen auf dieser zweiten Alpenetappe das Gelbe Trikot übernehmen würde, war vorhersehbar. Die Art und Weise, wie das geschah, sorgte hingegen für weitere Diskussionen. Thomas ergriff sechs Kilometer vor dem Ziel von vorne die Initiative und zog aus der Favoritengruppe davon – Froome, viermaliger Tour-Sieger, schirmte ihn dahinter ab, ehe er selber mit Daniel Martin (Team UAE) noch davonzog.

Eine Taktik fast wie aus dem Lehrbuch, nur in vertauschten Rollen. Der "Plan B" setzte sich ab, der Kapitän hielt Thomas den Rücken frei. Oder griff doch der richtige Fahrer an? Bei Sky kann man sich dieser Tage nicht sicher sein. Der Waliser jedenfalls baute mit dem Tagessieg seinen Vorsprung auf Froome, der nun Platz zwei im Klassement belegt, auf immerhin 1:25 Minuten aus.

"Es war Instinkt", beschrieb Thomas im Ziel seinen Antritt. Auch Sportdirektor Nicolas Portal verwies hinterher von einer ungeplanten Aktion, schien darüber jedoch keinesfalls verstimmt. Froome sprach gegenüber den Reportern von einem "spontanen" Angriff: "Wir haben vorher nicht darüber gesprochen. Für Geraint war es die richtige Entscheidung."

Ein Verwirrspiel als strategisches Mittel? 

Erinnerungen an das Jahr 2012 sind da nicht fern, als Froome seinen damaligen Kapitän Wiggins im Anstieg nach La Toussuire kurz stehen ließ, ehe ihn der damalige Sportliche Leiter Sean Yates energisch und eindringlich zurückpfiff. In diesem Jahr sind solche Freifahrtsscheine offenbar geduldet. Möglicherweise sogar gewollt.

Denn Sky, so der Eindruck, wählt als strategisches Mittel für diese Tour ein Verwirrspiel. Selbst Aussagen der Protagonisten zur Rollenverteilung im Team sind uneinheitlich. "Ich sage es euch jetzt zum letzten Mal, Froome bleibt unser Leader", sagte Portal unmittelbar nach der Ankunft in La Rosière gegenüber radsport-news.com. Froome dagegen schien da vor wenigen Tagen anderer Auffassung. "Wie immer", meinte der Brite völlig ernst gemeint, "entscheidet sich die Kapitänsrolle auf der Straße." Eine Aussage, die im Widerspruch zu allen stand, was Sky seit Gründung 2010 ausmachte: klare Pläne, eine klare Struktur und klare Hierarchien. Sky lebte immer ausschließlich für einen Plan A.

Thomas: "Ich werde nicht anhalten und Zeit verlieren"

Entsprechend lässt die britische Mannschaft die Öffentlichkeit in diesen Tagen rätseln. Möglicherweise stellte die Aktion nach La Rosière am Ende schlicht einen kollegialen Akt dar, um Thomas seinen großen Moment in Gelb bei dieser Tour zu bescheren. Beim 32-jährigen Sieger des diesjährigen Critérium du Dauphiné spielen zumindest gewisse Zweifel mit hinein, da er noch nie eine dreiwöchige Landesrundfahrt in den Top Ten beendete. Anderseits arbeitete Thomas seit Jahren auf eine Führungsrolle im Team Sky hin, er könnte nun seine Chance wittern. 

"Froome ist unser offensichtlicher Leader. Er weiß, wie man eine Grand Tour gewinnt. Für mich ist es dagegen jetzt bereits eine tolle Tour und das Team in einer idealen Situation", meinte Thomas während der Pressekonferenz nach der Etappe. Froome bezeichnete er dabei immer noch als die beste Chance des Teams auf den Gesamtsieg, allerdings merkte er an: "Ich werde nicht anhalten und Zeit verlieren."

Eines deutet sich indes bereits an: Diese Tour droht auf eine "One-Team-Show“ hinauszulaufen. Die Konkurrenz stellte Sky an der ersten Bergankunft sportlich wie auch medial in den Schatten. Die britische Mannschaft scheint zwei Optionen auf den Gesamtsieg zu haben. Es kommt teamintern nur irgendwann "der Punkt, an dem es eine Entscheidung geben muss", weiß Wiggins.

Mehr Informationen zu diesem Thema

16.06.2021Madiot: “Wir hätten Pinot früher aus der Tour nehmen sollen“

(rsn) - Sein bisher letztes Rennen bestritt Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) vor mittlerweile zwei Monaten, als er die Tour of the Alps unter ferner liefen auf Rang 60 beendete. Danach entschied der Fra

23.12.2020Bernal wieder schmerzfrei auf dem Rad

(rsn) - Egan Bernals Genesung macht offensichtlich deutliche Fortschritte. Wie der Tour-de-France-Sieger von 2019 gegenüber dem Internetportal primertiempo.co sagte, könne er wieder schmerzfrei trai

11.12.2020Dumoulin zuversichtlich: “Mir fehlt nur noch ein Prozent“

(rsn) - 2020 war für Tom Dumoulin ein Jahr mit vielen Tiefen und nur wenigen Hochs. Nach dem mit großen Hoffnungen verbundenen Wechsel von Sunweb zu Jumbo - Visma warf zunächst ein bakterieller Dar

15.11.2020Pogacar lobt Roglic als slowenischen Vorreiter

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) hätte seinem Landsmann Primoz Roglic (Jumbo - Visma) den Tour-de-France-Sieg gegönnt. Das sagte der 22-jährige Slowene im Gespräch mit der spanischen Sp

27.10.2020Bernals Genesung dauert länger als gedacht

(rsn) - Egan Bernals Rückenprobleme, die ihn zum Ausstieg bei der Tour de France und zum vorzeitigen Saisonende zwangen, sind offensichtlich ernsthafter als bisher angenommen. Wie der Kolumbianer geg

10.10.2020Bernal: “Ich hatte eine schwierige Zeit“

(rsn) - Der bei der Tour de France vorzeitig ausgestiegene Egan Bernal (Ineos Grenadiers) wird in diesem Jahr keine Rennen mehr bestreiten. Das kündigte der Kolumbianer auf Instagram an und bestätig

03.10.2020War der Toursieg für Roglic im Zeitfahren unmöglich?

(rsn) - Radsportjournalist Thijs Zonneveld von der niederländischen Zeitung AD hat nach eigenen Angaben Einblick in die Leistungswerte des Tour-Zeitfahrens von Primoz Roglic (Jumbo – Visma) erhalte

24.09.2020Pogacar: “Die Saison ist noch lange nicht vorbei“

(rsn) - Nach seinem Tour-de-France-Triumph hat Tadej Pogacar (UEA - Team Emirates) schon die nächsten großen Ziel im Blick. "Ich muss konzentriert und fit bleiben für die Weltmeisterschaft und die

23.09.2020Viviani: Beim Giro zurück in die Erfolgsspur?

(rsn) - Im letzten Jahr gewann Elia Viviani im Trikot von Deceuninck - Quick-Step  bei der Tour de France eine Etappe und fuhr auf drei weiteren Teilstücken aufs Podium. Die 107. Austragung lief fÃ

22.09.2020UAE Emirates streicht das mit Abstand meiste Preisgeld ein

(rsn) - Kein Wunder: Durch den Gesamtsieg von Tadej Pogacar, der auch das Weiße Trikot als bester Jungprofi sowie die Bergwertung und drei Etappen gewann, sowie den Etappensieg von Alexander Kristoff

21.09.2020Phänomen Pogacar - zu schnell, um wahr zu sein?

(rsn) - Tadej Pogacar hat mit seinem Toursieg nicht nur Rekorde gebrochen, sondern damit auch Fragen aufgeworfen. Ist der Slowene einfach ein Jahrhunderttalent, für den die üblichen Maßstäbe nicht

21.09.2020Die Tour-Bubbles werden aufgelöst

(rsn) - Die Tour de France ist beendet. Die Bubbles werden aufgelöst. Neue werden errichtet, für die WM, die BinckBank Tour, den Giro d´Italia und die großen Klassiker. Primoz Roglic kann jetzt Tr

Weitere Radsportnachrichten

23.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

23.04.2024Pogacar: “Ich kann noch etwas besser werden“

(rsn) – Nach seinem überragenden Auftritt bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, wo er sich mit einem 35-Kilometer-Solo zum zweiten Mal nach 2021 den Sieg sicherte, verbringt Tadej Pogacar (UAE Team Emira

23.04.2024Del Toro verlängert bei UAE Emirates vorzeitig bis Ende 2029

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

23.04.2024Zijlaard fliegt am schnellsten um die 13 Kurven von Payerne

(rsn) – Maikel Zijlaard (Tudor) hat seinem Ruf als Spezialist für sehr kurze Prologe alle Ehre gemacht und in Payerne das 2,3 Kilometer lange Auftaktzeitfahren der 77. Tour de Romandie gewonnen.

23.04.2024Berlin nach Kraftakt in der Gruppe, Dorn verteidigt Weiß

(rsn) - Während Rembe Sauerland bei der Tour of Türkiye (2.Pro) erstmals die Gruppe des Tages verpasste, konnte das Team Bike Aid auch auf der 3. Etappe einen Fahrer in der hart umkämpften Fluchtg

23.04.2024Highlight-Video der 3. Etappe der Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Für Bora – hansgrohe will es bei der 59. Türkei-Rundfahrt einfach nicht laufen. Auch auf der 3. Etappe über 147 Kilometer zwischen Fethiye und Marmaris ging das Raublinger Team leer aus

23.04.2024Zu früh gefreut: Van Poppel zurückgesetzt, Lonardi Etappensieger

(rsn) – Nachdem es an den ersten beiden Tagen der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) nicht nach Wunsch gelaufen war, schien bei Bora – hansgrohe auf der 3. Etappe der Knoten geplatzt. Danny van Poppel

23.04.2024Tour de Romandie im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die sechstägige Tour de Romandie (2.UWT) hält traditionell für jeden Fahrertypen etwas bereit. Ob Kletterer oder Zeitfahrspezialisten, Sprinter oder Klassikerjäger - sie alle bekommen ihr

23.04.2024Tour de France Femmes ohne Vorjahreszweite Kopecky

(rsn) – Die Vorjahreszweite Lotte Kopecky (SD Worx-Protime) wird auf die am 12. August in Rotterdam beginnende 3. Tour de France Femmes verzichten. Stattdessen wird sich die Weltmeistern auf die Oly

23.04.2024Kletterspektakel mit gehörigem Zeitfahr-Einschlag

(rsn) – Die Tour de Romandie war einst die letzte große und wichtige Vorbereitungs-Rundfahrt für den Giro d´Italia. Giro-Favoriten entschieden sich damals zwischen der Schweizer Rundfahrt und dem

23.04.2024Startliste zum Prolog der 77. Tour de Romandie

(rsn) – Der Schweizer Nationalfahrer Luca Jenni eröffnet um 14.50 Uhr den Prolog zur 77. Tour de Romandie (2.WWT). Der nur 2,3 Kilometer lange Parcours von Payerne ist zwar bretteben, dürfte mit s

22.04.2024Highlight-Video der 2. Etappe der Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat nach der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg bejubeln können. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Presidential Cycling Tour of (2.Pro, TUR)