Polizei setzt auf 16. Tour-Etappe Pfefferspray ein

Dan Martin: “Eine chemische Keule? Bizarr“

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Ein Polizist setzt auf der 16. Tour-Etappe eine chemische Keule gegen protestierende Bauern ein. | Foto: Cor Vos

24.07.2018  |  (rsn) - Nach knapp 30 Kilometern der 16. Tour-Etappe standen alle Räder still. Heinrich Haussler (Bahrain-Merida) war einer der ersten Fahrer, der von den Kameras eingefangen wurde, wie er sich die tränenden und offenbar juckenden Augen rieb. Immer mehr Profis standen am Straßenrand und schütteten sich den Inhalt von Wasserflaschen ins Gesicht oder erhielten kleine Spraydosen, um ihre Augen zu behandeln.

"Am Anfang dachte ich, dass es Strohpartikel gewesen wären, nach ein, zwei Minuten war aber klar, dass es was anderes sein musste, es brannte richtig und ich hätte beinahe gekotzt“, schilderte Haussler im Etappenziel in Bagnères-de-Luchon den erzwungenen Zwischenstopp. “Es war ein seltsames Gefühl, wie wir in diese Wolke gefahren sind. Ich habe es sofort im Hals und auf den Augen gespürt“, sagte der Belgier Edward Theuns (Sunweb).

Nach einigen Minuten der allgemeinen Verwirrung ließ sich rekonstruieren, was geschehen war: Bauern aus der Region wollten auf ihre prekäre wirtschaftliche Lage hinweisen und hatten sich zum Zeichen ihres Protests die Tour de France herausgesucht. Kurz bevor das Peloton heranrollte, schoben sie Strohballen auf die Strecke und gerieten dabei mit Gendarmen aneinander, die nicht zimperlich reagierten und Pfefferspray einsetzten, um die Protestierenden von der Straße zu vertreiben und den Profis rechtzeitig den Weg wieder freizumachen.

Das gelang allerdings nicht wirklich, denn die Polizisten hatten nicht bedacht, dass der Wind das Spray mitten ins Feld hinein treiben und dort für denkwürdige Szenen sorgen würde. Auch die Favoriten erwischte es: Geraint Thomas und Titelverteidiger Chris Froome (Sky) sowie Weltmeister Peter Sagan (Bora-hansgrohe) gehörten zu jenen Fahrern, denen die Tränen ins Gesicht schossen.

Es dauerte schließlich rund 20 Minuten, in denen Tour-Chef Christian Prudhomme - äußerlich ruhig - mit Verantwortlichen des Radsportweltverbands UCI telefonierte und sich mit der Gendarmerie besprach, ehe die Etappe fortgesetzt werden konnte. "Die Leute sollten die Fahrer und das Rennen respektieren. Vielleicht sollten wir uns auf das Rennen konzentrieren. Auf meinem Gesicht war zu 99 Prozent der Etappe ein Lächeln“, bemühte sich Prudhomme darum, die Wogen zu glätten.

Dumoulin: "Komische Art, um seine Meinung zu zeigen"

Die Reaktion der Fahrer fiel ganz unterschiedlich aus. "Die ASO versucht ja für Sicherheit zu sorgen, aber bei einer Etappe von 218 Kilometern kann man nicht alles absperren. Ich habe mich nicht bedroht gefühlt“, nahm Haussler das Geschehen gelassen hin - ähnlich wie der Gesamtführende Thomas. "Es war sicher unglücklich, dass es genau dann passiert ist, als wir durchgefahren sind. Aber ich hatte Glück und habe nur wenig in den Augen gespürt. Mit dem Wasser konnten wir es dann abspülen. Es hat mich aber nicht wirklich groß betroffen“, sagte der Waliser.

Mit wesentlich mehr Unverständnis reagierte dagegen der Gesamtdritte Tom Dumoulin (Sunweb). "Es war verrückt, denn wir haben ja nichts falsch gemacht. Ich habe keinem Bauern in Carcassonne Unrecht getan. Es ist schon eine komische Art, um seine Meinung zu zeigen. Aber ich verstehe auch nicht jeden Menschen auf der Welt. Jene werde ich wohl nie verstehen. Aber ich muss dazu auch nichts sagen“, sagte der Niederländer, der nach eigenen Angaben keine Probleme hatte. Ähnlich äußerte sich sein Teamkollege Simon Geschke. "Ich kann nicht verstehen, dass Leute die Tour für ihre Zwecke nutzen. Zum Glück hat die Polizei das ja schnell im Griff gehabt“, sagte der Freiburger.

Mit Sarkasmus kommentierte Daniel Martin (UEA Team Emirates) den Einsatz des Pfeffersprays. “Was war es, eine chemische Keule? Das ist eine neue Erfahrung. Ich bin ja immer offen für neue Erfahrungen, aber Pfefferspray während des Rennens ... man konnte es ein bisschen in den Lungen spüren - es war nicht gerade angenehm. Aber sie (die Organisatoren, d. Red.) sind gut mit der Situation umgegangen und das medizinische Team hat sich mit den Jungs beschäftigt, die etwas brauchten. Bizarr war das aber schon“, meinte der Ire zu dem Intermezzo.

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