Deutschland-Tour-Tagebuch von Tobias Knaup

Bei Geraint Thomas als Kiryienka-Ersatz beworben

Von Tobias Knaup

Foto zu dem Text "Bei Geraint Thomas als Kiryienka-Ersatz beworben"
Tobias Knaup (rechts) und seine Teamkollegen von Lotto-Kern Haus | Foto: radsport-news.com

26.08.2018  |  (rsn) - Hallo lieber Leser zu meinem vorerst letzten Tagebuch Eintrag,

heute war der Ablauf vor dem Rennen genauso entspannt wie gestern. Frühstück um 9:00 Uhr und Abfahrt zum Rennen 10:45 Uhr, da der Startort Lorsch nur ein paar Kilometer entfernt lag.

Nach der Einschreibung und dem ganzen anderen Kram, den man halt so macht vor dem Start, ging es um 12 Uhr pünktlich los zum neutralen Start. Wir wollten uns natürlich am letzten Tag nochmal von der besten Seite zeigen und unbedingt in die Gruppe des Tages. Aber wie die vergangenen Tage, war das ganze nicht so einfach, da die ersten Kilometer wieder auf einer breiten Straße entlang führten und die kleinen Mannschaften nicht so einfach weghutzeln konnten. Außerdem hatten wir auch alle ein bisschen Schiss, es könnte wieder länger dauern, sodass in der Bergwertung bei Kilometer 23 wieder richtig Radrennen ist.

Aber irgendwie schafften es dann nach 15km drei Worldtour Mopeds vom Kaliber Kiryienka, Cavagna und einem von Bahrain-Merida solange mit 65 km/h im Flachen zu fahren, dass dahinter niemand mehr so richtig die Motivation hatte die 15 Sekunden zu zufahren. Im Feld haben sich alle mit der Situation auch gut abgefunden, vor allem Bahrain-Merida, da sie als Team mit dem Gesamtführenden Mohoric sozusagen einen Aufpasser mit vorne hatten. Von den Conti-Mannschaften war dann auch keiner mehr in der Lage nach vorne zu springen.

So richtig wollten viele der Sache noch nicht trauen, da es Gerüchte gab, die Jungs in den braunen Hosen könnten wieder bergauf randalieren. Bahrain-Merida hat dann, nachdem der Abstand zur Spitzengruppen etwa bei 2 Minuten lag, ihre Pflicht, das Trikot zu verteidigen, wahrgenommen und das Tempo im Feld bestimmt.

Zur zweiten Bergwertung hoch war das Tempo für meinen Geschmack echt sportlich und ich habe auf meinem Sigma Tacho des Öfteren eine dreistellige Zahl mit einer 4 am Anfang gesehen. So ging es den ganzen Tag auch überwiegend weiter und es war den ganzen Tag richtig Ekel-Tempo, sodass ein kollektives Pinkeln heute ausfiel. Ich hab meine Aufgabe als Windfänger wieder eingenommen und Josh und den Rest so gut es ging den ganzen Tag beschützt. Zum Erstaunen vieler haben die zwei Mopeds, trotz des wirklich ekelhaften Tempos im Feld, zeitweise über 6 Minuten Vorsprung herausgefahren.

An der Verpflegung bei Kilometer 108 war ich dann so clever, direkt am Anfang der Verpflegungszone bei unseren Betreuern einen Beutel anzunehmen, das Ding auf den Rücken zu werfen und erstmal an der linken Straßenseite einige Positionen gut zu machen, da ich wusste es geht weiterhin bergauf mit einer anschließenden Abfahrt mit Seitenwind. Zu meinem Erstaunen hab ich mich dann direkt hinter Bahrain-Merida im Zug von Sky um den Tour Sieger Geraint Thomas wiedergefunden. Der war dann mit seinem Beutel etwas beschäftigt, dass ich vor ihm reinfahren konnte in die Reihe von Sky.

Nach etwa 5 Minuten und echt ekelhaften Seitenwind dachte ich mir, was machst du eigentlich hier vorne so ganz alleine zwischen den großen Namen. Normalerweise sollte ich zurück auf die billigen Plätze am Ende des Feldes, die meistens für die kleineren Teams reserviert sind, da die im Gesamtklassement keine Rolle spielen. Also scherte ich aus und winkte Thomas, der immer noch am meinem Hinterrad war, vorbei. Dabei konnte ich mir nicht verkneifen ihn zu fragen, ob ich nicht hierbleiben könnte und Kiry's Job übernehmen könnte, da dieser sich in der Spitzengruppe aufhielt. Darüber konnte der Toursieger auch ein wenig lachen und ich verschwand dann wieder schnell nach hinten zu meinen Jungs.

So 80 Kilometer vor dem Ziel, als der Abstand immer noch bei 5 Minuten lag, hat dann Bora-hansgrohe die Jungs von Bahrain-Merida mit der Nachführarbeit unterstützt und das Peloton war weiterhin ein langgezogene Perlenkette.

Wir haben uns dann mental auf das Finale eingestellt und wollten Josh ganz vorne auf den Schlusskurs schicken, damit er nochmal für eine gute Platzierung sorgen kann. Durch meine Streckenkenntnisse habe ich es dann auch geschafft unter den ersten 20 mit Josh an meiner Seite auf die Schlussrunde zu gehen. Auf der Zielgeraden habe ich, trotz der unfassbaren Stimmung der Zuschauer, gemerkt, dass ich wieder ziemlich "choco" bin. Bis zum Beginn des Anstieges habe ich noch in der Reihe mitgehalten und habe dann etwa 1,5km vor der Bergwertung ausgecheckt und Josh mit einem Klapps viel Erfolg gewünscht.

Am Herdweg habe ich dann einen richtigen Parkschein gezogen. Zu meinem Erstaunen habe ich das Laktat in meinen Beinen nicht mehr gespürt, weil die Leute, die dort in Dreierreihen standen, jeden so unglaublich laut angefeuert haben. Oben auf der Kuppe hab ich dann von unserem Teamfahrzeug noch eine kleine Cola bekommen und bin mit einer etwa 25-Mann-großen Gruppe entspannt Richtung Ziel gefahren.

Natürlich musste der Herdweg noch einmal erklommen werden und die Leute haben uns abgehängte Fahrer wieder angefeuert, als wären wir die Ersten. Oben bin ich natürlich meiner journalistischen Pflicht für diesen Blog nachgekommen und habe Brice Feillu von Fortuneo-Samsic gefragt, ob die Stimmung hier am Berg besser ist als bei der Tour der France. Er konnte mir dies mit einem Grinsen bejahen. Also an dieser Stelle ein dickes Lob, an alle, die die letzten vier Tage an die Strecke gekommen sind und uns angefeuert haben.

Im Ziel ging es mit einem kühlen Erfrischungsgetränk zum Parkplatz, wo unser Camper mit einer kalten Dusche und Essen auf uns wartete. Josh ist 18. geworden und war damit bester Conti-Fahrer, soweit ich weiß. Nils Politt hat die Etappe gewonnen und nochmal für einen krönenden Abschluss aus deutscher Sicht gesorgt.

Ich befinde mich jetzt während des Schreibens des Tagebuch-Eintrags auf dem Heimweg nach Weitersburg. An dieser Stelle möchte ich mich, auch im Namen aller Fahrer von Lotto Kern-Haus, bei unseren Betreuern bedanken, die uns in den letzten Tagen so wundervoll versorgt haben. Und natürlich unserem Teamchef Florian Monreal, der das Ganze für uns möglich gemacht hat.

Heute Abend werde ich dann noch ein Glas kalte Milch trinken und den morgigen Tag dazu nutzen mir die Highlights der Etappen anzuschauen, da ich nicht ein Mal im Finale live vorne dabei war.

Ich hoffe ich konnte euch die Dinge aus der Sicht eines Fahrers gut schildern und ihr hattet Spaß beim Lesen.

Damit verbleibe ich mit einem Sport frei!

Euer Knaupaner

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