Vuelta-Kolumne - Das Graue Trikot

Deutsch-dänische Beziehungen

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Deutsch-dänische Beziehungen"

Michael Blaudzun (CSC-Saxo Bank) im Zeitfahren der Vuelta

Foto: ROTH

04.09.2008  |  Das war knapp! Tintin Rebellin hat beim ersten Einzelzeitfahren der Vuelta zum großen Gegenschlag ausgeholt und Ete Zabel beinahe aus dem Grauen Trikot gefahren. Die beiden Spitzenfahrer in der Ãœ35-Gesamtwertung trennen jetzt noch 14 Sekunden voneinander. Das erhöht die Spannung bei der hügeligen Etappe nach Toledo, die beiden liegen sollte.

Was sich auf den ersten Etappen bereits anbahnte, hat sich im Kampf gegen die Uhr bestätigt: Zabel und Rebellin sind erbitterte Rivalen um die Senioren-Trophäe der Spanien-Rundfahrt. Wenn der eine die Nase vorn hat, legt der andere los, um ihn einzuholen. Das kann ja heiter werden. Und es wird interessant sein, zu sehen, wer von beiden in welchem Grupetto am Sonnabend in Andorra ankommt. Hoffentlich bleibt das Fernsehen so lange dabei.

Ein Däne hat mich gestern Lügen gestraft. Ich hatte den guten Michael Blaudzun für das erste Solo-Zeitfahren gar nicht auf dem Schirm. Und der hat gleich mal den Tagessieg in der Ü35-Wertung einkassiert. Als Tagessiebter. Alle Achtung. Umso sträflicher, dass er im Vorfeld durchgerutscht ist. Bisher ist aber kein Protestschreiben seiner Fangemeinde eingegangen. Zum Glück lautet eine berühmte Redewendung ja: Dänen rügen nicht. Oder so ähnlich.

Blaudzun ist in Radsport-Deutschland kein Unbekannter. 1998 war er Zabels Teamkollege bei Telekom. 1999 gewann der Michi eine Etappe der Dekra Open. Vor acht Jahren war er Fünfter der Deutschland Tour, ein Jahr später gewann er die Hessen-Rundfahrt und 2002 kam er als Achter der Friedensfahrt an. Zu vorerst guter Letzt gelang Blaudzun 2005 der Sprint auf Platz vier bei Rund um Köln. Bemerkenswert, deutsch-dänische Beziehungen sind ja selten heiß und innig. Oder hat das jemand ernsthaft geglaubt, als Bjarne Riis im Sommer 1997 mit starrem Blick erklärte, es sei kein Problem für ihn, wenn Jan Ullrich nun mal der Stärkere sei?

Seit der Kurz-Ära Ullrich-Riis beim Team Telekom ist eine unübersehbare Spannung zwischen dänischen und deutschen Radprofis zu bemerken. Man muss nur zwischen den Speichen, pardon, Zeilen lesen. Michael Rasmussen hat vor Jahresfrist schlicht nicht verknusen können, dass Linus Gerdemann das Gelbe Trikot der Tour trug. Also griff er wütend an, um den deutschen Widersacher aus den Schuhen zu fahren. Der Linus kann froh sein, dass Thomas Lövkvist ein Schwede ist. Sonst würde ich bei der aktuellen D-Tour keinen Pfifferling auf den Gerdi setzen.

Jens Voigt haben sie bei CSC auch gehörig verkorkst. Ich erinnere nur an das Jahr 2004, als er Jan Ullrichs Attacke in den Alpen zunichte machte. Schlimm so 'was. Ab und zu entpuppen sich dänische Profis sozusagen als Klotz am Bein. Teure Transfers sollen deutsche Teams schädigen. Bestes Beispiel: Lars Michaelsen bei Coast. Der Mann hatte schon eine Etappe der Vuelta und Gent-Wevelgem im Palmares, als ihn dieser Ruhrpott-Lagerfeld ins Boot holte. Dann hielt sich Michaelsen zwei Jahre lang vornehm zurück. Erst als der Karren bei Coast schon im Dreck steckte, entsann sich der Däne, dass er auch 'was für den eigenen Marktwert tun sollte, wenn er denn noch irgendwo als Profi unterkommen wollte. Und schon klappte es Ende 2003 wieder mit dem Gewinnen. Michaelsen kam bei CSC unter.

Anderes Beispiel: Frank Hoj. Der hat in seinen zwei Gerolsteiner-Jahren gerade mal einen mageren Etappensieg beim Circuit Franco-Belge eingetütet. Gekommen war er mit der Visitenkarte mehrerer Top-Ten-Platzierungen bei den großen Klassikern und bei den olympischen Straßenrennen 2000 und 2004 sowie gut einem Dutzend Profisiege. Natürlich sind die Deutschen keine Waisenknaben. Dass Ullrich dem alternden Riis keinen zweiten Toursieg gönnte, war auch etwas gemein. Und die Demütigung Rasmussens im Tour-Zeitfahren im Jahr 2005 hätte Ulle auch etwas gnädiger gestalten können. Bleibt also zu hoffen, dass Ete und Michi Blaudzun beim Kampf ums Graue nett zueinander bleiben.

SN-Wertung Graues Trikot:

1. Ete Zabel
2. Tintin Rebellin + 0:14
3. Chechu Rubiera + 1:09
4. Inigo Cuesta + 1:12
5. Jose-Luis Arrieta + 2:25
6. Bingen Fernandez + 6:39
7. Michi Blaudzun + 10:29
8. Txente Garcia Acosta + 16:17
9. Gorazd Stangelj + 23:35

Etappensiege "Grau": Tintin (1), Ete (2), Blaudzun (1)

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