Interview mit dem ehemaligen Sponsoring-Chef der Telekom

Frommert: "Das Skandalpotenzial ist nach wie vor enorm"

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Christian Frommert im Jahr 2007 | Foto: ROTH

01.07.2011  |  (rsn) - Christian Frommert stand als Chef für Sport-Sponsoring und Kommunikation des Telekom-Konzerns mitten im medialen Feuer, als Jan Ullrich am 30. Juni 2006 wegen seiner Verwicklung in die Fuentes-Affäre von der Tour suspendiert wurde. Heute berät der ehemalige Sportjournalist Topleute aus Sport und Industrie. Dem Radsport steht er mittlerweile sehr kritisch gegenüber.

Herr Frommert. Nun ist es ein schon einige Jahre her, dass Sie nicht mehr in den Radsport involviert sind. Hat sich Ihrer Meinung nach seitdem viel verändert?

Frommert: Radsportveranstaltungen, vor allem die Tour de France, sind nach wie vor faszinierende Events. Man muss dabei gewesen sein, um nachzuvollziehen, wie sich dieser Wanderzirkus bewegt und wie es sich in dem Mikrokosmos lebt. Das Problem ist aber nach wie vor, dass sich diese Radsportwelt nicht erneuert. Es sind nahezu die gleichen Protagonisten, die das Sagen haben – oft in wechselnden, verschiedenen Rollen. Der Radsport hat in der Vergangenheit einiges getan im Kampf gegen Doping und für mehr Glaubwürdigkeit. Das aber hat wieder stark nachgelassen. Das eigentliche Problem liegt sicher in den Spitzenstrukturen der Verbände, den Teams und den Organisatoren der Rennen. Da hat sich unterm Strich gesehen nach einigem Aktionismus wenig getan. Da macht man weiter, wie eh und je. Was da im "Fall Contador" gerade geboten wird, ist grotesk.

Die größte Veränderung ist wohl, dass ARD und ZDF ab 2012 nicht mehr übertragen?

Frommert: Der Radsport in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, steht und fällt mit der medialen Verwertung, insbesondere im Fernsehen. Da Vermarktungsmöglichkeiten und Akzeptanz hierzulande aufgrund des lädierten Images gegen Null tendieren, sterben die regionalen und nationalen Rennen nahezu aus. Dabei bleibt festzuhalten, dass man in keiner anderen Sportart für diesen relativ niedrigen Einsatz an finanziellen Mitteln einen maximalen Output, respektive Fernsehzeit, erreicht. Der Effekt war früher mit den TV-Übertragungen - auch bei kleinen Teams – ja der: Man hat die Logos und Namen der Sponsoren stundenlang vor Augen gehabt und sich dann gefragt: Was machen die eigentlich? So wurde die Marke in den Fokus gerückt und die Bekanntheit gesteigert und das mitunter global. Das aber ist eben auch die Krux: Geht das verloren, gibt es kaum noch Alternativen.

Aber es gibt doch zahlreiche Fahrer, die für den neuen und sauberen Radsport in Deutschland stehen?

Frommert: Man hört es. Ich möchte auch gerne daran glauben. Ich weiß nicht, wann es zuletzt überhaupt eine so hohe Anzahl an talentierten deutschen Fahrern gab. Greipel, Degenkolb, Kittel, Ciolek, Gerdemann, Wegmann und und und. Man könnte ein Klasse-Team alleine mit diesen Sportlern aufstellen, aber das Elementare fehlt: die Sponsorenbasis. Sicher - andere schlagen auch wieder andere Wege ein. In Luxemburg zum Beispiel tritt mit Mercedes-Benz ein Weltkonzern bei Leopard-Trek als Sponsor auf. Da bricht möglicherweise auch wieder etwas Neues an. Aber das Skandalpotenzial ist nach wie vor enorm und  wird es zunächst bleiben. Es geht so schnell, dass starke Marken mit Schlagwörtern wie „Betrug“, „Razzia“ und „Skandal“ in Verbindung gebracht werden. Die mediale Wirkung ist gigantisch und die Imagewirkung in einem solchen Fall fatal.

Also wird der Radsport der Zukunft öffentlich immer mit seiner Vergangenheit zu kämpfen haben?

Frommert: Es hat die Superstars getroffen: Ullrich, Basso, Landis. Auch Armstrong wird stark belastet. Dadurch ist der Radsport in der breiten Öffentlichkeit zum Synonym für Doping im Sport geworden. Natürlich ist es jedem bewusst, dass dieses Problem auch in anderen Sportarten existiert – aber nirgendwo ist es öffentlich so massiv bekannt geworden. Aufgrund der Erfahrungen, Berichte und Spekulationen in dieser teilweise noch mit unprofessionellen Strukturen durchzogenen hochkomplexen Veranstaltung „Radsport“ traut man der Szene eben auch vieles bis alles zu.

Aber ist es dann das Dopingproblem im Radsport an sich, das verantwortlich ist, oder das von den Medien geschürte Dopingproblem, wie viele Radsportfans meinen?

Frommert: Dadurch, dass es hierzulande den Superstar getroffen hat, war auch das enorme öffentliche Interesse da. Es entbrannte eine Moraldbatte, die durch weitere Dopingbekenntnisse und positive Tests immer weiter verlängert und intensiviert wurde. Der Höhepunkt war ja mit dem „Fall Ullrich“ längst nicht erreicht. Auch aufgrund der damals zeitgleich veranstalteten Fußball-WM in Deutschland. Der GAU war sich der „Fall Sinkewitz“. Der Skandal um Ullrich hat eher dazu beigetragen, den Dopingkampf in Deutschland stark in den Fokus zu rücken und strikte Richtlinien zu erlassen. Doch den Besprechungen und Versprechungen, den Runden Tischen und Kodexen folgten neue Enthüllungen, der nächste Knall. Trotz interner Kontrollen. Oder in diesem Fall eigentlich gerade wegen dieser Kontrollen. Das System begann also zu greifen. Aber erst jetzt haben ARD und ZDF den Stecker gezogen.

Und dann ist die Telekom ausgestiegen. Nicht nur beim Team T-Mobile, sondern auch aus dem Breitensport. Damit hat sie alles, was sie teuer aufgebaut hat, wieder fallen lassen....

Frommert: Es ging einfach nicht mehr. Es ging nur noch gegen den Konzern. Es ging nicht mehr darum: Person X oder Person Y hat gedopt. Es ging nur noch um den „Betrug bei der Telekom. Doping bei der Telekom. Staatsanwaltliche Untersuchungen bei der Telekom.“ Wenn es dieses Ausmaß erreicht, muss man Konsequenzen ziehen. Da kann man noch so viel Verantwortung für eine Sportart, die in der Vergangenheit enorm viel an Wert gebracht hat, übernehmen wollen. Das ist der Punkt, an dem es nur noch um Image-Rettung gehen muss.

Also kann ein Danilo Hondo, der ein neues Team gründen will, nicht mit der Telekom als Sponsor rechnen?

Frommert: Das schließe ich aus. Der einzige Grund für einen Einstieg ist eine glaubwürdige, breite Kommunikations-Plattform, auf der Image verbessert oder gestärkt werden kann. Das ist im Radsport derzeit sicher nicht möglich, zumindest nicht hierzulande. Auch dass sich ein anderer Weltkonzern derzeit sehr prominent im Radsport zeigt, kann ich mir nicht vorstellen. Das Sponsoring ist das Eine, aber es sind ja auch noch enorm hohe Summen in die Aktivierung dieser medialen Plattform zu stecken: Events, Kommunikation, Aktion auf allen Ebenen, vor allem in der Breite. Kunden und Mitarbeiter müssen an derlei partizipieren und das Engagement akzeptieren, für das der Konzern Geld ausgibt. Und das Risiko, dass man danach schlechter dasteht als zuvor, ist enorm hoch. Um wieder Vertrauen zu schaffen muss sich der Sport verändern. Vieles wurde versucht, aber die Strukturen, die diesen Sport steuern, sind seit Jahren die Selben. Und wohin deren Strategie geführt hat, wird ja angesichts der aktuellen Situation eindrucksvoll vorgeführt.


Mit Christian Frommert sprach Moritz Scheidl.

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