Tour-Vorschau: 15. Etappe, Givors - Mont Ventoux

Nationalfeiertag + Ventoux = Ausnahmezustand

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| Foto: A.S.O.

14.07.2013  |  (rsn) – Man muss nicht lange erklären, warum diese 15. Etappe etwas ganz Besonderes ist. Dazu genügen genau zwei Begriffe: Nationalfeiertag und Ventoux. Die Franzosen werden am heutigen 14. Juli ein Radsportfest der Superlative auf dem „Riesen der Provence“ veranstalten und im ganzen Land stolz mitfeiern. Und natürlich hoffen sie dabei auf einen Franzosen als Sieger, doch das wird am Ende der längsten Etappe der gesamten Rundfahrt nur mit viel Glück geschehen.

Die Strecke: 242,5 km, Bergankunft, 3 Berge der 4. Kat., 1 Berg der 3. Kat., 1 Berg der Ehrenkategorie
Es ist schon harter Tobak, dass die ASO den längsten Tag der Tour ausgerechnet auf die Etappe gelegt hat, die am brutalen Mont Ventoux endet. Die 21 Kilometer bei durchschnittlich 7,5 Prozent alleine würden vielen sicher genügen, um am Ende völlig entkräftet vom Rad zu fallen – besonders, wenn das Thermometer, wie so oft Mitte Juli in der Provence, weit jenseits der 30-Grad-Marke klettert. Doch die Verantwortlichen verlangen den Profis am Tag vor dem zweiten Ruhetag alles ab.

Die Etappe beginnt sofort nach dem Start hügelig und hält bereits bei Kilometer 20,5, 26,5 und 44,5 die ersten drei Bergwertungen des Tages bereit: Cote d’Eyzin-Pinet (3,1 km, 4,9 %, 4. Kat.), Cote de Primarette (2,6 km, 4,1 %, 4. Kat.) und Cote de Lens-Lestang (2,1 km, 3,8 %, 4. Kat.). Anschließend sollte die Ausreißergruppe des Tages stehen und sich das Rennen beruhigen. Es geht rund 50 Kilometer ziemlich flach weiter in Richtung Süden nach Crest, wo die nächsten Steigungen beginnen.

Von hier an bis zum Schlussanstieg folgt ein ständiges, wenn auch nur leichtes Bergauf und Bergab, nur flach ist es nie. Bei Kilometer 143 wartet an der Cote de Bourdeaux (4,2 km, 5,7 %, 3. Kat.) die vierte Bergwertung, und wenn sich die Fahrer dem Mont Ventoux aus Nordwesten nähern, wird in Maulacène am Fuß des Alternativ-Anstiegs die Sprintwertung abgenommen. Doch anstatt danach auf der mittelschweren der drei Varianten zum Ventoux hinaufzuklettern, umschifft das Peloton den „Riesen der Provence“ zunächst noch auf südlicher Seite und fährt über den nicht klassifizierten Col de la Madeleine nach Bedoin.

Dort beginnt schließlich die gefürchtete Schlusssteigung (20,8 km, 7,5 %, Ehrenkategorie). Die ersten fünf Kilometer steigen zwischen unterschiedlichen Feldern und vorbei an einigen Höfen noch gemäßigt bei rund fünf Prozent an, doch sobald die Haarnadelkurve von St-Estève erreicht ist, wird es richtig steil. Mit drei Kilometern, die durchgehend zwischen neun und elf Prozent steil sind, geht es in den Wald hinein. Die Straße schlängelt sich, begrenzt durch Leitplanken, die auf die hier ebenfalls ausgetragenen Automobil-Bergrennen hinweisen, mit leichten Kurven nun den Berg hinauf, und geht dann mit weiterhin fast ausschließlich mehr als neun Steigungsprozenten in längere Geraden über.

Nach rund 13 Kletter-Kilometern erreichen die Fahrer einige Ferienhäuser im Wald und es wird mit nur noch 7,5-prozentiger Steigung kurzzeitig etwas flacher. Die Straße erreicht zwei Kilometer später die Ski-Station Chalet Reynard, wo die Steigung sogar noch einmal auf 5,5 Prozent sinkt. Doch das ist die letzte Chance zum Luftholen. Ab diesem Punkt nämlich verlassen die Profis die bewaldeten Bereiche und fahren in die oft als „Mondlandschaft“ bezeichneten Geröllhänge hinein. In weiten Kurven führt das Asphaltband dort dem von nun an fast die ganze Zeit sichtbaren Ziel am Observatorium entgegen, das aber einfach nicht näherkommen will. Auf den abschließenden fünf Kilometern wird es immer steiler, bis die letzten 1500 Meter ab dem Denkmal des 1967 hier verstorbenen Tom Simpson wieder mit durchschnittlich 9,5 Prozent ansteigen.

KulTour - Die Region: Von der „Stadt der Sterne“ in die Mondlandschaft
Wenn Sie Givors besuchen, dann machen Sie am besten einen Rundflug. Denn erst von oben wird deutlich, was der preisgekrönte Architekt Jean Renaudie hier geschaffen hat: eine Stadt aus Sternen. Ein Wohnviertel von Givors nämlich besteht ausschließlich aus aufeinander aufbauenden Häusern, deren Außenwände und Gartenmauern sich jeweils im 45-Grad-Winkel treffen und so viele kleine Sterne ergeben.

Auch wenn der Mont Ventoux einen beeindruckenden Weitblick erlaubt - die „Sternen-Stadt“ von Givors kann man vom Gipfel des „Riesen der Provence“ leider nicht sehen. Zu weit weg liegt der Startort vom kegelförmig erscheinenden „Koloss“, der auch im Sommer durch seine helle Geröll-Landschaft von weitem oft wie schneebedeckt aussieht. Doch wenn man anstatt nach Norden bei guten Verhältnissen in Richtung Süden blickt, dann sieht man etwas ähnlich Beeindruckendes: das über 100 Kilometer entfernte Mittelmeer.

Übrigens: Für die ganz hartgesottenen Ventoux-Fans gibt es seit 1988 den „Club des Cinglés du Mont Ventoux“. Ihm tritt automatisch jeder bei, der den Berg an einem Tag mit dem Fahrrad aus allen drei Richtungen erklimmt: aus Bedoin im Südwesten, aus Maulacène im Westen und aus Salt im Südosten. Und wem das nicht reicht, der kann seit 2007 sogar zum „Bicinglette“ werden, wenn er innerhalb von 24 Stunden sechs Mal hinauffährt - viel Spaß!

ReTour - Tour-Historie: Gutes oder schlechtes Omen für die Norweger?
Givors war zwar noch nie Tour-Etappenort, doch die Stadt südlich von Lyon hat in den letzten Jahren beim Critérium du Dauphiné immer wieder eine Rolle gespielt – zuletzt 2005 und 2012. Und in beiden Jahren ging die Etappe an einen Norweger. Thor Hushovd gewann 2005 in Givors, Edvald Boasson Hagen siegte sieben Jahre später auf der 3. Etappe, die in Givors gestartet wurde.

Mit dem Mont Ventoux hingegen verbinden die norwegischen Fans weniger freudige Erinnerungen. Auf dem Riesen der Provence nämlich kam noch nie einer der ihren als erstes an. Dafür aber liest sich die Liste der Tour-Etappensieger hier oben wie das Who is Who der Radsport-Geschichte: Charly Gaul, Raymond Poulidor, Eddy Merckx, Bernard Thévenet, Jean-Francois Bernard, Marco Pantani sowie Richard Virenque haben hier oben gewonnen - und Juan Manuel Garate im Jahr 2009 beim letzten Tour-Besuch knapp vor einem verbissen kämpfenden Tony Martin.

Auch wenn die „Große Schleife“ also bislang nur acht Etappen hier oben enden ließ: Keine einzige dieser Ankünfte und auch keine weitere Überquerung wird je vergessen werden. Der kahle Berg, der in der Provence alles überragt und bei guter Sicht schon aus großer Entfernung zu sehen ist, ist eines der Wahrzeichen der Tour. „Wenn es um die Tour geht, sprechen sie über den Mont Ventoux und L’Alpe d’Huez“, sagt auch Tour-Direktor Christian Prudhomme und erklärt mit diesem simplen Satz, warum beide Anstiege unbedingt Bestandteil der 100. Austragung sein mussten.

Die Radsport-News-Prognose: Kaum Chancen für die Ausreißer
Die Franzosen hoffen am 14. Juli noch mehr als sonst auf den Sieg eines der ihren. Doch am Mont Ventoux wird das schwer wie selten. Auch wenn die 15. Etappe lediglich der Auftakt in die knallharte Schlusswoche ist und einige Favoriten vielleicht gern ein paar Kräfte sparen würden, so dürfte der anstehende Ruhetag wiederum ihre Kontrahenten motivieren, doch schon heute alles aus sich herauszuholen.

Aus diesem Grund, und auch weil der Ventoux-Sieg sehr prestigeträchtig ist, werden sich die Ausreißer, die sicherlich mit ordentlichem Vorsprung an den Fuß des Schlussanstiegs kommen werden, trotzdem gehörig strecken müssen, um sich vor den großen Favoriten ins Ziel zu retten. Die nämlich werden sich hier so hart bekämpfen, dass höchstens zwei oder drei von ihnen am Ziel noch beisammen sein werden. Den Sieg am Ventoux würde sicher auch Chris Froome gerne feiern.

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