Angriffslustiger Kanadier sorgt beim Giro für Action

Hesjedal versteht Tinkoff-Saxo nicht: „Die vernichten sich selbst"

Von Felix Mattis aus Aprica

Foto zu dem Text "Hesjedal versteht Tinkoff-Saxo nicht: „Die vernichten sich selbst
Ryder Hesjedal (Cannondale-Garmin) fährt beim Giro erfrischend offensiv. | Foto: Cor Vos

26.05.2015  |  (rsn) - Jede Bewegung fiel Ryder Hesjedal (Cannondale-Garmin) schwer. Der Kanadier konnte kaum reden, als er in Aprica ankam und verwies die neben ihm herjoggenden, wissbegierigen Journalisten auf das 500 Meter entfernte Teamhotel. „Let's do it on the rollers", sagte Hesjedal. Er wollte nicht anhalten, um nicht noch einmal anfahren zu müssen, sondern nur noch ausrollen und sich dann auf die Rolle setzen, um langsam das Laktat aus den Beinen zu pedalieren. Dort würde er alle Fragen beantworten.

Kurze Zeit später kraxelte Hesjedal ganz langsam, Schritt für Schritt die knapp zehn Stufen in die Eingangshalle des Hotels hinauf und durch das Foyer auf die Terrasse, wo die Betreuer sein Rad auf den Rollentrainer spannten. Zwei Minuten dauerte es noch, dann kam mit leiser Stimme: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll." Die Frage nach seinem Befinden am Ende der schweren Mortirolo-Etappe brauchte nun niemand mehr stellen.

Hesjedal, der Giro-Sieger von 2012, hatte eine herausragende Leistung gezeigt. Schon am ersten Berg des Tages, dem vom Sonntag bereits bekannten Anstieg nach Madonna di Campiglio attackierte Hesjedal mehrfach. Beim ersten Mal ließ ihn das Feld nicht weg. „Alberto Contador selbst hat mich zurückgeholt", erzählte er nun mit kurzen, langsam ausformulierten Sätzen und tiefem Atem.„Das ist vielleicht ein Zeichen von Respekt, aber hey: Ich liege elf Minuten zurück!"

Etwas später konnte sich der Kanadier doch noch lösen und zur bis dato siebenköpfigen Spitzengruppe nach vorne fahren. Doch auch dort ließ ihn Contadors Tinkoff-Saxo-Mannschaft nicht in Frieden, hielt den Rückstand des Feldes mit harter Tempoarbeit möglichst gering. „Saxo vernichtet sich selbst", urteilte Hesjedal angesichts der Tatsache, dass die neongelben Helfer von Contador im Etappenfinale einmal mehr keine Rolle spielten, weil sie ihre Kräfte vorher aufgebraucht hatten.

„Normalerweise könnten sie so einer Gruppe fünf, sechs, sieben oder acht Minuten Vorsprung geben. Aber sie machen Tempo und halten es eng. Astana sitzt am Hinterrad und kann dann übernehmen und allen wehtun", so Hesjedal. „Am Ende geht es gut, weil Contador den Giro gewinnt. Aber verstehen kann ich die Fahrweise nicht."

Dem 34-Jährigen könnte das ziemlich egal sein, wenn er als einer der angriffslustigsten Ausreißer dieser Italien-Rundfahrt nicht selbst ständig der Leidtragende wäre. Am Fuß des gefürchteten Mortirolo-Anstiegs wurde er auch auf dieser 16. Etappe wieder eingeholt. Ausreißer haben es schwer beim Giro 2015, das erkannte auch Steven Kruijswijk (LottoNL-Jumbo), der in den ersten zwei Wochen selbst noch viel in der Offensive war, nun aber seine Taktik geändert hat und in Aprica auf Rang zwei gefahren ist.

Hesjedal hingegen denkt offenbar nicht daran, die Taktik zu ändern. „Ich habe keine Angst, den 13. Gesamtrang zu verlieren. Was auch immer das Ergebnis ist, mir ist es lieber zu racen", erklärte er. Entsprechend empfindlich reagierte er auf die Nachfrage von radsport-news.com, ob er seine frühe Attacke im Nachhinein bereue, weil mit mehr Kraftreserven möglicherweise ein noch besseres Ergebnis als Etappenrang sechs mit 2:10 Minuten Rückstand auf Tagessieger Mikel Landa (Astana) herausgesprungen wäre.

„Ich bin glücklich mit dem Ergebnis", sagte er mit noch immer sehr angestrengter Stimme. „Wenn ich 30 Minuten Rückstand mitbringen würde, könnte man sagen, dass es keinen Sinn gemacht hat, was ich tat. Aber ich bin ein gutes Rennen gefahren."

Das wollte niemand bezweifeln. Besonders beeindruckte, wie Hesjedal am Mortirolo wieder zurückkam, nachdem er eigentlich längst ein- und überholt war. Und auch auf dem Weg nach Aprica fuhr er gemeinsam mit Andrey Amador (Movistar) wieder zum auf der Abfahrt entwischten Yuri Trofimov (Katusha) vor. Hesjedal, das Stehauf-Männchen. „Ich bin mit Trentino und Romandie vorher jetzt quasi in der vierten Grand-Tour-Woche. Aber das ist genau das, was ich brauche. Das habe ich schon öfter gezeigt."

Man darf mit weiteren Attacken des Garmin-Kapitäns rechnen - drei Bergetappen bleiben schließlich noch. „Ich gehe einfach da raus, fahre Radrennen und genieße das", kündigte er an - auch wenn seine Stimme dabei weniger nach Genuss als nach unendlicher Qual klang.

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.06.2015Sky will an Idee mit Motorhomes festhalten

(rsn) – Glück brachte das sogenannte Motorhome, eine Art Campingwagen, das die britische Sky-Mannschaft mit zur diesjährigen Auflage der Italien-Rundfahrt brachte, Richie Porte nicht. Der Tasman

04.06.2015Van Den Broeck: „Wir sind doch keine Maschinen"

(rsn) - Nachdem Teamchef Marc Sergeant seine Enttäuschung über das Giro-Abschneiden seines Kapitäns Jurgen Van Den Broeck kundgetan und dessen Trainer sich im Gegenzug über fehlendes Vertrauen von

02.06.2015Unfairer Coledan und die Ausreißer durchkreuzten Kluges Ziele

(rsn) - Den Sieg auf der prestigeträchtigen Schlussetappe mit Ziel in Mailand sowie die Rote Laterne als Vorletzter knapp verpasst, dennoch war Roger Kluge (IAM) mit seiner Giro-Premiere zufrieden.

01.06.2015Bei Katusha saß der zweite Anzug, bei Sky griff Plan B

(rsn) - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. radsport-news.com zieht in einer vierteiligen Reihe Bilanz: Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinter den Erwartungen zurück

01.06.2015Vegni: „Sestriere-Etappe war herausragend"

(rsn) – Giro-Chef Mauro Vegni hat eine positive Bilanz der am Sonntag in Mailand zu Ende gegangenen 98. Italien-Rundfahrt gezogen. „Ich bin sehr zufrieden, wie dieser Giro abgelaufen ist“, sagte

01.06.2015Orica mit Gala-Auftakt, Movistar auch ohne Nairo Quintana Spitze

(rsn) - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. radsport-news.com zieht in einer vierteiligen Reihe Bilanz: Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinter den Erwartungen zurück

01.06.2015Lampre kann vier Mal jubeln, CCC Sprandi bleibt nur die Tristesse

rsn - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. radsport-news.com zieht in einer vierteiligen Reihe Bilanz: Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinter den Erwartungen zurück g

01.06.2015Debütant Dayer Quintana: „Der Giro war richtig schön"

(rsn) – Nairo Quintana (Movistar) gewann gleich bei seinem Debüt im vergangenen Jahr den Giro d’Italia. Für seinen jüngeren Bruder Dayer ging es bei dessen erster Teilnahme an einer dreiwöchig

01.06.2015Astana fuhr in einer eigenen Liga, BMC erreichte seine Ziele

(rsn) - Drei harte Wochen Giro d`Italia liegen hinter den Fahrern. radsport-news.com zieht in einer vierteiligen Reihe Bilanz: Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinter den Erwartungen zurück

31.05.2015Keisse düpiert in Mailand die Sprinter, Kluge Dritter

(rsn) – Am letzten Tag des 98. Giro d’Italia waren alle Blicke auf Alberto Contador (Tinkoff-Saxo) und die Sprinter gerichtet. Doch auf der 21. Etappe, die über 178 flache Kilometer von Turin nac

31.05.2015Jetzt wartet die Tour auf Contador

Mailand (dpa/rsn) - Zum Feiern bleibt nicht viel Zeit. Alberto Contador (Tinkoff-Saxo) wird seinen am Sonntag errungen zweiten Gesamtsieg beim Giro d`Italia schnell abhaken müssen, um sich auf

31.05.2015Contador triumphiert in Mailand, Keisse gewinnt Schlussetappe

(rsn) – Alberto Contador (Tinkoff-Saxo-Tinkoff) hat den 98. Giro d’Italia gewonnen und damit seinen zweiten Gesamtsieg nach 2008 gefeiert. Auf der abschließenden 21. Etappe kam der Spanier mit de

Weitere Radsportnachrichten

19.03.2024Pogacar: “Ich habe ein bisschen Mist gebaut“

(rsn) - 300 Meter vor Schluss der 1. Etappe der Katalonien-Rundfahrt (2.UWT) zündete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auf der ansteigenden Zielgeraden seinen Turbo. Niemand aus dem Feld konnte ihm f

18.03.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wie geht´s zum Liveticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

18.03.2024Van der Poel verlängert langfristig bei Alpecin-Deceuninck

(rsn) – Er bleibt seinem Team und vor allem den Roodhooft-Brüdern treu: Mathieu van der Poel hat seinen ursprünglich noch bis 2025 laufenden Vertrag mit Alpecin – Deceuninck aufgelöst und durch

18.03.2024Schultz überrascht Pogacar mit Attacke am Teufelslappen

(rsn) – Der Auftakt der 103. Katalonien-Rundfahrt (2.UWT) wartete mit 2600 Höhenmetern auf, doch die Favoriten hielten sich auf dem welligen Terrain der 1. Etappe rund um Sant Feliu de Guíxols noc

18.03.2024SD Worx – Protime verzichtet auf Brügge-De Panne

(rsn) – Auf den Saisonstart in Australien inklusive der WorldTour-Rennen dort verzichtet SD Worx – Protime beinahe schon traditionell freiwillig. Doch nun hat die belgische Übermannschaft auch ih

18.03.2024Die Woche der KT-Teams: Borresch “big in Taiwan“

(rsn) – Hinter den deutschen Kontinental-Teams liegt eine Woche mit vielen UCI-Einsätzen und insgesamt fünf Top-Ten-Platzierungen. Für drei davon sorgte allein Julian Borresch (Rembe Pro Cycling

18.03.2024Visma - Lease a Bike bekommt Erlaubnis für Zeitfahrhelm

(rsn) – Das Team Visma – Lease a Bike scheint in der Debatte um seinen Zeitfahrhelm mit einem blauen Auge davonzukommen. Wie Sporza berichtet, hat die UCI, die das Helmdesign nochmal auf seine Ko

18.03.2024Ineos Grenadiers bejubelt 500. Sieg der Teamgeschichte

(rsn) – Etwas mehr als 14 Jahre hat es gedauert, doch nun ist es geschafft: Das Team Ineos Grenadiers, 2010 unter dem Namen Sky gestartet, hat am Wochenende den 500. Sieg in der Historie der Mannsch

18.03.2024Astana-Interesse an Vlasov? Bora will verlängern

(rsn) – Sein starker Auftritt bei Paris-Nizza (2.UWT) hat Aleksandr Vlasov in seinem letzten Vertragsjahr zum rechten Zeitpunkt wieder etwas weiter in den Fokus gerückt. Der Etappensieg an der Mado

18.03.2024Uhlig für Groves in Katalonien am Start

- Der gebürtige Regensburger Henri Uhlig ist kurzfristig ins Aufgebot der heute gestarteten Katalonien-Rundfahrt (2.UWT) gerückt. Eigentlich sollte Kaden Groves Alpecin - Deceuninck in Nordspanien

18.03.2024Nächster Kapitän verlängert bei Lotto - Dstny

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

18.03.2024Team Sportforum: Nach starker Saison Pech mit dem Sponsor

(rsn) - Die Saison 2023 verlief für das Sportforum p/b My Fitness Apotheke überaus erfolgreich. Das Team So dominierte man den Bundesliga-Auftakt an der Südlichen Weinstraßen und holte durch Feli

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Volta Ciclista a Catalunya (2.UWT, ESP)
  • Radrennen Männer

  • Settimana Internazionale Coppi (2.1, ITA)
  • GP Brda-Collio (1.2, SLO)