Praxis-Test - neun Top-Regenjacken

Es könnte regnen...

Von Wolfgang Preß

Foto zu dem Text "Es könnte regnen..."
Die Atmungsaktivität der Regenjacken wurde bei einem 30-minütigen High-Intensity-Programm auf der Rolle geprüft. | Foto: Andreas Meyer

11.11.2020  |  Der goldene Oktober hat sich standesgemäß verabschiedet, und für alle Rennradler/innen ist nun endgültig die Zeit angebrochen, in der die Regenjacke auf jeder Runde dabei sein sollte. Ihre ist nicht mehr so richtig dicht? Dann lesen Sie doch mal den Absatz hier unten "Tips zur Pflege".

Oder brauchen Sie gar eine neue? Im vergangenen Mai hat rsn-Redakteur Wolfgang Preß für unser Print-Schwester-Magazin ProCycling neun Top-Regenjacken getestet – unter der Dusche, auf der Rolle und auf der Straße. Im folgenden der Einführungs-Text, und hier die die Links zu den Einzel-Tests:



Es könnte regnen – vermutlich eine der häufigsten Ausreden,
wenn in der Ferne ein paar dunkle Wolken am Himmel zu sehen sind und man sich vor einer Rennradrunde drücken will. Dabei bieten Radbekleidungs-Hersteller heute leichte, klein verstaubare Jacken an, die bei schlechtem Wetter guten Schutz geben, ohne dass man gleich ins Schwitzen kommt...

Erstaunlich, wie sich Regenjacken in gut 30 Jahren entwickelt haben: Ende der 1980er-Jahre leisteten meine damalige Freundin (und heutige Frau) Sonja und ich uns für einen im Dezember geplanten Rad-Urlaub auf Zypern Kapuzenjacken aus GoreTex – damals das erste Material, das nicht nur Regenschutz, sondern auch Atmungsaktivität versprach, für schlanke knapp 300 Mark. Die lila-grünen und rosa-gelben Teile hängen noch heute auf unserem Speicher, und ich habe sie im Vorfeld dieses Tests wieder herausgeholt. Verblüffend, wenn man sie mit den Jacken von heute vergleicht …

Damals: ein Laminat aus zwei Schichten, mit immerhin schon geklebten Nähten, relativ dick und schwer, nicht besonders klein zu verpacken – aber mit ordentlicher Schutzwirkung und durchaus atmungsaktiv. Heute: ein dünnes, leichtes Fast-Nichts, das in der Trikot-Tasche nicht viel Platz beansprucht, auch stärkeren Regen lange abhält und selbst bei größerer Anstrengung den Dampf noch gut entweichen lässt.

WIDERSPRÜCHLICHE AUFGABEN
Dabei ist es eigentlich eine durchaus widersprüchliche Aufgabe, die moderne Regenjacken erfüllen: Wasser von außen abhalten, aber Wasserdampf von innen entweichen lassen. Wie funktioniert das? Ein wenig Physik: Die Moleküle von Wasserdampf, in diesem Fall Schweiß, sind deutlich kleiner als Wassermoleküle. Man braucht also eine Membran, deren Öffnungen groß genug sind, dass Wasserdampf hindurch kann, aber zu klein, um Regenwasser eindringen zu lassen.

Pionier dieser Membran-Technologie war Bob Gore, der 1969 Fäden aus dem Kunststoff Polytetrafluorethylen (PTFE) so lange auseinanderzog, bis sie so fein waren, dass er ein Gitter daraus weben konnte, das kein Wasser durchließ, Dampf jedoch schon. Lange Jahre war die Firma W.L. Gore mit dieser Technologie alleine, bis Alternativen wie Sympatex, Powertex, eVent oder Texapor auf den Markt kamen.

ZWEI ODER DREI LAGEN?
Alle Dreilagen-Materialen haben eine abriebfeste, meist DWR-imprägnierte erste Schicht (DWR: durable water repellent, dt. dauerhaft wasserabweisend), welche die Membran von außen schützt. Die Innenschicht schützt die Funktions-Membran vor Schweiß, saugt ihn auf und verteilt ihn.

Seit einigen Jahren gibt es von Gore „Shakedry“ – ein Zweilagen-Material, das ohne Oberschicht auskommt, was den Vorteil hat, dass sich der Stoff bei starkem oder längerem Regen auch ohne DWR nicht vollsaugt. Da die Membran jedoch ohne schützendes Gewebe offenliegt, sind Shakedry-Jacken nicht Rucksack-geeignet; dafür sind sie extrem leicht und sehr dünn.

Neben Wasserdichte und Dampfdurchlässigkeit spielten natürlich weitere Kriterien in unserem Test eine Rolle. Sehr wichtig: der Schnitt. Die Jacke muss in Fahr-Position gut sitzen, weniger im Stehen. Und wenn der Regen am Hals oder an den Ärmeln eindringt, nützt die beste Jacke wenig; sie sollte daher an diesen kritischen Stellen gut abschließen. Zudem müssen natürlich auch Nähte, Taschen und Reißverschlüsse wasserdicht sein.

Nächster wichtiger Punkt ist die Sichtbarkeit. Um nicht nur abends und in der dunklen Jahreszeit, sondern generell besser gesehen zu werden, sollte die Jacke auffällig sein und reflektierende Elemente haben. Viele Teile in unserem Test kamen in Schwarz – einer Farbe, die bei Rennradlern seit einiger Zeit im Trend ist, aber in Sachen Sicherheit und Sichtbarkeit echte Nachteile hat. Die meisten Hersteller bieten ihre Modelle jedoch mittlerweile auch in auffälligeren oder sogar Neon-Farben an; vielleicht nicht ganz so cool, dafür aber deutlich sicherer.

SO HABEN WIR GETESTET
Um herauszufinden, wie wasserdicht die Jacken in der Praxis sind, habe ich mich mit jeder Jacke 15 Minuten unter die Dusche gestellt und mittels eines darunter getragenen T-Shirts festgestellt, wie viel Wasser eindringt. Um nicht nur die Beschichtung zu testen, sondern das Membran-Material, wurden die Jacken dann zweimal gewaschen und erneut unter der Dusche getestet.

Die Atmungs-Aktivität wurde bei einem 30-minütigen High-Intensity-Programm auf der Rolle geprüft, mit einem darunter getragenen Trikot.
In Sachen Passform spielten neben dem Schnitt auch Einstellmöglichkeiten eine Rolle, damit die Jacke gut sitzt. Die Ausstattung wurde anhand der Zahl der Taschen, der Durchgriffsmöglichkeiten zum Trikot und eventueller Ventilations-Öffnungen beurteilt. Bei einigen Jacken lässt sich die Belüftung zusätzlich über Reißverschlüsse regulieren – vor allem in Anstiegen oder bei Pausen eine gute Option.

Sichtbarkeit: Hier spielten die Farbe, reflektierende Elemente und deren Position und Zahl, sowie die tatsächliche Reflexion beim Anstrahlen im Dunkeln eine Rolle. Und da die Jacke zum Transport möglichst leicht sein und klein verpackt werden soll, fließen Gewicht und Packmaße in die Wertung ein.

TIPS ZUR PFLEGE
Wichtig: Welche Membran enthält der Jackenstoff? Das sollten Sie beim Kauf klären, sofern Sie nicht eine der hier getesteten Regenjacken kaufen (da finden Sie die Angabe im Test). Sogenannte mikroporöse Membranen aus ePTFE – also GoreTex, eVent etc. – sollten häufiger gewaschen werden, damit die von Schweißresten verstopften Kanäle wieder frei werden und der Dampf-Transport gut funktioniert.

Bei Membranen mit wasserabstoßender Beschichtung (DWR) gilt hingegen: So wenig wie möglich, aber so oft wie nötig waschen. Und immer mit flüssigem Funktions-Waschmittel auf 40 Grad C; danach zweimal spülen, um Waschmittelrückstände zu entfernen, und schleudern bei maximal 400 Touren, um die Membran nicht zu beschädigen. Falls bei einer DWR-beschichteten Jacke das Wasser nicht mehr abperlt: das trockene Teil für 20 Minuten bei 60 Grad in den Wäschetrockner geben, um die Imprägnierung zu reaktivieren.

UMWELT-ASPEKTE
Hersteller von Outdoor-Bekleidung müssen sich seit einigen Jahren immer wieder Kritik von Umweltschützern anhören: In den meisten wasserabweisenden Membranen werden sogenannte poly-fluorierte Chemikalien (PFCs) verwendet, die in die Umwelt gelangen können, wenn die Jacken nicht ordnungsgemäß entsorgt werden. Da PFCs nicht abbaubar sind, reichern sie sich im Boden an und können in die Nahrungskette gelangen.

Die zur Gruppe der PFCs gehörende Perfluoroctan-Säure (PFOA) ist in der EU seit 2017 verboten, da sie im Verdacht steht, die Entstehung von Tumoren zu begünstigen. Gore will alle PFCs bis Ende diesen Jahres aus 85 Prozent seiner neu hergestellten Produkte verbannen, bis 2023 komplett. Etliche andere Hersteller haben ähnliche Pläne, die aus Vorsorgegründen zu begrüßen sind. Schließlich hat der Mensch in Form der Haut eine sehr effektive wasserabweisende Beschichtung – sie muss nicht durch PFC-haltigen Regen verstärkt werden…
 
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