Bichlmanns Tour du Faso-Tagebuch

Von der 15.000-Euro-Maschine zum selbstgebauten Holz-Auflieger

Von Daniel Bichlmann

Foto zu dem Text "Von der 15.000-Euro-Maschine zum selbstgebauten Holz-Auflieger"
Daniel Bichlmann (Bildmitte) und sein Team Kibag-Obor-CKT im Teamzeitfahren der Tour du Faso. | Foto: Stefan Brencher

05.11.2021  |  (rsn) - "Sind die bescheuert?" Mein erster Gedanke des Tages. Noch schläfrig mit halbgeöffneten Augen, dann aber auch anstelle eines "Guten Morgen" so ausgesprochen. 34 Grad hat es draußen - im Zimmer deutlich mehr. Die Klimaanlage wäre voll einsatzfähig, nur ließ sich die dazugehörige Fernbedienung leider nicht auftreiben. Also hieß es schwitzen wie in der Sauna und vielleicht doch etwas Schlaf abbekommen. Weit nach Mitternacht hatte es soweit "abgekühlt", dass das geöffnete Fenster eine erträgliche Raumtemperatur ermöglicht hatte.

Unser Start war um 10:26 Uhr - völlig überraschend wurden wir bereits um kurz nach 6 Uhr aus dem Schlaf gerissen. Gestern Abend waren wir noch alle mit einer flammenden Ansprache motiviert und auf 33 qualvolle Zeitfahrkilometer eingestellt worden. Jetzt musste jeder an seine Grenzen und darüber hinaus gehen. Nach jenem ausgiebigen Meeting gestern, in dem ich vehement einen jeden Einzelnen motivierte und ausgiebig viele mögliche Situationen erläuterte, waren wir mental optimal eingestellt.

Am Start ergaben sich dann verrückte Bilder: Einerseits stand Material mit 15.000 Euro teuren Specialized-Hightech-Maschinen von der Nationalmannschaft aus Benin, andererseits fanden sich selbstgebaute Zeitfahraufsätze aus Holz, die haarsträubend mit kaputten Schläuchen an den Lenker gebunden wurden. Die Equipe aus Benin wurde übrigens abgeschlagen letzter in der Tageswertung.

Nach dem großen Hype um Alex Dowsetts Stundenweltrekord-Versuch und seinem Rad, hier auch ein paar Infos zu meiner Maschine hier in Burkina Faso: Ich fahre ein drei Jahre altes Teamrad der Maloja Pushbiker mit einer gebrauchten mechanischen Shimano 105er-Gruppe und klassischen Felgenbremsen - ein optimales, wartungsfreundliches Bike für die Umstände hier. Abgerundet wird das mit einem Satz etwa zehn Jahre alter Aerolaufräder und einem (ich klopfe auf Holz!) unzerstörbaren Schwalbe-Reifen. Der ist offenbar wirklich "unplattbar" und scheint sich von Drahtstücken, Dornen und Glasscherben regelrecht zu ernähren.

Im Rennen selbst machte es sich letztendlich dann aber leider doch bemerkbar, dass wir uns eben als Mannschaft noch nicht so gut kennen. Der erste Fahrer musste dem hohen Tempo bereits kurz nach dem Start Tribut zollen, ein weiterer verschwand sang- und klanglos kurz danach. Lange hielt unser Langstrecken-Spezialist Robert Müller noch gut mit, ehe auch er uns ziehen lassen musste. So fuhren also die verbliebenen drei Musketiere die letzten zehn Kilometer Richtung Tagesziel.

Dass es so tatsächlich noch zum zweiten Platz gereicht hat war bittersüß. Supercool, gemeinsam auf dem Podium zu stehen - eine Sekunde des Ruhms als Gemeinschaft zu genießen. Verdient für alle Mühen ob hier oder jahrelang im Training hat das sicher jeder!

Durch das Teamzeitfahren spitzt sich nun auch der Kampf um die Gesamtwertung weiter dramatischen zu. Nur Sekunden können ein unglaublich großartiges Resultat zu einem mäßigen machen. Ich bin jetzt Vierter und liege elf Sekunden vom neuen Gesamtführenden Mohcine El Kouraji aus Marokko entfernt. Doch auch zum elften Gesamtrang ist es weniger als eine Minute.

Am Sonntagmittag (Ortszeit) wissen wir, wer sich am Ende einer beeindruckenden Tour du Faso in der Hauptstadt Ouagadougou das Gelbe Trikot von den Hostessen anziehen lassen darf und wer rechts und links vom Gesamtsieger die Ehrenplätze belegt!

Mit den allerbesten Grüßen in die teils bereits verschneite Heimat,
Euer Sportfreund
Daniel Bichlmann

Mehr Informationen zu diesem Thema

23.11.2021Schlaglöcher, neue Freunde und ein unerwünschtes Souvenir

(rsn) - Die seit 1987 ausgetragene Tour du Faso ist Afrikas größtes Radrennen und gilt als kleinere - und sympathischere - Tour de France! Aber wollte ich das wirklich? Nochmal diese Strapazen wie

10.11.2021“Ich bin unerwartet auf meinen persönlichen Olymp geklettert“

(rsn) - Mit dem Gesamtsieg bei der Tour du Faso hat Daniel Bichlmann den größten Erfolg seiner Laufbahn gefeiert. Gegenüber radsport-news.com äußerte sich der 33-Jährige von den Maloja Pushbiker

08.11.2021Es ist vollbracht!

(rsn) - Leider habe ich gestern wirklich keine freie Minute gefunden, meinen Triumph zu genießen oder gar Tagebuch zu führen. Erst auf dem Heimflug konnte ich nochmals einige Gedanken sammeln und mÃ

06.11.2021Das Gelbe Trikot bleibt fest auf meinen Schultern

(rsn) - Morgens alles wie immer. Ich frühstücke alleine auf meinem Zimmer auf dem Schaumstoff-Stück, das als Matratze dient. Haferflocken mit Wasser und etwas Eiweißpulver gibt es. Kulinarisch ei

06.11.2021Ausreißer-Tag spielt Bichlmann in die Karten: Führung verteidigt

(rsn) - In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour.Tour du

06.11.2021Das Undenkbare - der Gesamtsieg - ist zum Greifen nahe

(rsn) - 05:15 Uhr - üblicher früher Weckruf durch unseren sportlichen Leiter „JJ“. Selbst einen Wecker stellen würde keinen Sinn machen - der Tagesplan obliegt bis in die Nacht aus unerfindlic

05.11.2021Bichlmann rückt im Teamzeitfahren auf Gesamtrang 4 vor

(rsn) - In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour. Tour d

03.11.2021Es wurde mit Rädern regelrecht aufeinander eingedroschen

(rsn) - Früh morgens um halb sechs schlemme ich mich durch alle Leckereien: Vollkornbrot, Erdnussbutter, Nutella, Porridge mit Apfelmus, Café mit Sahne. Natürlich alles selbst von zu Hause mitge

02.11.2021Dank des Einmaleins des Sprints den Sieg eingefahren

(rsn) - Höt esch de Start mou usnahmswis früecher gse aus ahköndet. Im Jan Freuler wär das fasch zom verhängniss worde. Chorz vorem Start heder no mösse ofs Ersatzvelo wächsle, wöu ah sim eig

02.11.2021Das Rennen auf der Felge zu Ende gefahren

p> (rsn) - Auf der 4. Etappe standen zwischen Laye und Ouahigouya 156km auf dem Programm. Es ging dabei in den nördlichsten Teil des zentralafrikanischen Binnenlandes. Hier in der staubtrockenen Sava

01.11.2021Bichlmann mit nächster Spitzenplatzierung

(rsn) – In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour. Tou

01.11.2021Eine Schar Journalisten hatte mir schon zum Sieg gratuliert...

(rsn) - Auch zur 3. Etappe klingelte der Wecker früh (05:30 Uhr). Routiniert machten wir uns alle fertig für das Teilstück, das von Dedougou nach Koudougou über 142 Kilometer führte. Gestartet

Weitere Radsportnachrichten

10.05.2024Fleche du Sud: Vorarlberg und Hrinkow bergauf bärenstark

(rsn) - Auch wenn auf der Königsetappe des Fleche du Sud (2.2) mit der 3,4 Kilometer langen und im Schnitt 7,2 Prozent steilen Bergankunft in Bourscheid kein Kraut gegen den Solosieger Pim Ronhaard

10.05.2024Schachmann: “Auf so ein Biest Zeit zu verlieren, ist keine Schande“

(rsn) – Tadej Pogacar demonstrierte im ersten Zeitfahren seine herausragende Stellung bei diesem Giro d’Italia. Der Slowene holte am Schlussanstieg des Zeitfahrens zwischen Foligno und Perugia ein

10.05.2024Highlight-Video der 7. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat mit einem weiteren grandiosen Auftritt das erste der beiden Einzelzeitfahren des 107. Giro d’Italia (2.UWT) für sich entschieden. Der Träger des Ros

10.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 7. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

10.05.2024Pogacar gewöhnt sich ans Rad und zündet am Berg die Rakete

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat auf der 7. Etappe des 107. Giro d’Italia seinen zweiten Tagessieg bei der diesjährigen Italien-Rundfahrt gefeiert. Im 40,6 Kilometer langen Einzelzei

10.05.2024Nys schnappt Buchmann ersten Saisonsieg vor der Nase weg

(rsn) – Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) hat auf der Königsetappe der 45. Tour de Hongrie (2.Pro) denkbar knapp seinen ersten Saisonsieg verpasst. Der Deutsche Meister kam nach 182,7 Kilometer

10.05.2024Bredewold baut makellose Itzulia-Serie von SD Worx aus

(rsn) – Mischa Bredewold hat ihrem Team SD Worx – Protime einen grandiosen Auftakt zur 3. Itzulia Women (2.WWT) beschert. Die Europameisterin aus den Niederländerin entschied die 1. Etappe über

10.05.2024Die Startzeiten des ersten Giro-Zeitfahrens

(rsn) - Julius van den Berg (dsm-firmenich - PostNL) eröffnet um 13:10 Uhr das erste der beiden Einzelzeitfahren des 107. Giro d’Italia. Auf dem Programm der 7. Etappe stehen 40,6 Kilometer von Fol

10.05.2024Bora-Profi Benedetti: “Bin froh, dass Cavendish gewonnen hat“

(rsn) – Sam Welsford (Bora – hansgrohe) konnte von Glück reden, dass der rabiate Körpereinsatz, mit dem sich sein Konkurrent Dylan Groenewegen (Jayco – AlUla) im Finale der 2. Etappe der Ungar

10.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

09.05.2024Giro-Etappensieg verpasst, aber Alaphilippe zeigt alte Klasse

(rsn) – Der ganz große Coup ist Julian Alaphilippe (Soudal – Quick-Step) auf der 6. Etappe des Giro d´Italia über die weißen Schotterstraßen der Toskana nicht gelungen. Doch der franzöische

09.05.2024Kampf gegen die Uhr mit schwerem Finale

(rsn / ProCycling) – Zum ersten Mal seit 2017 gab es am Eröffnungswochenende der Italien-Rundfahrt kein Einzelzeitfahren. Trotz der kniffligen Etappe rund um Turin, der Ankunft in Oropa und der Sc

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour de Hongrie (2.Pro, HUN)