Däne schlägt Trentin und Küng im Sprint

Pedersens Ãœberlebenskampf wird mit WM-Gold belohnt

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Pedersens Ãœberlebenskampf wird mit WM-Gold belohnt"
Max Pedersen feiert nach einem harten WM-Rennen seinen Gold-Coup | Foto: Cor Vos

29.09.2019  |  (rsn) - Es war das angekündigte Sauwetter. Dauerregen, Wind und ungemütliche 12 Grad sorgten im Straßenrennen der Männer bei den Weltmeisterschaften in Yorkshire für extrem schwere Bedingungen, die zu einem Favoritensterben sondergleichen führten. Am Ende gewann mit Mads Pedersen ein Däne, den niemand auf dem Zettel hatte. Nicht mal er selbst!

“Unglaublich, das habe ich heute Morgen am Start nicht erwartet“, gestand Pedersen im Siegerinterview. “Ja, ein unglaublicher Tag. Ich sollte früh im Finale angreifen, Valgren und Fuglsang sollten nachkommen. Doch sie konnten van der Poel und Trentin nicht folgen, die von hinten zu uns aufschlossen. Von da an ging es für mich nur noch um überleben, überleben, überleben, um dann auf das Beste im Sprint zu hoffen.“

Am Ende war er der Beste im Sprint. Pedersen führte das verbliebene Spitzentrio über die 1000 Meter Marke vor Matteo Trentin (Italien), den viele schon für den sicheren Sieger hielten und dem Schweizer Stefan Küng. An der 200-Meter-Marke eröffnete Trentin den Sprint. Aber Pedersen konterte mit einem mächtigen Antritt, der ihm schnell der ihm schnell den entscheidenden Vorsprung einbrachte. Das reichte! Pedersen: “Als ich die Ziellinie sah, waren die Schmerzen vorbei und ich hoffte auf einen guten Sprint. Nach sechseinhalb Stunden auf dem Rad ist jeder am Limit, deshalb war in diesem Sprint alles möglich.“ Auch der Sieg eines großen Außenseiters mit großem Talent! Pedersen: “Jeder will das Regenbogentrikot tragen. Jetzt habe ich es. Unglaublich!“

Die Überlegenheit von Pedersen erkannte auch der Zweitplatzierte Trentin an. “Mads war stärker. Ich wollte das Regenbogentrikot, klar ist man dann enttäuscht. Aber wenn man sieht, wie Mads den Sprint gewinnt, dann weiß man, wer heute der Beste war. Dennoch bin ich sehr stolz“, sagte der Italiener.

Küng rollte als Dritter über die Ziellinie, 17 Sekunden vor Gianni Moscon (Italien), der zur vierköpfigen Spitzengruppe gehört hatte, die sich auf den letzten Kilometern absetzte. Sie war vom Top-Favoriten Mathieu van der Poel nach einem Angriff von Nils Politt etwa 30 Kilometer vor dem Ziel initiiert worden. Doch 12 Kilometer vor Schluss flog dem Niederländer der Stecker aus der Dose. Von jetzt auf gleich konnte er seinen vier Begleitern nicht mehr folgen. Van der Poel erreichte 10:27 Minuten nach Pedersen als 43. und Viertletzter das Ziel. Nur 46 von 196 gestarteten WM-Teilnehmern fuhren das Rennen zu Ende!

So lief das Rennen

Wieder hatten die Wetterunbilden die Weltmeisterschaften im Griff. Da durch die anhaltenden Regenfälle Straßen überschwemmt waren, wurde der nördlichste Teil der Anfahrt vom Start in Leeds nach Harrogate mit zwei Bergen und 50 Kilometern Länge gestrichen, dafür aber die Anzahl der Schlussrunden in der Zielstadt von sieben auf neun erhöht. Trotzdem verkürzte sich die ursprünglich 284 Kilometer lange Strecke auf 260 Kilometer.

Bei nur 12 Grad und Dauerregen erfolgte der Start mit rund einer halben Stunde Verspätung. Früh versuchten sich Fahrer abzusetzen, und nach 25 km stand eine prominent besetzte Gruppe mit Primoz Roglic, Jan Polanc (beide Slowenien), Nairo Quintana (Kolumbien), Alex Howes (USA), Silvan Dillier (Schweiz), Maciej Bodnar (Polen), Petr Vakoc (Tschechien), Hugo Houle (Kanada), Magnus Cort Nielsen (Dänemark), Richard Carapaz (Ecuador) und dem Deutschen Jonas Koch. Im auffrischenden Wind fuhr die elfköpfige Ausreißergruppe etwas über drei Minuten Vorsprung heraus, während das Feld reagierte und Zeitfahrweltmeister Rohan Dennis (Australien) sich daran machte, den Vorsprung wieder zu reduzieren. Auch der Österreicher Marco Haller half mit und 187 Km vor Schluss betrug der Vorsprung nur noch 1:26 Minuten.

Er vergrößerte sich nach einer Pinkelpause und auch, weil durch ein Bremsmanöver der Begleitfahrzeuge ein Sturz entstand, in dem Pavel Sivakov (Russland) und Tadej Pogacar (Slowenien) zu Fall kamen, auf 4:30 Minuten. Schon jetzt gab es die ersten Aufgaben, denen sich im Ausscheidungsrennen bis ins Ziel immer mehr Fahrer anschlossen.

Im Feld hatten jetzt Dennis, Jos van Emden (Niederlande) und Julien Bernard (Frankreich) die Kontrolle übernommen. Bei der ersten Anfahrt auf die Schlussrunden besaßen die elf Ausreißer 129 km vor Schluss nur noch 2:30 Minuten.

Gilbert, Valverde und weitere Favoriten steigen aus

Bei der ersten Zieldurchfahrt, die Ausreißer lagen nur noch 1:30 Minuten in Front, kam es zu einem Sturz, der das WM-Rennen maßgeblich durcheinanderwirbelte, denn Favorit Philipp Gilbert (Belgien) kam zu Fall, Remco Evenepoel versuchte seinen Kapitän wieder ranzufahren, das scheiterte, weil die Franzosen vorne für Tempo sorgten. Später spannten sich auch Gilberts Belgier vors Feld und sorgten so dafür, dass der Paris-Roubaix-Sieger Gilbert und der Silbermedaillengewinner im Zeitfahren Evenepoel aufgeben mussten.

Im weiteren Verlauf stiegen mit Titelverteidiger Alejandro Valverde (Spanien), Carapaz, Dan Martin (Irland), Daryl Impey (Südafrika) und Adam Yates (Großbritannien) weitere Topfahrer vom Rad. Auch Jonas Koch, Marcus Burghardt und Simon Geschke beendeten den Wettbewerb vorzeitig, während alle Ausreißer wieder eingesammelt worden waren. Das Ausscheidungsfahren überstanden bis dahin etwa 90 Teilnehmer, als Lawson Craddock (USA) 50 Km vor Schluss attackierte und Stefan Küng (Schweiz) aufschließen konnte.

Jede Runde stiegen nun weitere Fahrer aus, darunter auch Mitfavorit Alexey Lutsenko (Kasachstan). 40 Kilometer vor dem Ende waren nur noch 60 Teilnehmer übriggeblieben. Während Craddock wieder zurückfiel, schlossen Mads Pedersen (Dänemark), Gianni Moscon (Italien), Mike Teunissen (Niederlande) und Dylan Van Baarle (Niederlande) zum Schweizer auf.

Politt attackiert

35 Kilometer vor dem Ziel attackierte Nils Politt und Dylan Teuns schloss sich ihm an. Kurze Zeit später griff auch Topfavorit Mathieu van der Poel mit Matteo Trentin (Italien) am Hinterrad an. Sie überholen Politt, der ins Feld zurückfiel, und bildeten schließlich eine Topgruppe mit van der Poel, Trentin, Moscon, Küng und Pedersen. Mit 12 Sekunden Abstand folgte ein Trio mit Betancour (Kolumbien), Toms Skujins (Lettland) und Gorka Izaguirre (Spanien).

An der Spitze des Hauptfeldes versuchte Politt (22 Sekunden zurück) bei der vorletzten Zielpassage erneut, nach vorne durchzukommen. Er mühte sich vergeblich, ebenso wie die dreiköpfige Verfolgergruppe um Izaguirre vor ihm, die ebenfalls wieder gestellt wurde.

Das Quintett an der Spitze arbeitete prima zusammen, wobei van der Poel und Trentin die meiste Arbeit verrichteten. Der Vorsprung vergrößerte sich langsam, aber stetig auf 48 Sekunden. Während alle mit dem Sieg van der Poels rechneten, platzte der Niederländer förmlich. Von jetzt auf gleich konnte er 12 Kilometer vor dem ersehnten Ende seinen vier Begleitern nicht mehr folgen.

Nun spannte sich Politt wieder vor das nur noch 25-köpfige Verfolger-Hauptfeld mit John Degenkolb am Hinterrad. Aber der Abstand zur Spitze betrug schon 1:15 Minuten. Stefan Küng erhöhte an einer Steigung 5,7 Kilometer vor dem Ziel das Tempo, um Moscon abzuschütteln, was auch gelang.

Danach machten die drei das Podium unter sich aus – mit dem überraschenden Ende für Pedersen!

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.10.2019Eekhoff klagt vor CAS gegen aberkannten WM-Sieg

(rsn) - Es war die bitterste Stunde seiner noch jungen Karriere. Wenige Minuten nach dem Triumph im WM-Straßenrennen der U23 wurde Nils Eekhoff wegen unerlaubten Windschattenfahrens hinter einem Begl

08.10.2019Die Form reicht nicht mehr: Alaphilippe beendet Saison

(rsn) - Bei den kanadischen Eintagesrennen in Quebec (7.) und Montreal (13.) zeigte sich Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) noch in vielversprechender Verfassung, auch wenn es zu keinem Sieg

08.10.2019Pedersen: “Ich will mein Jahr als Weltmeister genießen“

(rsn) - Nach seinem sensationellen Triumph im WM-Straßenrennen von Harrogate, in dem er als erster Däne der Radsportgeschichte das Regenbogentrikot eroberte, wird Mads Pedersen (Trek - Segafredo) di

03.10.2019Degenkolb versteigert sein WM-Trikot für Les Amis de Paris-Roubaix

(rsn) - Nach seiner Spendensammelaktion für das Nachwuchsrennen von Paris-Roubaix im Februar hat sich John Degenkolb nun etwas neues ausgedacht, um seiner Rolle als Botschafter der ´Amis de Paris-Ro

01.10.2019Trentin: “Ich bin stolz auf mich und mein Team“

(rsn) - Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends eilten die Italiener bei Straßenweltmeisterschaften von Erfolg zu Erfolg. Vier Goldmedaillen sammelten damals die Fahrer in den azurblauen Trikots, daz

01.10.2019Podcast: Rückblick auf die Straßen-WM

(rsn) - Im gemeinsamen Podcast von radsport-news.com und meinsportradio.de blickt Malte Asmus gemeinsam mit Eric Gutglück und Marc Winninghoff auf die 86. UCI-Straßenweltmeisterschaften zurück, die

01.10.2019Sagan verspielt Chance auf 4. WM-Gold mit taktischem Fehler

(rsn) - Auf den letzten fünf Kilometern gab Peter Sagan nochmal Vollgas. Der dreifache Weltmeister wollte nicht aus Yorkshire abreisen, ohne wenigstens nochmal alles aus seinem Körper herausgeholt u

30.09.2019Nur Gilbert hatte starke Beine - doch der stürzte

(rsn) - Ein achter Platz von Greg Van Avermaet war es letztlich, der für das hochgehandelte belgische Team am Ende des WM-Straßenrennens von Yorkshire zu Buche stand. 70 Sekunden hinter Goldmedaill

30.09.2019Valverde: “Ich war komplett erfroren“

(rsn) – Schon beim Blick auf den Wetterbericht, allerspätestens am Morgen beim Blick aus dem Fenster nach dem Aufstehen dürfte Alejandro Valverde klar geworden sein, dass es nichts mit einer Verte

30.09.2019Politt mit dem richtigen Riecher, aber von Trentin überrascht

(rsn) - Zu den heißesten Anwärtern auf die Medaillen hatten die deutschen Starter im WM-Straßenrennen von Harrogate von vorne herein nicht gezählt. Am ehesten hätte wohl Maximilian Schachmann fü

29.09.2019Großschartner: “Am Ende ist es nicht so aufgegangen für uns“

(rsn) - Lange Zeit sah es gut aus für das österreichische Nationalteam im Rennen der Eliteherren in Yorkshire. Denn mit Lukas Pöstlberger, Felix Großschartner, Patrick Konrad, Hermann Pernsteiner

29.09.2019“Mathieu van der Poel ist auch nur ein Mensch“

(rsn) - Bis zwölf Kilometer vor dem Ziel schien klar: Favorit Mathieu van der Poel wird sich in Harrogate zum Straßen-Weltmeister küren. Bis dahin lag der niederländische Überflieger mit vier wei

Weitere Radsportnachrichten

04.05.2024Arensman und Bardet müssen schon sehr früh Federn lassen

(rsn) – Riesig groß waren die Abstände unter den besten Kletterern des Giro d´Italia auf der 1. Etappe rund um Turin nicht. Und doch dürfte das Thema ´Podium in Rom´ für vier interessante Pro

04.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

04.05.2024Pogacar verpasst Rosa, setzt aber trotzdem eine erste Duftmarke

(rsn) – Tadej Pogacar hat mit seinem UAE Team Emirates alles getan, um schon am ersten Tag des 107. Giro d´Italia das Maglia Rosa zu übernehmen. Die Männer in Weiß arbeiteten den ganzen Tag rund

04.05.2024Erste Bergankunft im Zeichen von Pantani

(rsn / ProCycling) – Wie bereits der gestrige Auftakt ist auch diese 2. Etappe verhältnismäßig kurz. Im Gegensatz zu den Vorjahren entschied sich der Veranstalter RCS in der ersten Hälfte der Ru

04.05.2024Highlight-Video der 1. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) hat mit seinem Sieg zum Auftakt des 107. Giro d’Italia das erste Rosa Trikot erobert. Der 27-jährige Ecuadorianer setzte auf der 1. Etappe über 140 Ki

04.05.2024Zocker Schachmann eröffnet den Giro mit Bravour

(rsn) - Im Ziel in Turin war Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) von den Emotionen überwältigt. Natürlich war er sauer, dass er zum Auftakt des Giro d’Italia so knapp am Rosa Trikot vorbei

04.05.2024Gasparotto: “Max hat das heute clever gemacht“

(rsn) – Viel fehlte nicht und Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) hätte zum Auftakt des 107. Giro d’Italia für eine dicke Überraschung gesorgt. Der 30-jährige Deutsche musste sich auf d

04.05.2024Nur Narvaez zum Giro-Auftakt schneller als Schachmann

(rsn) – Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) hat denkbar knapp einen perfekten Einstieg in den 107. Giro d’Italia verpasst. Der zweimalige Deutsche Meister belegte auf der 1. Etappe über 14

04.05.2024Bénin: Zeitbonifikation kostet Bike Aid den Gesamtsieg

(rsn) - Große Enttäuschung beim Team Bike Aid zum Finale der Tour du Bénin (2.2). Der marokkanische Nationalfahrer Achraf Ed Doghmy gewann die 154 Kilometer lange Schlussetappe nach Cotonou im Spr

04.05.2024Vos vollendet auf Windkantenetappe die Vorarbeit ihres Teams

(rsn) – Marianne Vos (Jumbo – Visma) hat sich bei der 10. Vuelta Femenina ihren zweiten Tagessieg gesichert. Die 36-jährige Niederländerin entschied die 7. Etappe über 138,6 Kilometer von San E

04.05.2024Tiberi verlängert bei Bahrain Victorious

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

04.05.2024Bardet will jeden Giro-Tag wie einen Klassiker angehen

(rsn) – Romain Bardet (dsm-firmenich – PostNL) kommt in Top-Form zum 107. Giro d´Italia. Daran besteht spätestens seit seinem zweiten Platz hinter Überflieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates)

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)