Solo-Sieg zum Abschluss einer perfekten Woche

Reusser fährt taktisch klug zum Etappen- und Gesamtsieg

Von Felix Mattis

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Marlen Reusser (Movistar) auf dem Podium bei der Tour de Suisse Women. | Foto: Cor Vos

15.06.2025  |  (rsn) – Marlen Reusser (Movistar) hat auf der Schlussetappe der Tour de Suisse Women (2.WWT) rund um Küssnacht ihre Sonderstellung bei ihrer Heimat-Rundfahrt noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Als Solistin sicherte sie sich den zweiten Tageserfolg sowie auch zum zweiten Mal nach 2023 den Gesamtsieg.

Die 33-Jährige setzte sich nach 129,4 Kilometern mit einer Attacke in der letzten kurzen Rampe des Tages von ihrer großen Kontrahentin Demi Vollering (FDJ – Suez) ab, flog an der kurz zuvor bereits enteilten Katarzyna Niewiadoma (Canyon – SRAM – zondacrypto) vorbei und zog anschließend als Solistin bis ins Ziel durch, wo sie frenetisch gefeiert wurde und von einer Umarmung mit Freunden und Familie zur nächsten eilte.

"Es fühlt sich großartig an. Ich bin wirklich, wirklich, wirklich glücklich", sagte sie anschließend strahlend im Sieger-Interview und musste dann lachen, weil ihr keine weiteren Worte mehr einfielen, um ihre Freude zu beschreiben: "Nächste Frage…"

Nachdem Reusser beinahe die gesamte Saison 2024 aufgrund ihrer Erkrankung am Post-Covid-Syndrom verpasst hatte und über dieses Thema in ihrer Comeback-Saison schon viel gesprochen hat, wollte sie Gedanken an die Krankheit in ihrer Freude über den Tour-de-Suisse-Sieg nicht in ihren Kopf lassen.

"An einem Tag wie heute denke ich natürlich nicht mehr an letztes Jahr. Ich genieße einfach diesen Tag! Ich habe das Rennen wirklich genossen, war wirklich beeindruckt, wie viele Leute am Straßenrand standen. Ich habe überall meinen Namen und Anfeuerungsrufe gehört – es war wirklich, wirklich schön", sagte sie auf eine entsprechende Frage in Küssnacht und ließ sich auch auf eine Nachfrage, wie sie wieder so stark geworden sei, nicht ein: "Ich weiß es nicht."

28 Sekunden hinter Solistin Reusser sprintete Niewiadoma vor Vollering als Zweite ins Ziel. Cédrine Kerbaol (EF Education – Oatly / + 0:41) wurde Etappenvierte, Yara Kastelijn (Fenix – Deceuninck / + 1:11) im Sprint eines weiteren Trios vor Niamh Fisher-Black (Lidl – Trek) und Urska Zigart (AG Insurance – Soudal) Etappenfünfte.

Durch ihren zweiten Etappensieg – sie hatte in Gstaad auch die schwere 1. Etappe gewonnen und daher von Beginn an das Gelbe Trikot getragen – gewann Reusser ihre viertägige Heimat-Rundfahrt mit 36 Sekunden Vorsprung auf Ex-Teamkollegin Vollering und 1:56 Minuten vor Niewiadoma.

"Ich glaube es wird interessant bleiben"

Mit ihren Leistungen gerade auch am Berg ist die Schweizerin in diesem Jahr nun zur sehr kompletten Rundfahrerin gereift und unweigerlich auch eine der Favoritinnen für die Tour de France Femmes, die am 26. Juli in der Bretagne beginnt und am 3. August in Portes du Soleil in den Alpen enden wird. Auch dort werden vor allem Ex-Teamkollegin Vollering und Niewiadoma ihre größten Gegnerinnen sein.

"Ich glaube unsere Rivalität gibt es schon das ganze Jahr. Aber ich mache momentan so viele Schritte, dass ich mich sehr weiterentwickle und ich glaube, es wird interessant bleiben", antwortete sie in Küssnacht auf die letzte Frage ihres Sieger-Interviews, in der sie auf ihre Rivalität mit der inzwischen in Luzern am Vierwaldstättersee wohnenden Vollering angesprochen wurde.

Reusser entschied neben der Gesamt- auch die Punktewertung für sich. Das Bergtrikot verteidigte am Schlusstag die Polin Marta Lach (SD Worx – Protime), während Marion Bunel (Visma – Lease a Bike) aus Frankreich der Italienerin Eleonora Ciabocco (Picnic – PostNL) noch das Weiße Trikot der besten Nachwuchsfahrerin wegschnappte.

So lief die 4. Etappe der Tour de Suisse Women:

Während eines starken Regengusses begann die Schlussetappe am Vierwaldstättersee und auf einer ersten Schleife nordwestlich von Küssnacht über die beiden Anstiege in der Adligenswilerstrasse (1,5 km bei 6,7%) und der Michaelskreuzstrasse (3,9 km bei 9%) bildete sich um die Österreicherin Carina Schrempf (Fenix – Deceuninck) und die Afghanin Fariba Hashimi (Ceratizit) ein Spitzenquartett, das sich aber schnell wieder auflöste. Hashimi wurde als letzte der ersten Ausreißerinnen nach rund 40 Kilometern bei der ersten Zielpassage in Küssnacht wieder gestellt.

Auf der zweiten, flacheren Schleife des Tages, diesmal östlich von Küssnacht um den Berg Rigi herum, wurde bei nun sonnigem Wetter weiter attackiert. Schließlich löste sich Henrietta Christie (EF Education – Oatly) und setzte sich allein ab.

Das Streckenprofil der 4. Etappe bei der Tour de Suisse Women. | Grafik: Tour de Suisse

Christie führte das Rennen mit einigen Sekunden Vorsprung über die beiden Bonussprints des Tissot Kilometers. Hinter ihr gewann Vollering bei der ersten Linie den Spurt um Platz zwei vor Reusser und machte so eine Sekunde im Kampf ums Gelbe Trikot gut, lag also nur noch deren zwei hinter der Schweizerin zurück. Anschließend setzten sich Julia Borgström (AG Insurance – Soudal) und Steffi Häberlin (SD Worx – Protime) ab und schnappten die Bonifikationen einen Kilometer später am Ende des Tissot Kilometers weg.

Das Duo schloss zu Christie auf und zu dritt fuhren sie rund eine Minute Vorsprung heraus, bevor es auf der Nordwestschleife, die zu Beginn der Etappe bereits gefahren wurde und nun das Finale der Etappe bildete, wieder in den Anstieg in der Adligenwilerstrasse ging. Dort schrumpfte der Vorsprung des Trios, das aber angeführt von Häberlin trotzdem noch mit rund 20 Sekunden Vorsprung über die Bergwertung kam.

Reusser verhindert Attacken und fährt dann selbst davon

19 Kilometer vor dem Ziel rauschte das Hauptfeld in der Anfahrt zum letzten Anstieg, angeführt von Lidl – Trek, an die drei Ausreißerinnen heran und die Flucht war beendet. Es ging rechts ab in die knapp vier Kilometer lange Michaelskreuzstrasse. Von unten weg setzte sich Reusser an die Spitze und schlug ein hohes Tempo an. Sofort explodierte das ohnehin schon kleine Feld und nur knapp zehn Frauen blieben noch beisammen.

Zwischenzeitlich waren nur noch Niewiadoma, Vollering und Fisher-Black an Reusser dran, doch einen Kilometer vor der Kuppe schafften auch Kerbaol, Bunel, Kastelijn, Zigart und Gigante den Anschluss wieder. Nun wurde Reusser auch erstmals in der Führungsarbeit abgelöst, nachdem das Tempo der Schweizerin auf den ersten 2,5 Kilometern des Anstiegs so hoch war, dass niemand auch nur einen Gedanken an eine Attacke zu verschwenden schien. Kurz vor dem Bergpreis aber beschleunigte Niewiadoma und wieder blieben nur dieselben vier zusammen: Fisher-Black, Vollering, Reusser und eben die Polin.

In der Abfahrt gab Niewiadoma Vollgas und setzte sich etwas ab. Reusser ließ Vollering die Nachführarbeit übernehmen und atmete am Hinterrad der Niederländerin kurz durch, um dann in einem kurzen Gegenanstieg Vollgas zu attackieren. Vollering konnte dem Antritt der Frau in Gelb nicht mehr folgen, die förmlich an Niewiadoma vorbei in Richtung Solo-Sieg flog. Vollering spannte zwar dahinter mit Niewiadoma zusammen, doch auf den fast flachen letzten fünf Kilometern am See entlang nach Küssnacht baute Reusser ihre Führung immer weiter aus und hatte so genug Zeit, um im Ziel den Jubel der Fans über ihren zweiten Tour-de-Suisse-Gesamtsieg zu genießen.

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