Geschürte Zweifel an der Sauberkeit von Chris Froome

Im Fegefeuer des Misstrauens

Von Klaus Angermann

Foto zu dem Text "Im Fegefeuer des Misstrauens"
Die Moderatoren-Legende Klaus Angermann war in diesem Jahr zum 47. Mal bei der Tour de France

22.07.2015  |  Es ist schlimm, eigentlich ganz schlimm: Fast die gesamte Radsportwelt misstraut dem Mann im GelbenTrikot. Chris Froome fährt in Frankreich durch ein Fegefeuer des Misstrauens. Entfacht und geschürt, ich muss das so krass sagen, von den Medien.

Das ist zum Teil sogar verständlich. Denn die Journalisten, zu denen ich trotz Ruhestand nach wie vor gehöre, sind ohnmächtig und verbittert; darüber, dass sie das Rätsel, das Geheimnis um die Überlegenheit des Tour-Dominators nicht lösen können. Sie können sich nach den vielen  Enttäuschungen der letzten Jahre nicht mehr vorstellen, dass Froomes Leistungen Menschen möglich sind.

Unterstützt wurden die kursierenden Zweifel von einem französischen Sportphysiologen. Dieser hatte für Froome beim Schlussanstieg der 10. Etappe einen Wert von 7,04 Watt Leistung pro Kilogramm Körpergewicht von vermuteten (!) 71 Kilogramm errechnet. Am Schreibtisch.

Seit dem zweiten Ruhetag, am Dienstag, wissen wir  nun - von Froomes Trainer Kerrison vekündet - dass er nur 67,5 kg wiegt und 5,78 Watt getreten hat. Soviel zur Sportwissenschaft.

Ich frage mich auch: Haben die Medien je so geballt und hartnäckig wie heute die Überlegenheit eines Merckx, Hinault, Indurain oder Lemond infrage gestellt? Leider können wir uns seit Armstrong wirklich sauberen Radsport kaum noch vorstellen. Chris Froome, ein Ausnahme-Athlet, gar ein Wunderkind ? Nicht möglich!

Der Brite ist von Misstrauern umzingelt, mit offen geäußerten Zweifeln konfrontiert wie kaum ein Athlet einer anderen Sportart in den letzten Jahren. Hat ein Fernsehkommentator oder schreibender Journalist aber jemals Wunderschwimmer Phelps seine Zweifel ins Gesicht gesagt; den jahrelangen König der Skilangläufer Northug angezweifelt; oder die Zeiten-Zauberer der Tartanbahn Farah und Bolt?

Längst sind die gut verdienenden Berufssportler „gläserne Athleten“ geworden, mit knebelnden Aufenthalts-Zeitplänen; mit stündlicher Bereitschaft, sich kontrollieren zu lassen - die Radsportler nun sogar nachts. Seit neuestem glaubt man ihnen nicht mal mehr, dass sie das Rennrad nur mit der eigenen Beineskraft beschleunigen... Mein Gott, wird dieser Sport tatsächlich als kriminell-verdächtig eingestuft?

Der Fernsehzuschauer, der Zeitungsleser, der Genießer einmaliger Wettkampfbilder - siehe die Hunderttausende täglich am Strassenrand - werden immer wieder medial mit Zweifeln konfrontiert. Sogar  ein dreimaliger Tour-Sieger, Greg Lemond, nährt sie als Eurosport-Experte, weil er „nicht sicher ist, ob Froome wirklich der talentierteste Athlet ist, den es je im Radsport gegeben hat.“

Meine lieben Kollegen, auch die von der ARD, muß Euch ein alter Tour-Begleiter von 77 Jahren tatsächlich den Tipp geben: Bittet doch den Chef der Tour de France, Christian Prudhomme, ans Mikrofon. Fragt ihn, ob er mit einem (höchstwahrscheinlichen) Toursieger des so vielfach geäußerten Misstrauens zufrieden sein kann. Und, ob er es teilt. Bittet auch den UCI-Präsidenten dazu, einen Schön-Redner, der selbst bei der größten Schweinerei (Astana-Doping) immer wieder einknickt. Anstatt endlich einmal ein Zeichen zu setzen.

Doch das ist wohl nur ein verbaler „Rad-Schlag“ von mir: denn wenn es in der Tour noch spannend, ja sogar dramatisch ist und Nachrichtenbedarf vorhanden, haben wir erfahren, dreht die ARD den (gallischen) „Hahn“ ab. Zugunsten von „Brisant“. Ein Rückfall in die Fernseh-Steinzeit.

Offen, und tatsächlich brisant, bleibt trotz allem die Frage: Ist Chris Froome nun tatsächlich ein wirklich Großer oder ist er, samt Umfeld, ein eiskalter Betrüger? So wie die Medien es vermuten. Ich denke positiv. Für Froome. Für den Radsport!

Wer aber gibt uns die Antwort?

 
 

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.11.2015Prudhomme: "Forderung absurd hoch und unbegründet"

(rsn) –Tour-Direktor Christian Prudhomme bestreitet die Rechtmäßigkeit der Forderung des Niederländischen Radsportverbands (KNWU), der von der ASO 140.000 Euro für den Grand Départ der Frankrei

03.11.2015Niederländischer Verband wartet auf Geld von der ASO

(rsn) - Der Niederländische Radsportverband KNWU hat sich an die UCI gewendet, weil er seit vier Monaten auf eine Zahlung der ASO in Höhe von 140.000 Euro wartet. Das berichtet das niederländische

16.08.2015Dopingproben der Tour sollen erneut getestet werden

(rsn) - Keiner soll sich sicher fühlen! Auch nicht, wenn die Rennen rum sind. Deshalb sollen die Dopingproben der gerade beendeten Tour de France nachträglich auf das neue Epo-Stimulanzmittel 

30.07.2015Bahamontes traut Valverde den Tour-Sieg zu

(rsn) – Federico Bahamontes traut Alejandro Valverde (Movistar) den Tour-Sieg zu und hat seinen Landsmann aufgefordert, im kommenden Jahr das Gelbe Trikot ins Visier zu nehmen. „Wenn er Dritter ge

28.07.2015Voß war zu früh in Topform

(rsn) – Auf die Frage, wie die am Sonntag zu Ende gegangene Tour de France für ihn verlaufen sei, fand Paul Voß gegenüber radsport-news.com nur zwei Worte: „Nicht zufriedenstellend.“ Nach seh

27.07.2015Wie kommt der „Engel" ins Tour-Finale?

(rsn) - Wir trauten unseren Augen nicht, als wir das von Philousport bei Twitter eingestellte Video (siehe die beiden Links unten) betrachteten. Es sah aus, als stünde ein „Engel" mit flatternden F

27.07.2015Jugendlicher Schwarzfahrer soll Absperrung durchbrochen haben

Paris (dpa) - Ein Jugendlicher ohne Führerschein ist wohl für den Zwischenfall vor dem Finale der Tour de France am Sonntag verantwortlich, bei dem die Pariser Polizei Schusswaffen einsetzte.

27.07.2015Denk: „Das Glück war nicht auf unserer Seite"

(rsn) - Ein Etappenpodium, zwei weitere Platzierungen in den Top Ten, der 25. Platz in der Gesamtwertung sowie zwei Auszeichnungen als aktivster Fahrer sind die Bilanz des deutschen Bora-Argon 18-Team

27.07.2015Nun will Greipel auch in Hamburg seinen ersten Sieg

Paris (dpa/rsn)- Am Sonntag gewann André Greipel (Lotto Soudal) erstmals in seiner Karriere die letzte Tour-Etappe auf den Champs Élysées. Im Ziel wartete sein Jugendtrainer Peter Sager um mit dem

27.07.2015Brailsford: „Die Kritiker haben uns geholfen, die Tour zu gewinnen“

Paris (dpa/rsn) - Erst gab es Dosenbier, dann Champagner - und aus den Boxen dröhnte der bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Queen-Hit „We are the Champions“. Bevor Christopher Froome

27.07.2015Movistar die beste Mannschaft, aber Sky stellt den Sieger

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

27.07.2015Lotto Soudal dominiert die Sprints, IAM erreicht sein Ziel

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

Weitere Radsportnachrichten

29.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

28.04.2024Dorn in der Türkei am Berg und beim Zwischensprint der Stärkste

(rsn) - Vor allem für die Teams Bike Aid und rad-net - Oßwald verlief die zurückliegende Woche erfolgreich. Santic - Wibatech, MYVELO und Rembe Sauerland konnten gegen WorldTour-Konkurrenz zuminde

28.04.2024Famenne Classic: De Lie feiert seinen ersten Saisonsieg

(rsn) - Arnaud De Lie (Lotto - Dstny) hat bei der Famenne Ardeche Classic (1.1) seinen ersten Saisonsieg eingefahren. Der Belgier setzte sich nach hügeligen 195 Kilometern rund um Marche-en-Famenne

28.04.2024Lidl - Trek gewinnt trotz Stürzen Auftakt der Vuelta Femenina

(rsn) – Trotz eines Sturzes in der letzten Kurve hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Obwohl Ellen van Dijk und Eleanor Bac

28.04.2024Highlight-Video der 5. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat zum Abschluss der 77. Tour de Romandie (2.UWT) seinen zweiten Tagessieg eingefahren. Der Franzose entschied bei regnerischem Wetter die 5. E

28.04.2024Zangerle verpasst für sein Team nur knapp den Heimsieg

(rsn) –Lukas Kubis (Elkov – Kasper) hat in Österreich das 62. Kirschblütenrennen gewonnen, das erstmals als UCI-Rennen der Kategorie 1.2 ausgetragen wurde und zugleich der zweite Stopp der Road

28.04.2024Carlos Rodriguez feiert Gesamtsieg vor Vlasov und Lipowitz

(rsn) – Beinahe noch eine Spur deutlicher als auf der 1. Etappe ging es im Sprint der Schlussetappe der Tour de Romandie (2.UWT) zu. Der Sieger war dabei derselbe: Dorian Godon (Decathlon – AG2R L

28.04.2024Lechner lässt in Tschechien nichts mehr anbrennen

(rsn) – Am letzten Tag der Gracia-Rundfahrt (2.2) hat Corinna Lechner (Wheel Divas) nichts mehr anbrennen lassen und sich den Gesamtsieg der tschechischen Rundfahrt gesichert. Auf der 5. Etappe, di

28.04.2024Van den Broek gewinnt als erster Niederländer Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Wegen Regen und Wind musste die Schlussetappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) abgesagt werden. Frank van den Broeck (dsm-firmenich – PostNL) verteidigte so kampflos sein Führungstrikot

28.04.2024Lipowitz mit seiner Giro-Generalprobe mehr als happy

(rsn) – Auch wenn er im Vorjahr bei der Czech Tour die Gesamtwertung gewann, so ist die diesjährige Tour de Romandie als Durchbruch in der Karriere von Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) zu bewe

27.04.2024Reusser zurück im Feld und auf dem Weg zu Olympia

(rsn) - Knapp ein Monat ist seit dem schweren Sturz bei der Flandern-Rundfahrt vergangen, der für die 32-jährige Marlen Reusser (SD Worx - Protime) schwere Folgen hatte. Ober- und Unterkiefer, die

27.04.2024Huys saust im Zeitfahren allen davon

(rsn) – So schnell wie Tabea Huys (Maxx Solar Rose Women Racing) war noch nie eine Athletin auf dem 13,5 Kilometer langen Zeitfahrparcours der Gracia-Rundfahrt in der Tschechischen Republik. Seit 20

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)