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23.09.2015 | (rsn) - Mit leerem Blick starrt Leo Appelt auf den Bildschirm zu seiner Linken. Der 18-Jährige wirkt, als verfolge er dort das packende Finale im Einzelzeitfahren der Junioren. Doch was Appelt sieht, ist lediglich Werbung. Während die anderen WM-Rennen live übertragen werden und der Führende auf dem Hot Seat seine Kontrahenten beobachten kann, wie sie sich die Zähne an seiner Zeit ausbeißen, muss Appelt bei den Junioren auf diese Informationen verzichten.
Er sitzt da, weiß dass es knapp wird und wartet auf die Informationen aus dem Live-Timing am Smartphone der BDR-Betreuer, die zehn Meter von ihm entfernt stehen. Adrien Costa heißt der Mann, auf den jetzt alle warten - auch Appelt. Denn der US-Amerikaner, schon im Vorjahr hinter Lennard Kämna WM-Zweiter in Ponferrada, ist auf den letzten Kilometern rasend schnell unterwegs. Nach schwachem Start hat Costa sich offenbar Reserven gelassen und aus 25 Sekunden Rückstand bei Kilometer sieben nur noch deren zwei bei Kilometer 22 gemacht.
„Ich saß da zwei Stunden, und dann wird das noch so knapp zum Ende! Ich dachte, ich platze gleich - und dass er mich noch vom heißen Stuhl kickt", wird Appelt später von den Gefühlen und Gedanken erzählen, die ihn durch die letzten Minuten vor dem Gewinn des WM-Titels begleiteten. Dann ist Costa im Ziel: 38:02 Minuten hat der US-Amerikaner für die 30 Kilometer von Richmond gebraucht. Im Rennen der U23 am Vortag hätte das für Rang zwölf gereicht - und bei den Junioren?
Die BDR-Riege ist sich noch nicht hundertprozentig sicher. Sportdirektor Patrick Moster und Vizepräsident Udo Sprenger rufen Appelt zu sich an die Absperrung. Sie schauen nochmal aufs Live-Timing. Es lädt. Dann fragen sie ihren Schützling: „Was war Deine Zeit?" 37:45 Minuten hatte der Hannoveraner gebraucht, und als er 37 sagt, unterbricht Moster bereits: „Das reicht. 37 reicht." Was folgt, ist großer Jubel - immer wieder umarmt Appelt die BDR-Verantwortlichen.
„Ich war komplett perplex. Es war unbeschreiblich, das Gefühl", wird er später sagen. Man kann ihm ansehen, wie überwältigt er ist, nach WM-Gold in der Einerverfolgung auf der Bahn nun auch Platz eins im Einzelzeitfahren auf der Straße belegt zu haben. „Ich kann es kaum glauben, das ist total surreal. Ich hatte meine Gold-Medaille auf der Bahn und habe gedacht, ich gehe hier ganz ohne Druck und Stress heran. Dass es jetzt so endet, hätte ich nie gedacht. Ich kann es gar nicht fassen!"
Appelts Sieg ist die Fortsetzung einer Gold-Serie der deutschen Junioren, die mit Kämnas Erfolg im Vorjahr in Ponferrada ihren Anfang nahm und durch Jonas Bokeloh damals vier Tage später im Straßenrennen fortgesetzt wurde. Appelt passt mit seinen blonden Haaren optisch ideal zum blond-gefärbten Junioren-Team von 2014. Doch nicht nur die trendige Frisur - seitlich kurz, oben lang - verbindet ihn mit Bokeloh, sondern auch Freundschaft.
„Er war früher bei mir im Verein und hat dann gewechselt. Wir wohnen 15 Kilometer voneinander entfernt, und wenn wir die Zeit finden, trainieren wir zusammen", erzählte Appelt, der sich in ferner Zukunft eher auf der Straße denn auf der Bahn sieht, sich für die nächsten Jahre aber noch nicht festlegen will. „Wir haben uns durchs Radfahren kennengelernt, machen aber auch sonst viel zusammen, sind echt gute Freunde."
Appelt und Bokeloh könnten auch Brüder sein: beide groß, beide gut gebaut, beide mit markantem Gesicht. Brüder oder Freunde, jedenfalls verhelfen sie dem RC Blau-Gelb Langenhagen zu erfreulichem Ruhm. Zwei Junioren-Weltmeister im Straßen-Radsport innerhalb von zwölf Monaten zu feiern, davon träumt wohl jeder Verein im Land. Was also, müssen die Anderen machen, um nachzuziehen, Herr Appelt, was ist das Langenhagener Erfolgsrezept? „Einfach Spaß haben", sagte er.
Eine bessere Erklärung hat er nicht. Eine bessere Erklärung braucht es aber auch nicht.
Appelt im Mixed-Zone-Interview:
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