Begleitfahrzeuge sorgen für Ärger im Etappenfinale

Majerus bricht Tetricks Herz, macht Vos sauer und holt sich Gelb

Von Felix Mattis aus Norwich

Foto zu dem Text "Majerus bricht Tetricks Herz, macht Vos sauer und holt sich Gelb"
Christine Majerus (Boels-Dolmans) gewinnt die 1. Etappe der Aviva Women´s Tour zum Entsetzen von Marianne Vos (Rabo-Liv). Im Hintergrund leider Beinahe-Siegerin Alison Tetrick (Cylance). | Foto: Cor Vos

16.06.2016  |  (rsn) - Das Erste, was Christine Majerus (Boels-Dolmans) nach ihrer Zieldurchfahrt in Norwich zu hören bekam, waren Vorwürfe. Marianne Vos (Rabo-Liv) schimpfte auf sie ein und auch Giorgia Bronzini (Wiggle-High5) wurde gegenüber der Luxemburgerin sehr laut. Den beiden Ex-Weltmeisterinnen hatte nicht gefallen, wie Majerus sie gerade auf die Plätze zwei und drei verdrängt hatte, um sich den Auftaktsieg und damit das erste Gelbe Trikot der 3. Aviva Women's Tour zu sichern.

In einer engen Rechts-Links-Kombination 150 Meter vor dem Ziel war es zur Berührung zwischen Majerus und Vos gekommen, wodurch die Niederländerin in Richtung Bande gedrängt wurde. Die UCI-Kommissäre studierten die Szene nach dem Rennen und befanden: alles in Ordnung.

"Aus meiner Sicht gibt es nicht viel dazu zu sagen. Es war ein sehr hektisches Finish und wir wussten, dass man richtig um seine Position kämpfen musste. Lucinda (Brand, Teamkollegin von Vos, d. Red.) hat mich in der Kurve zuvor auch gedoppelt und dann waren da Motorräder direkt vor uns, um die ich herum musste", erklärte Majerus. Und das war tatsächlich das eigentliche Problem: die Begleitfahrzeuge, die sich nicht rechtzeitig aus dem Staub gemacht hatten.

Die letzten 300 Meter der 138,5 Kilometer langen Auftaktetappe von Southwold nach Norwich führten bergan und beinhalteten 150 Meter vor dem Ziel noch eine enge Rechts- sowie eine Linkskurve auf die knapp 100 Meter lange Zielgerade. Und ausgerechnet vor dieser Kurvenkombination lief das sprintende Feld auf ein neutrales Begleitauto sowie drei Motorräder auf. Die kamen auf der engen Straße nicht an der förmlich stehenden Ausreißerin Alison Tetrick (Cylance Pro Cycling) vorbei, die nach einem 20-Kilometer-Solo erst 80 Meter vor dem Ziel eingeholt wurde.

"Die Motorräder waren mitten auf der Straße in der vorletzten Kurve, die man eigentlich hätte schneiden müssen - aber das ging nicht. Dadurch gab es einen kleinen Kampf zwischen Marianne und Majerus, und Marianne war etwas sauer, was ich verstehen kann", erklärte Bronzini, die die heikle Situation aus nächster Nähe beobachten konnte. "Marianne hat versucht, links an ihr vorbeizukommen, weil das Motorrad rechts war, und Majerus hat sie nach außen an die Bande gedrückt - das war nicht schön zu sehen, kann aber im Sprint passieren."

Die Szene trübte Majerus' Freude über ihren zweiten Etappensieg bei der Women's Tour zunächst, doch nachdem die Jury grünes Licht für die Siegerehrung gab, hatte sich das erledigt. "Es ist eines der größten Rennen der Saison und es ist in die WorldTour aufgenommen worden, so dass das hier mein erster WorldTour-Sieg ist - das macht es noch besser", jubelte sie schließlich und gab zu, dass ihr nicht nur wegen der kontroversen Situation im Finale Steine vom Herzen gefallen waren.

"Die besten Fahrerinnen der Welt sind heute für mich gefahren, also musste ich gewinnen, ohne Wenn und Aber", sagte Majerus, die wegen des ihr liegenden technisch schweren Finales als Leaderin von Boels-Dolmans ins Rennen geschickt wurde. "Deshalb ist die Erleichterung sehr groß und ich bin sehr froh, hierher zurückzukommen und wieder das Trikot zu haben."

Schon 2015 hatte sie in Kettering, wo die 2016er Auflage der Aviva Women's Tour am Sonntag zu Ende gehen wird, eine Etappe im Bergaufsprint gewonnen, nachdem sie an einer Engstelle den entscheidenden Vorsprung herausgeholt hatte. Damals verlor Majerus das Gelbe Trikot tagsdrauf aber an Lisa Brennauer (Canyon-SRAM), die die Rundfahrt schließlich gewinnen sollte.

Diesmal wird es die Titelverteidigerin allerdings schwer haben, der Luxemburgerin das Gelbe Trikot nach nur einem Tag wieder abzunehmen. Brennauer nämlich verlor am Mittwoch in Norwich 25 wertvolle Sekunden. Sie stürzte rund einen Kilometer vor dem Ziel und wurde gemäß der Drei-Kilometerregel mit der Zeit der Gruppe gewertet, in der sie zu diesem Zeitpunkt saß - allerdings richtete sich die Jury dabei nach dem größten Teil des Feldes und nicht nach der Spitze.

Denn erst nach dem Sturz zerriss das Feld im ansteigenden Finale und so entstanden die Lücken erst dann - ärgerlich für Brennauer und Gracie Elvin (Orica-AIS) sowie Ashleigh Moolman-Pasio (Cervelo-Bigla), die ebenfalls in den Sturz verwickelt waren.

"Mir ist jemand so ins Hinterrad gefahren, dass ich nichts mehr machen konnte. Von jetzt auf gleich bin ich über den Lenker abgestiegen", schilderte die Allgäuerin den Unfall, über dessen Entstehung sie nichts sagen konnte, der aber glimpflich ausging. Schürfwunden am Ellbogen, Knie, der Schulter und der Hüfte trug Brennauer davon - mehr nicht. "Ich bin ein bisschen auf den Hinterkopf gefallen, aber es ist soweit alles okay und ich kann auch alles gut bewegen."

Heldin des Auftakttages war allerdings Tetrick. Die 31-jährige US-Amerikanerin hatte 21 Kilometer vor Ende der bis dahin mit geschlossenem Hauptfeld auf einen Massensprint zurollenden Etappe eine Solo-Attacke gestartet und bis zehn Kilometer vor dem Ziel fast zwei Minuten Vorsprung herausgefahren. Dann aber begann das Feld eine unwiderstehliche Aufholjagd, und schließlich gingen Tetrick im Finale die Kräfte aus.

"Ich wurde quasi fünf Fuß vor der Linie noch abgefangen und bin zwar noch irgendwo in den Top Ten, aber es ist natürlich super enttäuschend", so Tetrick im Ziel. Sie wurde Etappenachte und durfte sich natürlich mit dem Preis der kämpferischsten Fahrerin trösten - daran, dass im Ziel Tränen flossen, konnte das aber nichts ändern. "Man will nie glauben, dass es klappt, bis man über die Linie ist - und wenn man sie dann so nah vor sich sieht... Ich werde es wieder versuchen, glaube aber kaum, dass sie mich nochmal so weit weg lassen."

Die Aviva Women's Tour wird am Donnerstag mit einer 140 Kilometer langen 2. Etappe von Atherstone nach Stratford-upon-Avon fortgesetzt. Majerus beginnt die Etappe im Gelben Trikot der Gesamtführenden, hat aber nur eine Sekunde Vorsprung auf Vos, die am ersten Zwischensprint der 1. Etappe drei Bonussekunden gewonnen hatte.

Die Bergwertung führt die Niederländerin Ilona Hoeksma (Parkhotel Valkenburg) an, die beide Bergpreise am Auftakttag für sich entschied. In der Nachwuchswertung liegt Floortje Mackaij (Liv-Plantur) an der Spitze und die Punktewertung gehört ebenfalls Majerus.

Mehr Informationen zu diesem Thema

06.05.2024Bauernfeind beendet Vuelta besser als erwartet

(rsn) – Wer weiß, was alles möglich gewesen wäre. Wenn Ricarda Bauernfeind nicht zu Beginn der Vuelta Feminina (2.WWT) etwas gekränkelt hätte. Und wenn sie von Beginn an als Kapitänin von Cany

05.05.2024Vollering nutzt Rückenwind-Passage zum Vuelta-Triumph

(rsn) – Mit einem weiteren überragenden Auftritt hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) die 10. Vuelta Femenina (2.UWT) souverän für sich entschieden. Die 27-jährige Niederländerin schüttelt

04.05.2024Rund 260.000 Euro fehlen: Tour of Scandinavia abgesagt

(rsn) – Die Women´s WorldTour-Rundfahrt Tour of Scandinavia wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Das gaben die Veranstalter des für 27. August bis 1. September geplanten Rennens am Freitag via P

04.05.2024Alfonsina Strada: Die erste Frau beim Giro

(rsn) – Wenn am Samstag in Venaria Reale der 107. Giro d´Italia der Männer beginnt, ist das auch für den Frauen-Radsport ein wichtiger Termin. Denn noch bevor im Juli der nächste Giro der Frauen

01.05.2024Faulkner landet als Ausreißerin Coup in Zaragoza

(rsn) – Kristen Faulkner hat bei der 10. Vuelta Femenina für den zweiten Sieg einer Fahrerin von EF Education – Cannondale gesorgt. Nachdem ihre Teamkollegin Alison Jackson die 2. Etappe für si

30.04.2024Highlight-Video der 3. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Marianne Vos (Visma – Lease a Bike) hat die 3. Etappe der Vuelta Espana Feminina (2.UWT) für sich entschieden. Die 36-jährige Niederländerin verwies nach 1302 Kilometern zwischen Lucen

30.04.2024Vos feiert Sprintsieg in Teruel

(rsn) – Die Gewinnerin der 3. Etappe der Vuelta Espana Feminina by Carrefour.es ist Marianne Vos (Visma – Lease a Bike). Die Niederländerin sicherte sich den Tageserfolg nach 130,2 Kilometern in

30.04.2024Vollering unterschreibt Sponsoren-Deal mit Nike

(rsn) – Anna Henderson (Visma – Lease a Bike) wird nicht mehr zur 3. Etappe der Vuelta Espana Femenina antreten. Die Britin war im Finale des zweiten Teilstücks an der 3-Kilometer-Marke an den er

29.04.2024Jackson siegt nach Sturz-Chaos um Vollering, Vos und Lippert

(rsn) – Alison Jackson (EF Education – Cannondale) hat in einem chaotischen Finale in Moncófar die 2. Etappe der Vuelta Espana Femenina gewonnen. Die Kanadische Meisterin setzte sich im Sprint au

28.04.2024Highlight-Video der 1. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Mit einer beeindruckenden Vorstellung hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Das von der Italienerin Elisa Longo Borg

28.04.2024Lechner lässt in Tschechien nichts mehr anbrennen

(rsn) – Am letzten Tag der Gracia-Rundfahrt (2.2) hat Corinna Lechner (Wheel Divas) nichts mehr anbrennen lassen und sich den Gesamtsieg der tschechischen Rundfahrt gesichert. Auf der 5. Etappe, di

27.04.2024Reusser zurück im Feld und auf dem Weg zu Olympia

(rsn) - Knapp ein Monat ist seit dem schweren Sturz bei der Flandern-Rundfahrt vergangen, der für die 32-jährige Marlen Reusser (SD Worx - Protime) schwere Folgen hatte. Ober- und Unterkiefer, die

Weitere Radsportnachrichten

07.05.2024Ein Hauch von Mailand-Sanremo

(rsn / ProCycling) – Die Fahrt über die Po-Ebene, ein langer Anstieg in der Mitte der Strecke, das Erreichen der ligurischen Küste und Passagen durch malerische kleine Städtchen – es ist eine E

07.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

06.05.2024Roglic: Pyrenäen-Besichtigung, Höhen-Camp und Dauphiné geplant

(rsn) – Während Jonas Vingegaard aufgrund seiner schweren Verletzungen aus dem Massensturz auf der 4. Etappe der Baskenland-Rundfahrt im Mai nicht mit seinem Team Visma – Lease a Bike im Höhentr

06.05.2024Pogacar stellt wie im kindlichen Spiel historische Episoden nach

(rsn) - Tadej Pogacar kopiert beim 107. Giro d´Italia große Szenen der Vergangenheit. Das qualifiziert ihn für den Radsport-Oscar. Das Rosa Trikot könnte er mit zu viel Spielerei aber auch riskie

06.05.2024Thomas: “Der späte Angriff war sicher nicht der Plan“

(rsn) - Letztlich gab es auf der 3. Etappe des Giro d´Italia (2.UWT) zwar den erwarteten Massensprint, doch bis es dazu kam, mussten erst noch Tadej Pogacar und Geraint Thomas nach einem späten Angr

06.05.2024Bauernfeind beendet Vuelta besser als erwartet

(rsn) – Wer weiß, was alles möglich gewesen wäre. Wenn Ricarda Bauernfeind nicht zu Beginn der Vuelta Feminina (2.WWT) etwas gekränkelt hätte. Und wenn sie von Beginn an als Kapitänin von Cany

06.05.2024Highlight-Video der 3. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) - Die 3. Etappe des Giro d´Italia 2024 galt es erster Tag für die Sprinter der diesjährigen Rundfahrt. Doch bevor die schnellen Männer auf der Zielgeradem zum Sprint ansetzen konnten, musste

06.05.2024Merlier gewinnt nach später Attacke von Pogacar und Thomas

(rsn) – Am Ende einer komplett verrückten Etappe gewann Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) auf dem dritten Teilstück des 107. Giro d’Italia (2.UWT) den erwarteten Massensprint. Der Belgier war

06.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 3. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

06.05.2024In Frankfurt und in Vorarlberg gab es wenig zu holen

(rsn) - Die deutschen KT-Teams hatten in dieser Woche ein volles Rennprogramm. Doch die erhofften Erfolge sprangen dabei gegen die internationale Konkurrenz nicht heraus.Die ereignisreichste Woche ha

06.05.2024Milan: “Wenn man das Trikot einmal hatte, will man es wieder“

(rsn) – So spät kommen die Sprinter selten bei einer Grand Tour zum Zug. Die heutige 3. Etappe bietet die erste Chance für die schnellen Männer, um einen Etappensieg zu kämpfen. Einfach wird es

06.05.2024O’Connor “muss jetzt die Konsequenzen tragen“

(rsn) – Wenn Ben O’Connor (Decathlon – AG2R La Mondiale) in diesem Jahr irgendwo an den Start ging, war es meistens von Erfolg gekrönt. Auf seinen Sieg bei seinem Saisonauftakt bei der Murcia-R

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)