RSN-Rangliste 2009, Platz 55: Lance Armstrong (Astana)

Nicht schlecht für einen Veteranen

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Nicht schlecht für einen Veteranen"

Lance Armstrong (Astana)

Foto: Jost

03.12.2009  |  (rsn) – Auch wenn Lance Armstrong kein Rennen gewann, stand die Saison 2009 ganz im Zeichen seines Comebacks. Nach mehr als drei Jahren im Ruhestand kehrte der siebenfache Toursieger in den Rennsattel zurück und sorgte für viel Gesprächsstoff – auf und abseits der Rennstrecke.

Zum Jahresbeginn hatte Armstrong einige Probleme, sich wieder an die Wettkampfbedingungen zu gewöhnen. Seinen ersten Renneinsatz hatte der Texaner, der Ende 2008 beim Astana-Rennstall seines Mentors und Freunds Johan Bruyneel eingestiegen war, Ende Januar in Australien bei der Tour Down Under. „Es hat Spaß gemacht, wieder dabei zu sein. Ich hatte hier keine großen sportlichen Ziele, außer, dass ich durchkomme und mich wieder an den Rennrhythmus gewöhne", kommentierte Armstrong seine ordentliche Vorstellung Down Under. Als wichtigste Erkenntnis nahm er mit, dass "ich immer noch auf höchstem Level Rennen fahren und mit den Besten mithalten kann."

Im Februar folgte das Heimspiel Kalifornien-Rundfahrt (Kat. 2.HC), wo Armstrong mit dem siebten Gesamtrang seine erste Spitzenplatzierung des Jahres herausfuhr. Ende März folgte aber der große Rückschlag. Bei einem Sturz auf der 1. Etappe der spanischen Rundfahrt Castilla y Leon (Kat. 2.1) brach sich der Rückkehrer das Schlüsselbein. Wie sein Teamchef Bruyneel nach der Tour de France zugab, sei Armstrong nach dem Sturz sehr niedergeschlagen gewesen und habe sogar mit dem Gedanken gespielt, das Rad wieder an den Nagel zu hängen. Er habe den Verletzten regelrecht zwingen müssen, weiterzumachen, behauptete Bruyneel. Gerade noch rechzeitig zum Giro-Start im Mai wurde Armstrong wieder fit, ging aber ohne große Wettkampfpraxis in seine erste Italien-Rundfahrt.

In seiner ersten dreiwöchigen Rundfahrt nach fast vier Jahren zeigte Armstrong eine solide Leistung. Zwar konnte er in den Bergen wie erwartet nicht mit den Besten mithalten. Der fast 38 Jahre alte Giro-Debütant wurde aber im Verlauf der Rundfahrt immer besser und sicherte sich in Rom immerhin den elften Gesamtrang. „Wir haben fünf Wochen Zeit bis Tour-Beginn. Das reicht, damit in Frankreich an ganz anderer Armstrong am Start steht“, zeigte sich Teamchef Johan Bruyneel nach dem Giro optimistisch, und auch Armstrong äußerte sich im Hinblick auf die Tour gewohnt kämpferisch: „Ich kann nicht sagen, ob ich gewinnen kann, aber diejenigen, die mir Rang zehn prognostizieren, werden sich verdammt täuschen."

Bis zum Tourstart stand vornehmlich Regeneration im Vordergrund. In Frankreich präsentierte sich Armstrong zwar in sehr guter Form, allerdings war er weit entfernt von der Dominanz seiner früheren Jahr  - was dem Rennen zugute kam. Überraschenderweise fuhr Armstrong vor allem in den Zeitfahren, seiner eigentlichen Domäne, hinterher. Auch im Hochgebirge zeigte er bis dahin ungekannte Schwächen, konnte allzu große Zeitrückstände aber vermeiden.

Mit seinem teaminternen Konkurrenten Alberto Contador und dem Luxemburger Andy Schleck (Saxo Bank) konnte der Texaner nicht mithalten. Dazu kamen die Spannungen bei Astana, das mit vier potenziellen Tour-Gewinnern angetreten war. Aufgrund der Rivalität zwischen Armstrong und Contador zerfiel das Team praktisch in zwei Lager. Auch Teamchef Bruyneel konnte den Konflikt zwischen seinen beiden Topstars nicht beilegen. Trotzdem triumphierte Astana in Paris: Contador gewann souverän das Gelbe Trikot, Armstrong sicherte sich Platz drei und das Team gewann die Mannschaftswertung.

Mit seinem Podiumsplatz zeigte sich der Rückkehrer, der zwischenzeitlich das Gelbe Trikot nur um eine Sekunde verpasst hatte, sehr zufrieden. „Für einen alten Veteranen wie mich ist es nicht so schlecht, Dritter hinter diesen jungen Kerlen zu werden. Ich kann nicht klagen.“ Wer allerdings die demonstrative Kälte registriert hatte, mit der Armstrong Contador zu dessen zweitem Toursieg gratulierte, konnte leicht erahnen, wie es hinter den Kulissen aussah.

Immer wieder war es während der Tour zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Superstars gekommen. Im Vorfeld der Tour hatte Teamchef Bruyneel Contador als Kapitän benannt, was von Armstrong zunächst respektiert zu werden schien.

Doch trotz der eindeutigen Ansage kam es immer wieder zu Reibereien um die Führungsrolle. Bereits auf der 3. Etappe ging Armstrong in die Offensive und ließ mehrere seiner Helfer nach einer Windkantenaktion in der ersten Gruppe Tempo fahren, während Contador in der zweiten Gruppe verzweifelt versuchte, nach vorn aufzuschließen. „Ich verstehe nicht, warum es nur einen Kapitän geben sollte. Mir ist das ganze Gerede darüber egal“, meldete Armstrong plötzlich selber Führungsansprüche an. Contador wiederum zeigte sich von dessen Schachzug enttäuscht: „Ich werde die Teamtaktik nicht kommentieren. Da kann sich jeder eine eigene Meinung darüber bilden.“

Nach der Tour stellte Contador fest: "Ich habe zwei Siege errungen - einmal die Tour und einmal im Teamhotel. Es gab Kräfte, die gegen mich gearbeitet haben, aber ich habe mich durchgesetzt. Meine Beziehung zu Lance ist nicht-existent". Die harschen Aussagen des Tour-Siegers konterte Armstrong mit den Worten: „Hey Pistolero, es gibt kein Ich in einem Team. Was hatte ich im März gesagt? Du musst noch viel lernen." Nach Armstrongs gescheiterten Angriff auf das achtes Gelbes Trikot und den folgenden Scharmützeln war klar, dass die beiden Kapitäne künftig getrennte Wege gehen würden.

An einem Strang zogen die beiden Streithähne nur, als es um eine Dopingkontrolle am Ruhetag ging. Die zögerte Astana um insgesamt 55 Minuten hinaus, da es bei der Ankunft der Kontrolleure gerade Kaffee und Kuchen gab.

Zum Saisonausklang bestritt Armstrong noch die Tour of Ireland (Kat. 2.1), die er nicht als lockeres Ausrollen verstanden wissen wollte. „Lance ist nicht zum Urlaub hier“, kündigte Bruyneel gegenüber Radsport News an. An den ersten beiden Tagen zeigte sich sein Kapitän tatsächlich offensiv. Am Schlusstag stieg er bei sintflutartigen Regenfällen, Wind und Kälte allerdings vom Rad und beendete vorzeitig sein Comeback-Jahr.

2010 will Armstrong einen weiteren - den letzten? - Angriff auf das Gelbe Trikot bei der Tour starten. In seinem neuen Team RadioShack kann er auf die Unterstützung seines langjährigen Teamchefs Johan Bruyneel sowie von elf  Astana-Teamkollegen bauen, die allesamt mit ihm zum US-Rennstall wechselten. Armstrong wird bei der Tour die wohl stärkste Mannschaft an seiner Seite haben. Allerdings wird er im Juli 2010 fast 39 Jahre alt sein. Ob der Wettkampf-Rhythmus und die Rennhärte dann die Last der Jahre werden vergessen machen können, wie der US-Amerikaner hofft? „2010 werde ich stärker sein. Mein Ziel ist es, die Tour zu gewinnen“, kündigte Armstrong jedenfalls an.

Mehr Informationen zu diesem Thema

30.12.2009Damoklesschwert über einer exzellenten Saison

(rsn) – Auch 2009 hat Alejandro Valverde (Caisse d`Epargne) bewiesen, dass er derzeit der konstanteste, aber zugleich auch der umstrittenste Radprofi ist. Neben seinen acht Saisonsiegen, darunter de

30.12.2009Auf dem Weg zum Tour-Seriensieger

(rsn) – Auch 2009 hat Alberto Contador (Astana) unter Beweis gestellt, dass er der derzeit beste Rundfahrer der Welt ist. Der Spanier gewann im Sommer souverän die Tour de France und sicherte sich

30.12.2009Die Radsport News Jahresrangliste 2009

(rsn) - Im November und Dezember präsentiert Radsport News seinen Lesern die Jahresrangliste 2009. Hier finden Sie den Überblick über die Platzierungen aller deutschen Fahrer sowie der 100 besten i

29.12.2009Starke Saison, fulminantes Finale

(rsn) – Philippe Gilbert blickt auf die erfolgreichste Saison seiner bisherigen Karriere zurück. Für sein neues Silence-Lotto-Team fuhr der Belgier insgesamt sieben Siege sowie zahlreiche weitere

28.12.2009Regenbogentrikot statt Maillot Jaune

(rsn) – Die Tour de France 2009 war für Cadel Evans eine einzige Enttäuschung. Mit einem starken Vuelta-Auftritt und dem Gewinn der Goldmedaille im WM-Straßenrennen von Mendrisio bescherte sich d

27.12.2009Meister der Beständigkeit

(rsn) – Auch wenn Samuel Sanchez im abgelaufenen Jahr nur ein einziger Sieg gelang, kann der Euskaltel-Kapitän mit seiner Saison zufrieden sein. Der Baske zeigte konstant gute Leistungen und verpas

27.12.2009Ein wahrer Alleskönner

(rsn) – Mit gerade einmal 22 Jahren hat Edvald Boasson Hagen (Columbia-HTC) eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er auch in großen Rennen ein Siegfahrer ist. Der Norweger feierte 13 Siege, sec

25.12.2009Saison mit sieben Siege(l)n

(rsn) – Das siebte Jahr bei Quick Step war für Tom Boonen ein verflixtes. Zwar gelangen dem Belgier sieben Siege, darunter mit seinem dritten Triumph bei Paris-Roubaix und dem Gewinn der belgi

25.12.2009Zu den Saisonhöhepunkten in Gala-Form

(rsn) – In der abgelaufenen Saison ist Andy Schleck endgültig aus dem Schatten seines Bruders Fränk gefahren und hat eindrucksvoll gezeigt, dass er sowohl bei den Ardennenklassikern als auch bei

24.12.2009In der Weltspitze angekommen

(rsn) – Heinrich Haussler war der Aufsteiger der Saison 2009. Nach durchwachsenen Jahren im Gerolsteiner-Dress gelang dem Deutsch-Australier beim Cervélo TestTeam der große Durchbruch. Während ih

23.12.2009In den Sprints das Maß aller Dinge

(rsn)- In der abgelaufenen Saison hat Mark Cavendish eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er derzeit der beste Sprinter der Welt ist. Insgesamt feierte der Columbia-Sprinter 23 Siege - so viele s

23.12.2009Eine fast perfekte Saison

(rsn) – Abgesehen von einer enttäuschenden Tour de France lieferte Filippo Pozzato (Katjuscha) eine nahezu perfekte Saison ab. Bei den Frühjahrsklassikern kämpfte der Italiener bei allen großen

Weitere Radsportnachrichten

04.05.2024Arensman und Bardet müssen schon sehr früh Federn lassen

(rsn) – Riesig groß waren die Abstände unter den besten Kletterern des Giro d´Italia auf der 1. Etappe rund um Turin nicht. Und doch dürfte das Thema ´Podium in Rom´ für vier interessante Pro

04.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

04.05.2024Pogacar verpasst Rosa, setzt aber trotzdem eine erste Duftmarke

(rsn) – Tadej Pogacar hat mit seinem UAE Team Emirates alles getan, um schon am ersten Tag des 107. Giro d´Italia das Maglia Rosa zu übernehmen. Die Männer in Weiß arbeiteten den ganzen Tag rund

04.05.2024Erste Bergankunft im Zeichen von Pantani

(rsn / ProCycling) – Wie bereits der gestrige Auftakt ist auch diese 2. Etappe verhältnismäßig kurz. Im Gegensatz zu den Vorjahren entschied sich der Veranstalter RCS in der ersten Hälfte der Ru

04.05.2024Highlight-Video der 1. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) hat mit seinem Sieg zum Auftakt des 107. Giro d’Italia das erste Rosa Trikot erobert. Der 27-jährige Ecuadorianer setzte auf der 1. Etappe über 140 Ki

04.05.2024Zocker Schachmann eröffnet den Giro mit Bravour

(rsn) - Im Ziel in Turin war Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) von den Emotionen überwältigt. Natürlich war er sauer, dass er zum Auftakt des Giro d’Italia so knapp am Rosa Trikot vorbei

04.05.2024Gasparotto: “Max hat das heute clever gemacht“

(rsn) – Viel fehlte nicht und Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) hätte zum Auftakt des 107. Giro d’Italia für eine dicke Überraschung gesorgt. Der 30-jährige Deutsche musste sich auf d

04.05.2024Nur Narvaez zum Giro-Auftakt schneller als Schachmann

(rsn) – Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) hat denkbar knapp einen perfekten Einstieg in den 107. Giro d’Italia verpasst. Der zweimalige Deutsche Meister belegte auf der 1. Etappe über 14

04.05.2024Bénin: Zeitbonifikation kostet Bike Aid den Gesamtsieg

(rsn) - Große Enttäuschung beim Team Bike Aid zum Finale der Tour du Bénin (2.2). Der marokkanische Nationalfahrer Achraf Ed Doghmy gewann die 154 Kilometer lange Schlussetappe nach Cotonou im Spr

04.05.2024Vos vollendet auf Windkantenetappe die Vorarbeit ihres Teams

(rsn) – Marianne Vos (Jumbo – Visma) hat sich bei der 10. Vuelta Femenina ihren zweiten Tagessieg gesichert. Die 36-jährige Niederländerin entschied die 7. Etappe über 138,6 Kilometer von San E

04.05.2024Tiberi verlängert bei Bahrain Victorious

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

04.05.2024Bardet will jeden Giro-Tag wie einen Klassiker angehen

(rsn) – Romain Bardet (dsm-firmenich – PostNL) kommt in Top-Form zum 107. Giro d´Italia. Daran besteht spätestens seit seinem zweiten Platz hinter Überflieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates)

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)