“Ich würde es nicht Rache nennen“

Pogacar drehte Jumbos Taktik bei der Tour eine lange Nase

Von Joachim Logisch.aus Cauterets

Foto zu dem Text "Pogacar drehte Jumbos Taktik bei der Tour eine lange Nase"
Stolz auf seine slowenische Heimat: Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auf dem Podium als Sieger der 6. Tour-Etappe. | Foto: Cor Vos

07.07.2023  |  (rsn) - Im Fußball würde man es wohl ein Abstaubertor nennen, was Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) am Ende der 6. Etappe der Tour de France gelang. Der Slowene nutzte clever die starke Vorarbeit von Jonas Vingegaard und dessen Team Jumbo – Visma, um bei der Bergankunft in Cauterets-Cambasque ein grandioses und so nicht erwartetes Comeback zu feiern.

"Ich würde es nicht Rache nennen, aber es ist süß, heute zu gewinnen und ein bisschen Zeit zurückzuholen. Ich bin schon etwas erleichtert. Es geht mir besser“, stichelte der Toursieger augenzwinkernd in Richtung seines großen und wohl einzigen Konkurrenten bei dieser Tour, der ihm am Vortag noch 64 Sekunden abgeknöpft hatte.

24 Sekunden plus Zeitgutschrift von zehn Sekunden für den Etappensieg holt er sich nun zurück, so dass Pogacar im Kampf um Gelb nur noch 25 Sekunden zurückliegt. "Das wird jetzt eine spannende Tour de France für die verbleibende Zeit“, fasste Vingegaard, das Geschehene in einen knappen Satz zusammen.

Er und sein niederländisches Team wollten die angebliche Schwäche nutzen, die Pogacar am Tag zuvor gezeigt hatte. Alle Anzeichen sprachen dafür, dass er seinen Kahnbeinbruch am linken Handgelenk bei Lüttich-Bastogne-Lüttich Ende April noch nicht vollständig überwunden hat und deshalb nicht in perfekter Tour-Form ist.

"Ich dachte: 'Scheiße, das wird heute wie gestern'"

Doch der Slowene belehrte alle eines Besseren. Clever drehte er den Plan von Jumbo – Visma, seine vermeintliche Schwäche mit einem weiteren Angriff auszunutzen, ins Gegenteil. Als alle Konkurrenten mit dem Träger des Gelben Trikots, Jai Hindley (Bora – hansgrohe), distanziert waren, folgte Pogacar Vingegaard bis 2,7 Kilometer vor dem Ziel. Dort attackierte er schließlich, als Vingegaard überhaupt nicht damit rechnete. Schnell baute der UAE-Kapitän seinen Vorsprung aus.

Dabei tilgte er auch alle Zweifel, die ihn selbst nach der Niederlage am Tag davor befallen hatten. "Wer wäre nicht besorgt gewesen. Die Leistung, die Jonas (Vingegaard) gestern gezeigt hat, war unglaublich. Als Jumbo am Tourmalet so schnell fuhr, dachte ich ‘Scheiße, das wird heute wie gestern, wir können unsere Sachen packen und nach Hause fahren‘“, gab er im Siegerinterview mit der ihm eigenen Offenheit lächelnd zu. "Zum Glück hatte ich heute gute Beine. Am Tourmalet konnte ich recht gut folgen. Zum Schluss habe ich den richtigen Moment abgewartet und angegriffen“, schilderte er die Überraschung, die ihn gleich wieder zum Topfavoriten dieser Tour machte.

"Es wird ein großer Kampf bis zu letzten Etappe"

Pogacar war sichtlich erleichtert und flachste in Richtung Mark Cavendish (Astana Qazaqstan): "Das ist mein zehnter Etappensieg. Mach dich auf was gefasst, Mark!“ Cavendish hat zwar bislang 34 Etappenerfolge aufzuweisen, war aber im gleichen Alter wie Pogacar ebenfalls erst bei zehn angelangt.

Im Triumph dachte Pogacar auch an seine Freundin Urska Zigart (Jayco - AlUla), die am Tag zuvor beim Giro d'Italia der Frauen schwer gestürzt war und sich dabei Abschürfungen an der rechten Hüfte und am Knie sowie eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen hatte. "Ich widme den Sieg Urska. Heute war sie schon wieder zu hause. Sie hat mir Kraft gegeben.“

Kraft, die Vingegaard zu spüren bekommen wird. "Mein Rückstand ist jetzt fast perfekt. Es wird ein großer Kampf bis zur letzten Etappe“, forderte Pogacar den Titelverteidiger zu weiteren epischen Kämpfen heraus.

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