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07.05.2024 | (rsn) - Die 4. Etappe von Acqui Terme nach Andora hielt ein Finale bereit, das alle an Mailand-Sanremo erinnerte. Manche freuten sich darüber. "Oh, ich kenne hier fast jeden Meter. Es war schön, mal wieder auf dieser Strecke zu sein", sagte etwa Tadej Pogacar, im Frühjahr Dritter auf der Via Roma.
Lange ging es auch jetzt auf der Küstenstraße Aurelia durch Ligurien. Sogar der erste der berühmten Capi der Classicissima, Capo Mele, wurde befahren. Der Anstieg spielte auf dieser Giro-Etappe die Rolle des Poggio. Und wie man es vom Poggio kennt, der letzten Rampe, bevor es in Sanremo auf die Zielgerade geht, der letzten richtigen Angriffschance also, versuchte es auch hier ein Mann mit einem großen Motor:
Filippo Ganna, mehrfacher Weltmeister im Einzelzeitfahren auf der Straße und in der Verfolgung auf der Bahn, zudem Olympiasieger in der Mannschaftsverfolgung, brach plötzlich aus dem Peloton aus. Sechs, sieben Sekunden Vosprung hatte er vor dem zunächst verblüfften Feld. ___STEADY_PAYWALL___
"Das war nicht lange vorher geplant. Ich habe es mir erst am Beginn des Anstiegs vorgenommen", meinte der Ineos-Profi, als er sich auf der Rolle das Laktat aus den Beinen fuhr. Er wurde allerdings eingefangen, vom den Hügel herunterrasenden Feld.
Das war ein großer Unterschied zu Sanremo. Dort ist nach dem Poggio und nach fast 300 Kilometern Rennstrecke das Peloton meist ausgedünnt. Hier waren es 190 Kilometer, und es gab auch keine große Selektion zuvor. Das führte dazu, dass das Peloton am Ende dieser Giro-Etappe noch fast zwei Drittel der kompletten Besetzung zählte. 113 Fahrer erreichten zeitgleich das Ziel. "Es war enger und intensiver als Sanremo", beobachtete auch Pogacar.
Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) versuchte am Capo Mele sein Glück, wurde aber auf dem Schlusskilometer wieder gestellt. | Foto: Cor Vos
Nicht jeder Radprofi bewertete die Situation so freundlich. "Um ehrlich zu sein, bin ich kein Fan eines solchen Finishs. Wir sind in einem Feld mit 80km/h runtergefahren. Das ist meiner Meinung nach unnötig", meinte etwa Phil Bauhaus. Der Bahrain Victorious-Profi wurde Dritter, fand noch einen Weg zwischen Bande und Konkurrenz bei diesem Hochgeschwindigkeitsfinish. Aber er bewertete die Risiken, die die Veranstalter den Fahrern aufgebürdet hatten, als zu groß. Denn die können ja nicht einfach bei einem Sprintfinale plötzlich den Dampf herausnehmen, nur weil es bergab immer schneller wird.
Vielmehr legt jeder alles in die Pedale, was er hat. "Wir müssen immer so viele Risiken eingehen, denn alle Teams brauchen Punkte. Massensprints sind immer supergefährlich. Und dann ging es eben heute auch noch bergab. Ich hatte einen 58er Ring montiert. Mein Mechaniker hat heute früh gesagt, dass er den in 26 Jahren noch nie montiert hat. Ich weiß nicht, ob das nötig wirklich ist", kritisierte Bauhaus. Froher als über seinen guten dritten Platz war er darüber, dass alle heil ins Ziel kamen in diesem Finale.
Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Sieger der 3. Giro-Etappe, drückte seinen Unwillen noch drastischer aus. "Ich bin froh, dass ich noch am Leben bin", meinte der Belgier. Er war am Teufelslappen eingeklemmt, wohlgemerkt bei etwa 80 km/h! "Zwei Fahrer vor mir waren Schulter an Schulter. Einer wäre fast über die Gitter geflogen", schilderte er die Situation. Alles ging noch mal gut, deshalb gab es ein großes Aufatmen.
Malerisch: Das Peloton auf der Via Aurelia. | Foto: Cor Vos
Formal machten die Streckenplaner auch nichts falsch. Denn es war ja keine abschüssige Zielankunft. Die darf es seit dem Horrorsturz von Katowice 2020 nicht mehr geben. In Andora verliefen die letzten 750 Meter laut Profil auch horizontal, die allerletzten Meter sogar ganz leicht ansteigend. Davor aber war es eine wilde Jagd bergab. Und das ist dann doch eine Gefahrensituation, die für ein großes Feld im Massensprint besser vermieden werden sollte.
Selbst für Pogacar, der ja keiner Herausforderung aus dem Wege geht, war es schließlich "enger und intensiver" als beim größten der Sprintklassiker.