--> -->
24.09.2013 | (rsn) - Die Gefühle spielten verrückt, als Trixi Worrack den ‚Hot-Seat‘-Bereich der aktuell ersten drei Fahrerinnen und somit Medaillenanwärterinnen kurz vor Ende des WM-Einzelzeitfahrens verlassen musste und knapp 20 Minuten nach ihrer eigenen Zielankunft erneut mit dem Rad durch den Zielbereich rollte. Die 31-Jährige aus Dissen schien zu diesem Zeitpunkt nicht so richtig zu wissen, wohin sie fahren sollte - Hauptsache weg.
Eine kleine Lücke zwischen der ersten Reihe Absperrgitter nutzte Worrack, um zumindest die Straße zu verlassen. Doch dann rollte sie erneut auf Gitter zu - und auf viele Zuschauer, die den Weg versperrten, weil die gerade die fünf Meter weiter feiernde, frischgebackene Weltmeisterin Ellen van Dijk bejubelten. Etwas hilflos suchte Worrack nach einem Ausweg aus der Sackgasse und wurde schließlich von einigen Ordnern durch die Menge hinaus aus dem Trubel geschleust.
Da stand sie dann, draußen, ganz allein und legte den Kopf auf ihren Lenker um endlich ihren Emotionen freien Lauf zu lassen und zu weinen. Denn das, was ihr zuvor widerfahren war, war bitter: Um lediglich 2,92 Sekunden hatte die gebürtige Cottbuserin gerade ihre erste WM-Medaille im Einzelzeitfahren der Elite-Frauen verpasst - so knapp wie noch nie zuvor in ihrer insgesamt 15-jährigen WM-Karriere.
Dass Worrack von ihren Emotionen übermannt wurde, konnte Bundestrainer André Korff gut nachvollziehen. „Wenn man so nah dran ist an der Medaille, dann ist das verständlich“, sagte der 40-Jährige einige Minuten später am Teambus zu Radsport News. Trotzdem wollte er den fünften Platz als Erfolg werten. „Das kann man schon sagen. So nah an den Medaillen war sie, glaube ich, ja noch nie. Das sind jetzt die ersten Emotionen, aber das wird heute Abend sicher wieder anders sein.“
Doch bis zum Abend dauerte es gar nicht, bis aus Worracks verweintem wieder ein lachendes Gesicht wurde. Als sie eine halbe Stunde später vor dem Mannschaftsbus auf ihre Familie traf, ging es der Weltmeisterin im Mannschaftszeitfahren schon wieder deutlich besser. Die Fahrerin des Specialized-Lululemon-Teams hatte sichtbar Spaß und nahm aus den vorbeifahrenden Fahrzeugen der anderen Nationen einen Glückwunsch nach dem anderen entgegen. Auch dadurch dürfte Worrack immer deutlicher geworden sein, wie stark ihr fünfter Platz doch eigentlich war.
Jedenfalls gab sie das kurz vor der Abfahrt in Richtung Teamhotel dann auch im Gespräch mit Radsport News zu. „Mit etwas Abstand ist es super“, sagte sie. „Wenn man mir vor zwei Monaten gesagt hätte, dass ich hier im Zeitfahren unter die ersten fünf fahre, hätte ich das niemals geglaubt. Ich hatte ein wirklich voll beschissenes Jahr“, ordnete die Deutsche Meisterin ihr Rennen in den größeren Zusammenhang ein.
Letztlich war es nur die Art und Weise, wie sie die Medaille verpasst hatte, die Worrack weh tat. „Es ist halt einfach total ärgerlich, dass es nur zwei Sekunden bis zum Podium waren. Wenn es 20 Sekunden zum dritten Platz gewesen wären, dann hätte ich mich über den Fünften total gefreut.“
Den Rückstand hatte sich Worrack bereits auf den ersten Kilometern hinaus aus der Innenstadt von Florenz in Richtung Westen eingefangen. „Das sah für mich hinten im Auto zwar gut aus, aber im Endeffekt haben wir an der Zwischenzeit gemerkt, dass sie da schon die Sekunden liegengelassen hat“, erklärte Korff und Worrack bestätigte: „Im nachhinein muss ich sagen, dass ich am Anfang einen größeren Gang hätte fahren müssen. Ich bin mit einer relativ hohen Frequenz losgefahren, weil es aus der Stadt heraus erstmal Gegenwind gab und ich Angst hatte, dass ich mir die Beine festfahre. Aber es waren nur 22 Kilometer und eigentlich musst Du da gleich volles Rohr fahren.“
Tatsächlich lag Worrack bereits am ersten Zwischenzeit-Messpunkt bei Kilometer 12,5 knapp zehn Sekunden hinter Bronze-Medaillen-Gewinnerin Carmen Small sowie acht Sekunden hinter der Viertplatzierten Evelyn Stevens zurück und machte dann in der zweiten Rennhälfte kontinuierlich Boden gut. Auf den letzten 5,5 Kilometern war die routinierte Deutsche letztendlich sogar schneller als alle Konkurrentinnen und nahm selbst der überlegenen Siegerin van Dijk drei Sekunden ab.
Doch davon konnte sich Worrack nichts kaufen - genau so wenig wie von ihrer zwischenzeitlichen Bestzeit, als sie ins Ziel kam. „Ich wusste zwar, dass ich Bestzeit habe, aber die besten neun kamen ja noch. Da ist die Bestzeit im Ziel eigentlich das Mindeste, was man haben will“, sagte sie.
Immerhin blieb die Erkenntnis, dass die Form am Ende eines Jahres, das zwischen Anfang April und Anfang Juni wegen eines Schlüsselbeinbruchs auseinandergerissen worden war, pünktlich zur WM wieder richtig gut ist - und ein Wettbewerb steht am Samstag ja noch aus: das Straßenrennen. Zwar ist der Kurs sehr schwer, doch in der aktuellen Verfassung dürfte Worrack neben der starken Bergfahrerin Claudia Häusler zumindest die Nummer 1b im BDR-Team sein.
Dass sie am Renntag auch noch ihren 32. Geburtstag feiern wird, kann ja eigentlich kein schlechtes Omen sein.