WM-Zeitfahren: Schweizer hadert mit Funk-Problemen

Wiggins krönt Aufholjagd gegen Cancellara mit Silber

Von WM-Korrespondent Felix Mattis aus Florenz

Foto zu dem Text "Wiggins krönt Aufholjagd gegen Cancellara mit Silber"
Fabian Cancellara gratuliert Bradley Wiggins nach dem WM-Zeitfahren von Florenz. | Foto: ROTH

25.09.2013  |  (rsn) - Aus dem mit Spannung erwarteten Dreikampf um Zeitfahr-Gold ist in Florenz ein packendes Duell um Silber geworden. So deutlich wie Weltmeister Tony Martin seine Kontrahenten Bradley Wiggins und Fabian Cancellara distanzierte, so nah lagen die beiden am Ende der 57,9 Kilometer schließlich  beieinander. Lediglich 2,25 Sekunden Vorsprung bescherten Wiggins seine zweite Silbermedaille im Kampf gegen die Uhr und dem Radsport durch Cancellaras dritten Platz dasselbe Podium wie zwei Jahre zuvor in bei der WM in Kopenhagen.

Doch ausgerechnet die beiden Männer, die am Ende zu den Hauptdarstellern wurden, bekamen davon kaum etwas mit. „Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass es so eng ist“, sagte Wiggins nach dem Rennen. „Mein Funk hat nicht immer funktioniert, aber in gewisser Weise war das auch gut. Denn wenn ich immer gehört hätte, dass Tony davonzieht, hätte mich das bestimmt demotiviert.“

Cancellara hatte dasselbe Problem, nur in stärkerer Ausprägung. Er verlor nach fünf Kilometern für den gesamten Rest des Zeitfahrens komplett den Kontakt zum Begleitfahrzeug und bekam so überhaupt keine Ansagen mehr. „Ich bin ein Fahrer, der diese Informationen braucht. Der Wagen kann mich leiten: Links, rechts, Position fahren, aufpassen und so weiter“, erklärte der Schweizer in der Mixed Zone, dass das Fehlen des Funks für ihn eine große Rolle spielte. „Speziell, wenn es am Ende um zwei Sekunden geht. Die kann man in einer Kurve verlieren oder vielleicht durch eine nicht perfekte Körperhaltung. Der Sportliche Leiter sieht ja ganz genau, wenn du Fehler machst und kann Dir das sagen.“

Wiggins hingegen nahm es lockerer: „Die Zwischenzeiten sollten einen nicht beeinflussen. Auch wenn man sie hört, muss man sich nach sich selbst richten“, sagte der Brite, der ohnehin dafür bekannt ist, sehr wissenschaftlich zu arbeiten und für den sein ‚Knopf im Ohr‘ eigentlich das Watt-Messgerät an seinem Zeitfahrrad ist. Dieses tat seinen Job und lieferte Wiggins die Informationen, die er sehen wollte: „Ich bin lange Zeit nicht unter 450 Watt gefahren, und selbst auf den letzten zehn Kilometern ging es mir nicht richtig schlecht“, berichtete er später.

Dass diese Leistung nicht für Gold reichte, enttäuschte den 33-Jährigen dann auch nicht allzu sehr. „Wenn man 46 Sekunden zurückliegt, dann gibt es nicht viel, was man hätte anders machen können - ich habe Silber gewonnen und wurde von einem besseren Fahrer geschlagen“, gestand Wiggins ein. „Tony war auf einem anderen Level. Wenn er so fährt, ist er eben einfach der Beste der Welt.“

Und auch Cancellara wollte, obwohl er ausführlich auf die Funk-Problematik einging, nicht von einer Enttäuschung sprechen. „Meiner Meinung nach habe ich eine Medaille gewonnen, nicht verloren. Ich bin gefahren, um das Beste aus mir herauszuholen. Und am Ende bin ich stolz, dass ich die Bronze-Medaille für mich als Erfolg werten kann, anstatt so etwas nach vier WM-Titeln und Olympia-Gold als Niederlage zu sehen", so der vierfache Zeitfahrweltmeister.

Der Schweizer hatte schon im Vorfeld bewusst betont, dass sein Fokus auf dem Straßenrennen am Sonntag liege und ihm die Zeitfahrstrecke ohnehin nicht so  liege wie etwa Martin. „Es war ein hartes Rennen auf einem Kurs, der mir zum Ende hin einfach auch nicht so gut gelegen hat“, wiederholte er diese Einschätzung auch nach dem Rennen noch einmal.

Zum Ende hin, ja. Am Anfang aber schien ihm die Strecke doch sehr gut zu gefallen. Cancellara legte los wie die Feuerwehr und fuhr in Windeseile einen Vorsprung von bis zu sechs Sekunden gegenüber Martin heraus. An der ersten Zwischenzeit nach dem einzigen Anstieg des Kurses hatte der Berner  gegenüber dem Deutschen bei Kilometer 7,3 noch immer einen kleinen Vorsprung: 0,36 Sekunden.

Doch es zeichnete sich schon dort ab, was folgen sollte: Martin würde auf den langen, flachen Geraden davonmarschieren. „Physisch ist er einfach perfekt für so eine Strecke. Er ist so stark und tritt schwere Gänge. Er sieht ein bisschen aus wie Chris Boardman“, zollte Wiggins dem alten und neuen Weltmeister Respekt.

Was man an der ersten Zwischenzeit noch nicht erwarten konnte, war aber der Krimi um Platz zwei. Denn Wiggins passierte den ersten Messpunkt nur mit der sechstschnellsten Zeit - bereits fast 16 Sekunden hinter Cancellara. Und bei Kilometer 24,5 lag der 32-Jährige sogar noch deutlicher vor dem Tour-de-France-Sieger von 2012: 24 Sekunden. Dann aber begann der Brite seine Aufholjagd. Zwölf Sekunden standen bei Kilometer 42,8 nur noch als Rückstand auf der Uhr, und als die beiden durch die Altstadt von Florenz jagten, schloss Wiggins die Lücke endgültig, um sich schließlich noch durchzusetzen.

„Aus der Innenstadt heraus hätte man nochmal Gas geben müssen, aber da war nichts mehr übrig in meinem Körper“, gab Cancellara zu, dass im Finale auch der beste Funk-Kontakt nichts mehr gebracht hätte. Und Wiggins unterstrich: „In den letzten 15 Minuten war ich nur noch in einer Blase. Da habe ich gar nichts mehr mitgekriegt und wollte nur zum Ziel kommen. Da kann man sowieso nicht mehr schneller machen, sondern versucht nur, nicht langsamer zu werden.“

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