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19.02.2016 | (rsn) - Wenn die Interviews nach der Siegerehrung beendet sind und sich die Journalisten beim Hauptdarsteller bedanken, ist der oft froh, alle Zeremonien hinter sich zu haben, nickt, lächelt und verschwindet gen Mannschaftswagen.
Nicht so Vincenzo Nibali (Astana) am Green Mountain. Der "Hai von Messina" ergriff noch einmal das Wort. "Eines noch: Ich möchte diesen Sieg Franco Gini widmen. Er war eine fantastische Person - für mich und den Radsport in der Toskana." Gini, bei dem in den 1990er Jahren unter anderem Michele Bartoli und Francesco Casagrande zu Profis wurden, war am Donnerstag an einem Herzinfarkt gestorben.
Doch Nibalis Ehrerbietung der italienischen Radsportgröße gegenüber blieb an diesem Freitag im Oman die einzige Überraschung, die der Sizilianer bereithielt. Vorher tat er, was alle von ihm erwartet hatten: Nibali gewann in souveräner Manier die Bergankunft am gefürchteten Green Mountain, wo er auf den letzten 200 Metern seinen letzten Begleiter Romain Bardet (Ag2r) stehen ließ, und holte sich das Rote Trikot des Gesamtführenden. "Ich bin sehr glücklich", sagte der 31-Jährige. "Diese Saison ist besonders wichtig für mich und es ist gut, sie so zu beginnen."
Nibali will im August in Rio de Janeiro Olympiasieger werden und auf dem Weg dahin im Mai zum zweiten Mal den Giro d'Italia gewinnen. Seine Saison begann er zwar schon im Januar bei der Tour de San Luis in Argentinien, doch dort hielt sich der Astana-Kapitän noch zurück, fuhr im Trainingsmodus. Nun am Green Mountain war das anders.
Nibalis Team beteiligte sich vom Start weg an der Führungsarbeit im Feld, um den Abstand einer zehnköpfigen Spitzengruppe um den Deutschen Christoph Pfingsten (Bora-Argon 18), der auf der 4. Etappe bereits zum dritten Mal zu den Ausreißern gehörte, in Grenzen zu halten. Weiter als 4:15 Minuten ließ man die Gruppe gemeinsam mit den Helfern des Gesamtführenden Edvald Boasson Hagen (Dimension Data for Qhubeka) und Fortuneo-Vital Concept, das Team des Argentiniers Eduardo Sepulveda, nicht weg.
Im Finale erhöhte Astana schließlich den Druck, und am 7,5 Kilometer langen sowie im Schnitt 10,7 Prozent steilen Schlussanstieg stellten die Verfolger mit Pfingsten und Daniel Oss (BMC) auch die letzten übriggebliebenen Ausreißer schnell. Nibalis Helfer Valerio Agnoli, Andrei Grivko und Michele Scarponi zogen die Favoritengruppe den Berg hinauf, die immer kleiner wurde.
Frühe Opfer der Tempojagd waren Tom Dumoulin (Giant-Alpecin) und Richie Porte (BMC), die nicht mehr dabei waren, als gut vier Kilometer vor dem Ziel Gianluca Brambilla (Etixx-Quick-Step) attackierte und noch 20 Mann hinter ihm her waren. Die Gruppe verkleinerte sich weiter, doch Porte und Dumoulin kehrten den Trend um und schlossen rund drei Kilometer vor dem Ziel wieder auf. Sofort wendete der Australier das Blatt und ging selbst in die Offensive, wodurch mit Scarponi der letzte Nibali-Helfer aufgebraucht wurde.
2,5 Kilometer vor dem Ziel setzte Bardet die bis dato gefährlichste Attacke. Astanas Co-Kapitän Jakob Fuglsang sprang hinterher und die Favoritengruppe explodierte endgültig. Davide Rebellin (CCC Sprandi), Serge Pauwels (Dimension Data for Qhubeka), Jürgen Van den Broeck (Katusha), Porte, Dumoulin und auch der bis dahin tapfer mithaltende Boasson Hagen (Dimension Data for Qhubeka) wurden abgehängt - genauso wie der im Weißen Trikot fahrende Patrick Konrad und sein Bora-Argon18-Teamkollege, der Deutsche Meister Emanuel Buchmann.
Kurz darauf beschleunigte auch Nibali und fuhr zu Bardet sowie Fuglsang vor - gefolgt vom Eritreer Merhawi Kudus (Dimension Data for Qhubeka) und dem Überraschungsmann des Tages, Brendan Canty (Drapac) aus Australien.
Dahinter kam auch Dumoulin in seinem eigenen Tempo noch einmal näher, schaffte den Anschluss aber nie, weil Bardet noch zwei Mal das Tempo verschärfte und Nibali schließlich einen Kilometer vor dem Ziel mit einem weiteren Antritt die Vorentscheidung herbeiführte, so dass nur noch Bardet bei ihm bleiben konnte.
Das Duo fuhr gemeinsam durch die beiden letzten Serpentinen 500 und 300 Meter vor dem Ziel, bevor der Italiener schließlich noch ein letztes Mal aus dem Sattel ging und dem Franzosen davonfuhr, um die Etappe mit neun Sekunden Vorsprung zu gewinnen. Fuglsang wurde mit zwölf Sekunden Rückstand Dritter, Dumoulin belegte 18 Sekunden hinter Nibali Rang vier.
In der Gesamtwertung führt Nibali nun 15 Sekunden vor Bardet und 24 Sekunden vor Fuglsang sowie 40 vor Dumoulin und 54 vor dem Etappenfünften Rui Costa (Lampre-Merida). Boasson Hagen ist mit 1:16 Minuten Rückstand Sechster, der 21-jährige Australier Canty als bester Nachwuchsfahrer mit 1:31 Minuten Rückstand Siebter.
Bester Deutscher ist Buchmann, der die Etappe auf Rang 13 beendete und in der Gesamtwertung als Zwölfter nun 2:15 Minuten Rückstand hat. Sein österreichischer Teamkollege Patrick Konrad belebt mit 2:45 Minuten Rückstand Gesamtrang 15.