Vuelta-Kolumne - Das Graue Trikot

Was zählt, ist auf der Straße

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Was zählt, ist auf der Straße"

José Luis Rubiera (Astana)

Foto: ROTH

05.09.2008  |  Eine Handvoll Fahrer kommt noch ernsthaft in Frage für den Sieg in der Ãœ35-Wertung der diesjährigen Vuelta. Die Etappen vor dem ersten Ruhetag mögen nicht sonderlich schwer gewesen sein. Sie haben aber immerhin für eine deutliche Selektion gesorgt. Erik Zabel liegt schon fast eine halbe Stunde vor dem Letzten der "Senioren-Wertung.

Unfassbar. Da hieß es immer, der Zabel entwickelt sich mehr und mehr zum Allrounder. Man konnte es schon nicht mehr hören. Denn schließlich waren Stu O'Grady oder Oscar Freire in den vergangenen Jahren mindestens genauso stark am Berg wie der Ete. Das hat man bei der Vuelta 2004 gesehen, als die drei Sprinter in einer Ausreißergruppe über den Alto de Catí fuhren - der Deutsche kam als Letzter von den Dreien ins Ziel. Trotzdem behielt Zabel die Aura des Allrounders. "So wie Jalabert", höre ich manchen Experten noch raunen. Okay, Jaja hat mal die Vuelta abgeräumt und war Vierter bei Tour und Giro. Egal, der Vergleich klebte an Ete, ja, er hinkte förmlich an seiner Seite.

Auf seine (ganz) alten Tage werden die Spötter aber eines Besseren belehrt. Der erfolgreichste deutsche Klassiker-Jäger aller Zeiten ist Führender der Vuelta. Gut, er ist der Beste der Fahrer ab 35 Jahren. Aber immerhin. Mit Rückblick auf Chechu Rubieras Glanzzeiten sollte es undenkbar erscheinen, dass Zabel mal in der Vuelta vor ihm liegen könnte. Wie oft war Rubiera letzter Mann an Armstrongs Seite? Mindestens zweimal mit großen Folgen. Am Torumalet holte er 2003 erst Jan Ullrich zurück, dann rückte er seinen gestürzten Capt'n auf derselben Etappe hinauf nach Luz Ardiden wieder ins richtige Licht. Und beim zweiten Mal musste Lance ihn am Aufstieg nach Ax trois Domaine sogar bremsen, weil der Spanier ein Stück zu fix fuhr. Das hatte den Nachteil, dass Alex Winokurow und Ulle zu spät attackierten.

Und so ein Teufelskerl liegt nun gut eine Minute hinter dem Erik. Doll. Zwar dürften die kommenden Bergetappen eher für Chechu sprechen. Aber es sei daran erinnert, dass der Spanier - einst selbst ein Vueltasieg-Aspirant - inzwischen im eigenen Team noch maximal vierte Wahl ist. Wenn er viel arbeiten muss, könnte er am Ende sogar hinter Zabel ins Ziel kommen. Das wäre ein stückweit eine Vorentscheidung im Kampf ums Graue Trikot.

Aber auch Davide Rebellin sollte nicht unterschätzt werden. Tintin hat heute wieder ein paar Sekunden vom Rückstand aufs Graue abgeknabbert. Eigentlich kann er die Berge etwas besser erklimmen als Ete. Allerdings stellt sich die Frage, ob Tintin nicht auf halber Vuelta-Strecke aussteigt, um sich für die WM zu schonen. Auch Inigo Cuesta kann auf dem Papier schneller klettern. Aber was nützt "auf dem Papier"? Was zählt ist "auf dem Platz" oder vielmehr "auf der Straße". Und da muss Cuesta wahrscheinlich für Carlos Sastre schuften.

Ete Zabel wittert momentan die Chance seines Lebensabends (als Radsportler, versteht sich). Die Konkurrenten, die noch "dran" sind, haben unter Umständen zu viele andere Aufgaben, um sich dem Grauen Trikot mit angemessener Intensität zu widmen. Diejenigen, die auf eigene Kappe fahren könnten - etwa Bingen Fernandez und Jose Luis Arrieta -, haben schon einige Minuten gefressen und in dieser Saison noch nicht mit Großtaten geglänzt. Bei der Tour kam Arrieta ohnehin hinter Ete in Paris an.

Warum also an seinem Sieg in der Wertung Grau zweifeln? Ganz einfach: "Was zählt ist auf der Straße." Präziser: Auf der Straße nach Andorra. Es bleibt also spannend.

SN-Wertung Graues Trikot:

1. Ete Zabel
2. Tintin Rebellin + 0:08
3. Chechu Rubiera + 1:17
4. Inigo Cuesta + 1:26
5. Jose-Luis Arrieta + 6:30
6. Bingen Fernandez + 10:43
7. Michi Blaudzun + 10:57
8. Txente Garcia Acosta + 20:21
9. Gorazd Stangelj + 27:39

Etappensiege "Grau": Tintin (2), Ete (2), Blaudzun (1)

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