Teo Tigers Tour-Tagebuch - 10. Juli - 9. Etappe: Issoire - Saint-Flour

Der Sturz des Jahrhunderts

Von Teo Tiger

Foto zu dem Text "Der Sturz des Jahrhunderts"
Der kleine Tiger auf dem Weg nach - ja wohin denn nun? | Illustration: Janosch film & medien AG

11.07.2011  |  (Ra/ tt) - Was für ein dramatischer Abgang: Auf der Abfahrt vom Col du Pas de Peyrol einen ganzen Abhang hinuntergestürzt, von Kollegen geborgen und mit einem Oberschenkelhalsbruch abtransportiert. Das Aus für Alexander Winokurow, das ihm auf seiner Abschieds-Tour sicher keiner gewünscht hat. A propos: Zuallererst wünscht der Tiger natürlich gute Besserung.

Winos spektakulärer Sturz hat den Tiger gleich an einen der dramatischsten Stürze der Tour erinnert: Vor 60 Jahren wurde der Holländer Wim van Est auf der 13. Etappe bei seiner halsbrecherischen Abfahrt vom Col d’Aubisque aus einer Haarnadelkurve getragen, und stürzte 70 Meter tief in eine Schlucht.

Wim van Est war in den 50er Jahren einer der erfolgreichsten Radsportler der Niederlande. Vor seiner Renn-Karriere schmuggelte er per Fahrrad Zigaretten und Schnaps von Belgien nach Holland, und saß deshalb ein halbes Jahr im Gefängnis. Er hatte 16 (sic!) Geschwister; zwei Brüder, Piet und Nico, waren ebenfalls Radrennfahrer.

Zurück an den Aubisque, 17. Juli 1951: Der belgische Fotograf Piron klettert zu van Est hinunter, und findet ihn bis auf ein paar Schrammen unverletzt auf einem Felsvorsprung. Dort hatten ihn ein paar junge Bäume vor dem weiteren Sturz in die 300 Meter tiefe Schlucht bewahrt. Doch Wim steht unter Schock, und ist nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft zurück zur Straße zu klettern.

Mittlerweile ist der holländische Sportdirektor Kees Pellenaers an der Unfallstelle eingetroffen. Er beginnt, die Abschleppseile aus mehreren Wagen zu verbinden, um seinen Fahrer aus der Schlucht zu ziehen. Aber die Seile sind zu kurz, und guter Rat ist teuer. Schließlich werden nicht weniger als 40 Fahrradschläuche an die Seile geknotet, bis man Wim endlich erreicht. Der schlingt sich einen Schlauch um die Brust und beginnt mit Unterstützung des Fotografen vorsichtig den Aufstieg.

Oben angelangt, bekommt van Est erstmal einen Schnaps. Dann will er weiterfahren, sein erst am Vortag auf einer langen Flucht ergattertes Gelbes Trikot verteidigen. Das kann Sportdirektor Pellenaers nur mit ein paar weiteren Schnäpsen verhindern. Er muss van Est vor weiterem Unglück bewahren: Der Holländer hat außer ein paar belgischen Hügeln keine alpine Erfahrung. Einen weiteren Sturz hätte er wohl nicht überlebt; sicher ein zu hoher Preis für das Gelbe Trikot.

Mit dem "maillot jaune" vor 60 Jahren (übrigens das erste eines Holländers bei der Tour) hat van Est Winokurow etwas voraus: Das konnte der Kasache im Lauf seiner 13-jährigen wechselvollen Karriere nie erobern. Auch am Samstag waren mal wieder eine Gelb-Chance und ein Etappensieg drin; am Ende reichte es nur zu Rang 22. Und insgesamt gerade mal vier Etappensiege bei der Tour kann Winokurow verzeichnen (2010, zwei im Jahr 2005, 2003).

Die Siege 2007 im Einzelzeitfahren in Albi sowie zwei Tage später auf der 15. Etappe nach Loudenvielle wurden ihm ja leider, leider wegen Fremdblut-Doping aberkannt. Dass das fremde Blut nach dem Sturz auf der 5. Etappe in seinen Kreislauf gelangt sei (durch einen kurz zuvor am Unfallort geschlachteten Ochsen, wie in Radsport-Foren gespottet wurde), glaubte Wino die WADA nicht. Die ja sonst auch eher skurrilen Erklärungen durchaus mal Verständnis entgegenbringt, wie der Tiger weiß.

Aber vermutlich macht der 37-Jährige nach seinem unschönen Abgang nun doch weiter. Hat er nach seiner OP heute in einem Interview der Sportzeitung "Equipe" jedenfalls angedeutet. Der Tiger schlägt dann einen Wechsel zum Team Europcar vor. Dann hätte er zumindest das Grüne Trikot schon mal sicher. Und nochmal gute Besserung vom Tiger. Nix für ungut…

Das war's für heute. Vielen Dank, dass Sie bis hierher mitgelitten haben. Und klicken Sie auch übermorgen wieder rein, wenn Teo Tiger sich so seine Gedanken macht. Dann garantiert Sturz-frei. Versprochen.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

08.07.2013Kraftwerk: zehn Jahre „Tour de France“

(rsn/tt) – Als der kleine Tiger gestern mal wieder seine große Plattensammlung neu geordnet hat (sie war beim letzten Höhlen-Wechsel doch etwas durcheinander geraten), fiel ihm eine CD der Düssel

30.06.2013Porto Vecchio - Bastia: Ein Bus macht das Rennen

(rsn/tt) - Hey Tour-Fans! Der Tiger ist wieder los! Habt ihr mich schon vermisst? Ich euch auch, und zwar ziemlich... Ein Jahr musste ich wieder im Archiv verbringen - ein hartes Brot für ein Bewegun

22.07.2012Der Tour-Sieger 2013: Chris Froome

(rsn/tt) - Erinnern Sie sich? In Bagnères de Luchon, Startort der Etappe am Donnerstag, ging vor 15 Jahren ein 23-jähriger Deutscher auf die 10. Etappe seiner zweiten Tour de France. Der Tiger weiß

17.07.2012Nägel? Sonst nix?

(rsn/tt) – Fast wie in alten Zeiten, ging es dem Tiger am Sonntag durch den Kopf, als auf der Abfahrt von der „Mur de Péguère“ Teppichnägel und Reißzwecken auf die Straße lagen, und über 3

14.07.2012“Dave the Brave” gewinnt wieder

(rsn/tt) – Er kann´s also doch noch, dachte der Tiger gestern unwillkürlich, als David Millar im stolzen Rennfahrer-Alter von 35 Jahren den gleichaltrigen Jean-Christophe Peraud im Sprint in Annon

12.07.2012Eddy und das Taubenhaus

(rsn/tt) - „Der Grand Colombier gibt sein Tour-Debüt “, haben die Kollegen von rsn gestern getitelt, und auch auf Eurosport war immer wieder die Rede, dass der 1500 Meter hohe Jura-Col zum ersten

09.07.2012Bradley Wiggins: Less is More

(rsn/tt) – Wird auch Zeit, dachte sich der kleine Tiger am Samstag, als der große Bradley Wiggins bei der ersten Bergankunft der Tour im „Bett der schönen Mädchen“, äh sorry, auf dem harten

05.07.2012Abbéville - Rouen: Der Samurai und der Apfel

(rsn/tt) - Ein echter Samurai, dachte sich der Tiger, als der japanische Europcar-Profi Yukiya Arashiro gestern schon kurz nach dem Start zu einer Solo-Fahrt losbretterte. Zwar bekam er nur wenig spä

03.07.2012Visé - Tournai: Grüne Geschichten

(rsn/tt) – Uff. Das war der erste Tag der Sprinter, und der kleine Tiger war schon ganz aufgeregt. Schließlich ist er ja selbst ein großer Sprinter – wenn er auch mit seinen 60 km/h Spitze nicht

25.07.2011Cadel und sein Freund, der Schokoladenkuchen

(Ra/ tt) – Schon wieder drei Wochen rum, schoss es dem Tiger gestern durch die vom vielen Tour-Glotzen doch recht matschige Birne, als Cadel Evans in Paris vor dem Triumphbogen in Gelb triumphierte.

23.07.2011Enfin! Ein Franzmann am Berg der Holländer

(Ra/ tt) – Da musste sich Pierre Rolland doch ein paar Mal die Augen wischen (der Tiger hat´s genau gesehen) – vor allem, als ihn nach der Siegerehrung als erster Bernard Hinault herzte und gratu

16.07.2011Wartet El Contador auf ein Wunder?

(Ra/ tt) - Amen! So sei es… Nach 153 Kilometern kam das Feld gestern im Wallfahrtsort Lourdes an. Unauffällig wie ein Pilger versteckte sich Albert Contador einmal mehr im Peloton. Der Tiger hat ge

Weitere Radsportnachrichten

11.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

11.05.2024Highlight-Video der 8. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Die 8. Etappe des 107. Giro d´Italia hätte eine für kletterstarke Ausreißer sein können. Entsprechend groß war der Kampf um die Plätze in der Spitzengruppe zu Beginn und entsprechend

11.05.2024Geschke und Steinhauser beeindrucken in glückloser Gruppe

(rsn) – Zwei Deutsche haben die 8. Etappe des Giro d´Italia quer durchs Apennin in Richtung Bergankunft in Prati di Tivo maßgeblich mitgeprägt: Simon Geschke (Cofidis) und Georg Steinhauser (EF E

11.05.2024Flachetappe in die Hauptstadt der Pizza-Liebhaber

(rsn / ProCycling) – Die Verbindung der Rennorganisatoren RCS mit Neapel scheint in den letzten Jahren besonders eng geworden zu sein. Zum dritten Mal in Folge schlägt der rosa Zirkus seine Zelte i

11.05.2024Teamkollegen überredeten Pogacar, im Apennin auf Sieg zu fahren

(rsn) - Normalerweise sagt im Radsport der Kapitän, wann und wie er auf Sieg fahren will. Das ist sicher auch bei Tadej Pogacar und seinem UAE Team Emirates so. Mit dem Unterschied, dass die Mannscha

11.05.2024Sturz in Spitzengruppe raubte Santic - Wibatech die Siegchance

(rsn) - Bei der Silesian Classic (1.2), einem neuen UCI-Eintagesrennen in Polen, hätte sich das deutsche Team Santic - Wibatech beinahe den Premierensieg gesichert. Nach 160 Kilometern fuhren die be

11.05.2024Fleche du Sud: Rüegg auf Podiumskurs, Rapp und Peter lauern

(rsn) - Das 18,6 Kilometer lange Einzelzeitfahren am Vorschlusstag des Fleche du Sud (2.2) hat nur wenig Veränderungen im Gesamtklassement gebracht. So geht weiterhin der Niederländer Pim Ronhaar (

11.05.2024Martinez hatte den Sieg vor Augen, bis Pogacar antrat

(rsn) – Mit dem Tagessieg bei der Apennin-Bergankunft in Prati di Tivo hat es für Bora – hansgrohe auf der 8. Etappe des Giro d´Italia nicht geklappt. Überflieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirat

11.05.2024Thomas “überrascht, dass andere abgehängt wurden“

(rsn) – Zwei Minuten Zeitverlust auf Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) im Einzelzeitfahren am Freitag: Die Aussichten für Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) vor der zweiten Bergankunft des 107. Giro

11.05.2024Großschartner: “Der Etappensieg war eigentlich nicht unser Ziel“

(rsn) – Das Finale der 8. Etappe des Giro d’Italia (2.UWT) ging Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) eher gemächlich an. Statt einer frühen Attacke verließ sich der Slowene auf seine Sprintqualit

11.05.2024Pogacar holt Etappensieg Nr. 3, diesmal im Sprint am Berg

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat einen Tag nach seinem zweiten Etappensieg beim 107. Giro d’Italia gleich den dritten nachgelegt. Auf der 8. Etappe von Spoleto zur Bergankunft von Pra

11.05.2024Nys lässt Hirschi und Co. im Bergaufsprint keine Chance

(rsn) – Thibau Nys (Lidl – Trek) hat bei der Ungarn-Rundfahrt seinen zweiten Etappensieg in Folge gefeiert. 24 Stunden nachdem der 21-jährige Belgier an der Bergankunft von Gyöngyös-Kékestö d

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour de Hongrie (2.Pro, HUN)