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12.01.2015 | (rsn) – Eine große Party wollte sich Jessica Lambracht (Stevens Racing Team) nach ihrem Titelgewinn bei den deutschen Crossmeisterschaften nicht erlauben. „Es geht ja jetzt auf die WM zu. Da kann ich ja nicht allzu viel feiern“, erklärte die 19-Jährige radsport-news.com. Gemeinsam mit ihrem Freund Silvio Herklotz sei sie nach dem Sieg zwar in Leipzig Essen gegangen. „Da haben wir mit Sekt angestoßen, aber dann ging es nach Hause.“
Zuhause, das ist für die gebürtige Hildesheimerin inzwischen Berlin-Köpenick, wo sie mit Herklotz zusammengezogen ist. Nach ihrem Abitur im vergangenen Frühjahr konzentrierte sie sich über den Sommer voll aufs Rad-Training und begann schließlich eine Lehre im Berliner Fahrradgeschäft Rad-Kreuz. „Mein Chef war heute auch an der Strecke“, berichtete sie.
In Borna durfte der seine Mitarbeiterin weinen sehen. Schon auf der Zielgeraden standen Lambracht nach 40 für sie fast perfekt verlaufenen Minuten Tränen in den Augen. Und als bei der Siegerehrung die Nationalhymne ertönte, ließ die neue Deutsche Meisterin ihren Gefühlen freien Lauf. „Ich habe die Tränen nicht zurückgehalten. Ich stand da oben und mir zu Ehren wurde die Hymne gespielt. Da dachte ich: 'Jetzt kann ich meine Emotionen herauslassen, das habe ich mir verdient'“, so Lambracht, die lachend hinzufügte: „Es gibt jetzt ein paar wunderschöne Bilder auf Facebook.“
Für Lambracht war der Titelgewinn die Erfüllung eines noch gar nicht geträumten Traumes. „Ich habe vorher mal dran gedacht, wie es ist, wenn man den Titel holt“, sagte sie. „Aber ich habe mich nie getraut, diesen Traum zu träumen.“ Das Ziel war angesichts des starken Starterfeldes – aus der deutschen Cross-Spitze fehlte einzig die derzeit in Babypause befindliche Elisabeth Brandau – ein Podestplatz. „Weil ich in dieser Saison nie gegen Hanka Kupfernagel oder Sabine Spitz gefahren bin und auch Lisa Heckmann da war, wusste ich nicht, wer von uns vieren aufs Podium kommen würde.“
Am Ende war Lambracht über 40 Minuten mit Abstand – genau genommen um 53 Sekunden – die Stärkste. Die 19-Jährige verwies Teamkollegin Lisa Heckmann und Mountainbike-Olympiasiegerin Sabine Spitz auf die Plätze und machte so gut wie keine Fehler auf dem schweren Parcours von Borna. Später berichtete sie, dass an ihrer Leistung auch Stölting-Fahrer Herklotz, selbst am Samstag Dritter im U23-Rennen, einen großen Anteil hatte.
„Er hat mich vor und nach dem Rennen betreut und wir haben uns am Morgen die Strecke nochmal zusammen angeschaut, weil sie jeden Tag anders war. Da hat er mir gesagt: ‚Fahr da und da‘. Das hat dann super funktioniert“, erklärte Lambracht. Während des Rennens sprang der 20-Jährige kreuz und quer im Wald umher, um seine Freundin möglichst häufig an unterschiedlichen Stellen anfeuern zu können und ihr Zwischenstände durchzugeben. Zahlenmäßig waren ansonsten diejenigen in der Überzahl, die Verfolgerin Heckmann anfeuerten.
Auf der Schlussrunde schließlich sei Herklotz es auch gewesen, der ihr versicherte, dass es zum Sieg reichen würde. „Silvio hat mir zugerufen, dass ich es genießen soll und dass ich sie alle geschlagen habe“, erinnert sich Lambracht an die letzten Minuten des Rennens, als sie mit großem Vorsprung dem Sieg entgegenfuhr. „Das ist einfach nur geil, weil man es so richtig genießen kann. Man weiß, dass man sich nur noch konzentrieren muss, keinen Fehler zu machen.“
Während Herklotz‘ Ratschläge sportlicher Natur sind, mischt sich Lambrachts Mutter Bettina, die 6:24 Minuten nach der 19-jährigen Tochter Platz 14 belegte, nicht mehr viel ein und unterstützt genau wie ihr Vater eher seelisch-moralisch. „Sie freut sich über meine Leistungen und es ist auch okay, wenn es nicht läuft. Aber sie weiß, dass ich bei Silvio in besten Händen bin.“
Die Entscheidung, schon früh im Rennen in die Offensive zu gehen, traf Lambracht während des Rennens aber ganz alleine. Bei der Taktik-Planung sei sie trotz der schlechten Startplätze von Kupfernagel und Spitz davon ausgegangen, dass die beiden Routiniers das Rennen bestimmen würden.
„Ich dachte, dass sie in der Startphase nach vorne kommen und ich mich an eine der beiden ranhängen und festbeißen muss. Aber so kam es nicht, und dann wollte ich nicht einfach rumtaktieren, sondern habe mir gedacht: Gut, dann mache ich das Rennen von Anfang an schwer und die anderen müssen schauen, wie sie an mich herankommen“, sagte sie.
Im Sommer will Lambracht beim Team Maxx-Solar auf der Straße den nächsten Schritt nach vorne machen und visiert sogar bereits Podestplätze oder einen Sieg in einem Bundesligarennen an. Doch zuvor geht es ins tschechische Tabor zu den Cross-Weltmeisterschaften. Sie hofft, nach Platz 23 im Vorjahr, am 31. Januar auf ein Top-20-Resultat. „Das wäre der Hammer“, meinte sie und verwendete dann die typische Aussage jedes frischgebackenen Landesmeisters: „Ich habe jetzt einen Titel in der Tasche. Alles Weitere ist eine Zugabe.“