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23.09.2022 | (rsn) - Am Samstag ist der Tag der Frauen bei den Straßen-Weltmeisterschaften von Wollongong: Früh am Morgen um 8 Uhr Ortszeit (0 Uhr MESZ) starten die Juniorinnen in ihr 67,2 Kilometer langes Rennen über vier Runden auf dem bereits bekannten Rundkurs über den Mount Pleasant und knappe viereinhalb Stunden später geht es für die Elite in Helensburgh los.
Für sie steht mit 164,3 Kilometern das längste WM-Straßenrennen der Geschichte an – eingeläutet durch eine 27 Kilometer lange Anfahrt zur ersten Zielpassage in Wollongong und anschließend einer knapp 35 Kilometer langen Schleife über den 473 Meter hohen Mount Keira. Nach 62 Rennkilometern geht es dann auf die sechs Schlussrunden über den kurzen aber steilen Mount Pleasant. Insgesamt sollen dabei 2.433 Höhenmeter zu bewältigen sein, die Zielankunft der Elite ist für etwa 17 Uhr Ortszeit (9 Uhr MESZ) geplant.
Juniorinnen
Eine klare Top-Favoritin steht dem Straßenrennen der Juniorinnen vor: Zoe Backstedt. Die britische Titelverteidigerin war in diesem Jahr die klare Überfliegerin der Szene – und das sogar disziplinübergreifend auf der Straße und im Gelände. Wer ins Regenbogentrikot will, muss am Geburtstagskind vorbei: Backstedt wird am Samstag 18 Jahre alt.
Um ihr die Favoritinnenrolle abzusprechen, ist der Kurs nicht schwer genug. Denn nur wenn es wirklich lange, harte Anstiege hinaufging, schien die Britin bisher schlagbar. An 16 Renntagen in ihrer internationalen Straßensaison hat sie acht Tageserfolge eingefahren und im Einzelzeitfahren am Dienstag war sie mit 1:36 Minuten Vorsprung auf die Zweitplatzierte Justyna Czapla aus Deutschland auf nur 14 Kilometern wie auf einem anderen Planeten unterwegs.
Czapla wiederum ist die große deutsche Hoffnungsträgerin und je nach Rennkonstellation erneut gut für eine Medaille. Sowohl die in Polen geborene und bei Nürnberg aufgewachsene Deutsche als auch die britische Top-Favoritin stehen aber vor großen Herausforderungen. Denn die Teams aus Frankreich, Italien und der Niederlande sind in der Breite bärenstark, so dass ihre Spitzenfahrerinnen taktisch im Vorteil sind.
Frankreich wird dabei von der im Nation's Cup in diesem Jahr zweitstärksten Fahrerin Eglantine Rayer angeführt, hat mit Alizee Rigaux aber noch ein zweites Ass im Ärmel und auch Lisa Menage sollte man beachten. Die Niederländerinnen haben Nienke Vinke und Anna van der Meiden als Köpfe, doch wie es sich für eine weibliche Oranje-Nationalmannschaft gehört, haben alle fünf Starterinnen Medaillen-Potential.
Und ähnliches gilt auch für die Italienerinnen, die fast schon aus Tradition bei den Juniorinnen bärenstark sind – auch wenn man sie im Nation's Cup dieses Jahr nicht allzu viel zu Gesicht bekam. Eleonora Ciabocco war im Vorjahr Neunte und hinter Backstedt sowie Rayer somit die drittstärkste des damals jüngeren Jahrgangs. Sie wurde im Sommer in Abwesenheit von Backstedt außerdem Vize-Europameisterin hinter Rayer und hat sich seitdem voll aufs WM-Straßenrennen konzentriert. Doch auch Gaia Segato, Federica Venturelli und Francesca Pellegrini können ein Spitzenergebnis erzielen.
Klassischerweise schwer einzuschätzen ist das Leistungsvermögen der im internationalen Vergleich so gut wie gar nicht aufgetretenen Übersee-Fahrerinnen aus den USA oder aus Australien. Im Zeitfahren aber spielten sie kaum eine Rolle.
U23 Frauen
Es ist kein eigenständiges Rennen, aber eben doch der Kampf um ein Regenbogentrikot: Erstmals wird am Samstag auch eine U23-Straßenweltmeisterin gekürt. Siegerin ist diejenige, die von allen nach dem 1. Januar 2000 geborenen Frauen im Elite-Rennen als erste ins Ziel kommt. 36 der 129 Starterinnen im Eliterennen gehören zu dieser Kategorie – darunter auch die im Zeitfahren der U23 schon mit Bronze geschmückte Ricarda Bauernfeind aus Eichstätt.
Sie gehört zu den Titelkandidatinnen, muss aber in erster Linie Helferdienste für Liane Lippert verrichten. Inwiefern sie dann auch noch auf das eigene Ergebnis schauen kann, bleibt abzuwarten. Im deutschen Team startet außerdem Franziska Koch als U23-Fahrerin, aber auch sie wird vor allem arbeiten müssen.
Top-Favoritin ist auf dem Papier die Niederländerin Shirin van Anrooij, die in dieser Saison auch souverän die Nachwuchswertung der Women's WorldTour anführt. Wie viele Freiheiten sie aber bekommt, wenn ihre Teamkolleginnen um den Elite-Titel kämpfen, bleibt genauso abzuwarten wie bei nahezu allen anderen Youngstern im Starterinnenfeld.
Titelkandidatinnen wären auf dem Papier bei freier Fahrt auch die Belgierin Julie De Wilde, die Französinnen Marie Le Net und Jade Wiel, die Italienerinnen Vittoria Guazzini und Silvia Zanardi, die Schwedin Julia Borgström und vor allem die Britinnen Anna Shackley und Pfeiffer Georgi sowie die Neuseeländerin Niamh Fisher-Black.
Frauen Elite
Die große Top-Favoritin Annemiek van Vleuten ist nach ihrem Sturz in der Mixed Staffel schwer angeschlagen und wird erst kurz vor dem Start über ihre Teilnahme entscheiden. Der finale Rundkurs von Wollongong ist ihr nicht auf den Leib geschneidert, doch alle Welt rechnet mit einem Angriff von ihr am Mount Keira. Und wer gewinnt, hängt dann vor allem davon ab, wie die erste Verfolgerinnengruppe zusammengesetzt ist und harmoniert – alles vorausgesetzt, Van Vleuten spürt ihre Ellenbogenfraktur nicht allzu sehr.
Doch auch wenn die Giro-, Tour- und Vuelta-Siegerin nur für Helferdienste genug Kraft hat oder sogar ganz auf den Start verzichten muss, sind die Niederländerinnen einmal mehr das Team, das es zu schlagen gilt. Denn Demi Vollering könnte einspringen – ihr liegen die kurzen Anstiege des finalen Rundkurses. Und als drittes Ass steht Marianne Vos am Start, die versuchen wird, sich vorne festzubeißen, um schließlich im Sprint eines dezimierten Feldes zu gewinnen.
Dass aber eine allzu große Gruppe im Ziel ankommt, halten wenige für wahrscheinlich. Zu groß ist das Interesse an einem schweren Rennen bei der Konkurrenz: Italien könnte zwar auch auf die Sprintstärke von Titelverteidigerin Elisa Balsamo setzen, dürfte mehr Hoffnung auf den Titel aber über Offensive mit Elisa Longo Borghini und Silvia Persico hegen.
Und sicherlich wollen auch Cecilie Uttrup Ludwig für Dänemark, Katarzyna Niewiadoma für Polen oder Grace Brown für Australien und Juliette Labous für Frankreich sowie die Spanierin Mavi Garcia und natürlich die deutsche Hoffnungsträgerin Liane Lippert ihre Kletterfähigkeiten in einem möglichst schweren und harten Rennen ausspielen.
Da der Kurs aber nicht nur etwas für Klettererinnen ist, machen sich auch Kristen Faulkner für die USA, Belgiens Lotte Kopecky, die Britin Anna Henderson, die Australierin Alexandra Manly, die Kanadierin Alison Jackson, die Schweizerinnen Elise Chabbey und Marlen Reusser sowie die kubanische Einzelstarterin Arlenis Sierra berechtigte Hoffnungen auf Edelmetall – alles hängt davon ab, wie hart die Bergfahrerinnen am Mount Keira vorlegen, wie herzhaft sie später am Mount Pleasant attackieren und wie einig sie anschließend auf den Runden durch Wollongong durchziehen.
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