Judiths Sporternährungs-Blog - Nummer drei

Ist Intervall-Fasten gut für ambitionierte Sportler/innen?

Von Judith Haudum

Foto zu dem Text "Ist Intervall-Fasten gut für ambitionierte Sportler/innen?"
| Foto: sportnutrix.com

10.02.2021  |  Zwei Beiträge hat die Sport- und Ernährungs-Wissenschaftlerin Judith Haudum bisher auf radsport-news.com veröffentlicht; jetzt wird ein regelmäßiger Blog daraus. Die Gründerin des Beratungs-Instituts "sportnutrix" in Hallein im Salzburger Land arbeitet mit dem Österreichischen Radsport-Verband, diversen UCI-WorldTour- und Women's-WorldTour-Fahrer/innen sowie weiteren Sportverbänden. Judith wird nun alle zwei Wochen über neue Erkenntnisse aus der Sporternährung berichten. Heute geht es um das Trend-Thema Intervall-Fasten.

„Judith, was hältst du vom Intervall-Fasten? Ein Vereins-Kamerad hat das in den letzten Wochen ausprobiert und gesagt, er hat schon einiges an Gewicht verloren - und er fühlt sich super am Rad.“ Mit solchen und ähnlichen Fragen werde ich seit einiger Zeit regelmäßig konfrontiert in der Arbeit mit meinen Sportler/innen.

Intervall-Fasten hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen.
Immer wieder liest man von erfolgreichem Gewichtsverlust, auch bei Athlet/innen. Und viele, die es empfehlen, sagen, dass es zudem gut für die Gesundheit sein soll.

Gewicht verlieren ist nicht einfach - besonders, wenn man bereits recht schlank ist und nicht mehr viel Fett am Körper hat. Intervall-Fasten scheint auch deswegen für viele eine interessante Methode zu sein - und weil sie sich von anderen Diäten deutlich unterscheidet: Sportler/innen suchen immer nach neuen Ideen...

Beim Intervall-Fasten gibt es viele unterschiedliche Formate.
Man kann an ganzen Tagen intermittierend fasten: Auf einen Fastentag folgt ein Tag, an dem normal gegessen wird. Dann kann man die Energiezufuhr an einem Tag auf wenige Stunden beschränken; ziemlich weit verbreitet ist dabei das 16:8 Format. Es wird 16 Stunden gefastet und acht Stunden lang kann Energie aufgenommen werden. In der weniger strengen Variante darf zehn Stunden lang gegessen werden kann, in einer strikten Version ist die Energieaufnahme auf nur sechs Stunden beschränkt.

Die ersten und bisher auch die meisten Studien zum Intervall-Fasten sind bei Übergewichtigen und Menschen mit diversen chronischen Erkrankungen durchgeführt worden. Eine Analyse ihres Essverhaltens zeigte, dass diese Menschen den Großteil ihrer Kalorien nach 12 Uhr aufgenommen haben, viel davon erst am Abend. Oft lagen die ersten und letzte Energieaufnahme 14 oder 15 Stunden auseinander - mit negativen Auswirkungen auf den Stoffwechsel, u.a. bei der Blutzucker-Kontrolle, und auch auf Körpergewicht und -zusammensetzung.

Wichtige Erkenntnisse, die in den letzten Jahren
gefunden wurden - auch für aktive Menschen. Schließlich wollen auch Athlet/innen gesund sein. Was bedeutet das nun für Sportler/innen? Ist Intervall-Fasten gut - für das Gewicht, und für den Körper?

Leider gibt es hier keine allgemein richtige Antwort. Haupt-Problem: Wir haben alle einen unterschiedlichen Tagesablauf. Ein Beispiel: Ein Leistungssportler, der am Tag mehrere Stunden trainiert und einige intensive Trainingstage hintereinander am Programm hat. Dieses Training, das über mehrere Stunden läuft, bedeutet einen hohen Energieverbrauch, der gedeckt werden muss.

Steht der Sportler um 7/30 Uhr auf und isst
sein Frühstück, dann hätte er mit der 16:8-Variante bis 15/30 Zeit, Energie aufzunehmen - ein sehr kleines Fenster! Wenn das Training um neun Uhr losgeht und bis 13.30 dauert, bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu essen. Und es ist auch nur beschränkt Zeit, die Regeneration zu unterstützen: Die dauert gut zwei Stunden, bis über 15.30 Uhr hinaus.

Kürzlich kam ein Sportler zu mir, der Intervall-Fasten ausprobiert hatte: Er hat manchmal zweimal täglich trainiert und dann nach 16 Uhr nichts mehr gegessen. Das bedeutete, dass er das zweite Training ohne Energie-Zufuhr absolviert, und auch anschließend nichts mehr gegessen hat. Sein Körper war so bis zum Frühstück am nächsten Tag im Defizit.

Anfangs war der Erfolg da, aber das blieb nicht lange so.
Bald machte sich das Fasten nach seinem Schema in Leistung und in Gesundheit bemerkbar: Neben Schlafstörungen kam es zu Leistungsabfall, Müdigkeit, Schweißausbrüchen in der Nacht, häufigen Infekten und nach anfänglichem Gewichtsverlust sogar zu Gewichtszunahme - durch Wassereinlagerungen.

Warum? Das restriktive Essen stellt Sportler vor zwei Herausforderungen:  Training und Regeneration optimal unterstützen, und den Energiebedarf abdecken. Auch wenn manches in wissenschaftlichen Studien vielversprechend scheint, muss man immer auch ansehen, mit wem die Studien gemacht wurden.

Das waren keine Leistungssportler/innen,
die Probanden dieser Studien hatten andere Voraussetzungen und andere Ziele. Leistungssportler und ambitionierte Hobbysportler sollten sich daher zuerst die Frage stellen, ob diese Diät-Form für sie sinnvoll ist. Vor allem das 16:8-Format ist sehr restriktiv, und auch für alle, die keine Leistungssportler sind, nicht einfach umzusetzen.

Für Freizeit-Sportler/innen ist Intervall-Fasten sogar noch herausfordernder in Sachen Timing: Oft starten sie früh in die Arbeit, das Frühstück ist dann um 6.30 oder 7 Uhr. Damit rückt auch die letzte Energiezufuhr in den frühen Nachmittag. Will man dann nach der Arbeit noch trainieren, ist das fast unmöglich.

Ein etwas weniger restriktiver Ansatz,
zum Beispiel 14:10 oder 12:12 (Fasten : Essen) gäbe Sportler/innen schon mehr Möglichkeiten, im und rund ums Training Energie aufzunehmen. Damit kann man in vielen Fällen auch die Regeneration gut unterstützen. Die falsche Diät-Form verhindert nicht nur, dass die Regenerationszeit verlängert wird, sie erschwert zudem, dass ausreichend Energie aufgenommen wird.

Dabei geht es nicht um wenige Kalorien Defizit. Wenn jemand die strikten Varianten wählt, bleibt wenig Zeit, um den Tagesbedarf abzudecken. Trainiert man viel und verbraucht viel Energie, wird es schwierig, den Energie- und Nährstoff-Bedarf nur annähernd zu decken. Das Defizit ist dann häufig viel zu groß, und äußert sich schon nach einigen Tagen mit unerwünschten Nebenwirkungen und Leistungsabfall.

Geht es um die Frage, ob Intervall-Fasten positiv
auf die Ausdauerleistung wirkt: Dafür gibt es bisher keine Anzeichen. Die Gründe ergeben sich aus den Aspekten, die ich bereits erwähnt habe: Unzureichende Energiezufuhr, lange Erholungszeit, schlechter Schlaf. Auch das Risiko einer Dehydrierung ist gegeben, da das Wiederauffüllen des Flüssigkeitshaushalts einige Zeit dauert - und es überschneidet sich dann meist mit der Zeit, in der gefastet wird. Nicht zu vergessen leidet auch die Muskulatur unter der fehlenden Energiezufuhr.

Ist Intervall-Fasten für Sportler/innen also sinnvoll? In manchen Fällen ja, unter manchen Gegebenheiten ja. Vor allem die Varianten 14:10 und 12:12, also 14 bzw zwölf Stunden fasten, sind auch für Freizeit-Sportler/innen machbar. Aber bei sportlich sehr aktiven Personen, vor allem im 16:8-Format und bei Leistungssportler/innen, sind meiner Meinung nach die Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen des Intervall-Fastens größer als die Benefits.

 

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