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13.03.2022 | (rsn) – Mit einer Attacke am Col d’Eze 19 Kilometer vor dem Ziel hat sich Simon Yates (BikeExchange – Jayco) im verregneten Nizza nach 115 Kilometern die letzte Etappe von Paris-Nizza gesichert und zwischenzeitlich im Kampf um das Gelbe Trikot nochmals für Spannung gesorgt. Primoz Roglic (Jumbo – Visma) nämlich konnte dem Briten nicht folgen und musste um den Gesamtsieg noch bangen. Letztlich konnte sich der Slowene bei seinem Teamkollegen Wout Van Aert bedanken, der den zwischenzeitlich auf fast 30 Sekunden angewachsenen Rückstand mit Roglic im Schlepptau auf letztlich neun Sekunden reduzieren konnte.
Der Belgische Meister wurde nach 115 Kilometern schließlich Zweiter vor Roglic, der offensichtlich am Ende seiner Kräfte war und im Ziel auf der Promenade des Anglais einige Zeit durchschnaufen musste. Sören Kragh Andersen (DSM) gewann 1:44 Minuten hinter Yates den Sprint der ersten Verfolgergruppe vor Brandon McNulty (UAE Team Emirates) und Stefan Küng (Groupama - FDJ) .
Im vergangenen Jahr war Roglic im Gelben Trikot auf der Abschlussetappe gestürzt und vom ersten auf den 15. Platz des Schlussklassements zurückgefallen. Diesmal hatte er im entscheidenden Moment keine guten Beine. “Scheinbar geht es nicht ohne ein wenig Drama. Es war wieder superschwer“, erzählte der dreimalige Vuelta-Champion im Ziel-Interview, nachdem das Gelbe Trikot mit 29 Sekunden Vorsprung auf den Tagessieger gerettet hatte.
Roglic: “Wout ist halb Mensch und halb Motorrad"
Das Podium komplettierte der Kolumbianer Daniel Felipe Martinez (Ineos Grenadiers / +2:37), der einen starken Eindruck hinterlassen, aber wegen eines Defekts im Finale den Anschluss an die Spitzengruppe verloren hatte. Gesamtvierter wurde Adam Yates (Ineos Grenadiers / +3:29) vor Nairo Quintana (Arkea – Samsic / +3:43).
“Ein Riesendank an mein gesamtes Team und vor allem Wout“, sagte ein sichtlich erleichterter Roglic. “Wout ist halb Mensch und halb Motorrad. Wout kann alles!“, fügte er lachend an. Am Col d’Eze, dem letzten Berg des Tages, musste Van Aert sogar mehrmals das Tempo drosseln, um seinen Kapitän nicht abzuhängen.
“Ich habe mich definitiv nicht stark genug gefühlt. Es war zu steil, ich habe mich wirklich gequält, um den Zeitverlust zu limitieren“, gestand Roglic. “Wout hatte einen Supertag. Er war eine enorme Hilfe, er hat mich bis zum Ziel mitgeschleppt“, so der 32-Jährige im Ziel, wo er auch von seiner Familie empfangen wurde. “Dass es mein Heimrennen ist, hat es heute nicht einfacher gemacht. Aber ich bin jetzt sehr glücklich“, meinte Roglic abschließend.
Simon Yates mit Platz zwei zufrieden
Uneingeschränkt zufrieden mit dem Tagessieg und Rang zwei im Klassement war Simon Yates. Schon kurz nach dem Rennen sah der 29-Jährige im Gegensatz zu den völlig ausgepumpten Roglic und Van Aert wieder sehr frisch aus. “Ich wollte heute nur die Etappe gewinnen, in der Gesamtwertung lag ich sowieso schon zu weit hinten“, erzählte Yates munter.
Zwischenzeitlich fehlten ihm aber nur noch 15 Sekunden bis zum Gelben Trikot. “Im Hinterkopf war der Gesamtsieg da natürlich schon. Ich wusste aber auch, dass so ein kleiner Fahrer wie ich in der Abfahrt viel Zeit verlieren wird“, so Yates, der Recht behalten sollte.
Während anderen Fahrern schon unterwegs die Folgen von Kälte und Nässe anzusehen waren, bereitete dem Kletterspezialisten das Wetter keine Probleme. “Ich bin hier früher schon im Regen gefahren, ich war gut vorbereitet. Mir war warm“, grinste er.
Vlasov gestürzt, kein Bora-Fahrer im Ziel
Mit einer großen Enttäuschung endete Paris-Nizza für Bora – hansgrohe. Kapitän Aleksandr Vlasov, vor dem Start noch Gesamtsiebter, musste das Rennen nach einem Sturz aufgeben. “ Er erlitt mehrere Schürfwunden und Prellungen“, meldete das deutsche Team auf Twitter. Auch Sam Bennett, Ryan Mullen und Danny van Poppel sahen das Ziel nicht, womit kein Bora-Profi in Nizza ankam.
Bester deutscher Fahrer war erneut Georg Zimmermann (Intermarché – Wanty – Gobert). Der 24-jährige Augsburger wurde 24. und beendete die Fernfahrt auf Position 23. Einen erstklassigen Tag erwischte Zeitfahr-Europameister Küng, der die Bergetappe bei seinem Lieblingswetter zeitgleich mit dem Vierten beendete. Im Schlussklassement reichte es für den Schweizer zu Platz 21.
Das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers verteidigte Joao Almeida (UAE Team Emirates), der wie an den Vortagen schnell zurückfiel, sich letztlich aber achtbar schlug. Grün ging an Van Aert, der seinen Vorsprung auf Mads Pedersen (Trek – Segafredo) noch ausbauen konnte. Das Bergtrikot blieb auch nach dem letzten Tag auf den Schultern von Valentin Madouas (Groupama – FDJ).
So lief das Rennen:
Auf der kürzesten Etappe von Paris-Nizza wurde trotz regnerischen und kalten Wetters vom Start weg sehr hohes Tempo eingeschlagen. Trotz vieler Versuche konnte sich lange Zeit kein Fahrer absetzen. So gewann aus dem Feld heraus Quentin Pacher (Groupama – FDJ) die ersten beiden Bergwertungen des Tages, die dritte ging an Rohan Dennis (Jumbo – Visma). Van Aert holte sich kampflos den ersten von zwei Zwischensprints.
50 Kilometer vor dem Ziel erhöhte Ineos Grenadiers an der Côte de Peille (1.Kat.) die Schlagzahl. Das bis dahin von Jumbo - Visma angeführte und bereits deutlich geschrumpfte Feld verlor schnell die Hälfte seiner rund 40 Fahrer. Zwei Kilometer später griff Martinez mehrmals an und setzte sich schließlich mit Van Aert, Roglic, Yates und Quintana ab. Adam Yates, McNulty und Andreas Leknessund (DSM) bildeten die erste Verfolgergruppe, die allerdings später von anderen Fahrern eingeholt wurde.
Van Aert sicherte sich kampflos die zehn Bergpunkte, der Zwischensprint samt Bonussekunden auf der Abfahrt ging an Yates. 32 Kilometer vor dem Ziel fiel Martinez mit einem platten Hinterreifen aus der Spitzengruppe. Der Kolumbianische Zeitfahrmeister büßte hierbei 45 Sekunden ein und wurde schließlich von der Verfolgergruppe gestellt.
Am Col d‘Eze (1.Kat.), dem Hausberg von Nizza, griff dann Yates 19 Kilometer vor dem Ziel an und löste sich von seinen drei Begleitern. Auf der Verfolgungsjagd musste Quintana zwei Kilometer später passen, Roglic hatte große Probleme, Van Aerts Tempo zu folgen. An der Spitze des Col d’Eze betrug Yates‘ Vorsprung 25 Sekunden.
Doch in der Abfahrt verlor er Sekunde um Sekunde gegen das Jumbo-Duo, bei dem Van Aert sich weiterhin vor seinen Kapitän spannte und den Rückstand auf nur noch acht Sekunden reduzierte. Doch Yates behauptete auf den letzten beiden Kilometern seinen knappen Vorsprung und feierte so einen ersten Saisonsieg vor Van Aert und Roglic.