Etixx-Duo schreibt Tour-Geschichte

Martin: "Man muss auch mal verrückte Sachen wagen!"

Von Joachim Logisch aus Bern

Foto zu dem Text "Martin:
Tony Martin (links) und Julian Alaphilippe! Erstmalig in der Tourgeschichte werden zwei Fahrer gleichzeitig als kämpferischste Fahrer ausgezeichnet. Foto: Cor Vos

19.07.2016  |  (rsn) - Sie kamen als letzte ins Ziel und wurden gefeiert wie der Sieger! Tony Martin und Julian Alaphilippe aus dem Team Etixx-Quick-Step!

Beide wurden als kämpferischste  Fahrer ausgezeichnet. Zwei Fahrer in einer Etappe, beide aus einer Mannschaft. Das ist einmalig in der über hundertjährigen Geschichte der Tour der France! 170 km der 209 Kilometer zwischen Moirans-En-Montagne und Bern in der Schweiz war das Duo bei zuletzt über 30 Grad Hitze alleine an der Spitze unterwegs gewesen.

Eine verrückte Aktion, das gab auch Tony Martin zu: "Ja, es war sicher crazy, aber nicht aussichtslos. Man muss auch mal verrückte Sachen wagen, um etwas Besonderes zu schaffen!“

Geplant war diese Zweier-Attacke bis fast ins Ziel nicht. "Die ist durch Zufall entstanden. Man kann nicht planen, zu zweit mit einem Teamkollegen auszureißen. Gerade auf einer Flachetappe. Wir wussten, dass es heute eine sehr umkämpfte Ausreißergruppe geben würde. Wir wollten dabei sein. Dann waren wir plötzlich zu zweit alleine.“

Zunächst hatten Martin und Alaphilippe noch die Hoffnung auf Verstärkung.Martin zu radsport-news.com: "Wir sind auf Halten gefahren und haben geschaut, was sich hinten noch für eine Situation ergibt. Es war zwar eine Viermanngruppe hinter uns. Die war aber nicht so stark, dass sie wirklich näher gekommen wäre.“

Daran war er aber selbst schuld, wie Vegard Breen (Fortuneo), einer der vier Verfolger, mit einem Augenzwinkern erklärte: "Als ich in der Verfolgung war, hörte ich über Funk, dass einer der beiden Ausreißer schon gestern in der Spitzengruppe (Alaphilippe, d. Red.) war. Also dachte ich: Die sind eigentlich nur 1,5 Fahrer und wir zu viert. Das wird einfach. Dann bekamen wir die Nachricht, dass der andere Fahrer Tony Martin wäre. Plötzlich war es nicht mehr 1,5 gegen 4, es war 8 gegen vier. Es war einfach nicht fair."

Martin und Alaphilippe diskutierten mit ihren Teamchefs, was sie machen sollten. "Es ging hin und her, dann haben wir uns gesagt, wir probieren es einfach und schauen, was passiert.“ Dabei glaubten sie fest daran, dass sie auch durchkommen könnten. Martin: "Wir wussten, dass wir eine Chance haben werden, wenn die anderen Teams zocken und nicht wirklich loslegen. Das gab es ja in der Vergangenheit. Deshalb brauchten wir einen genügend großen Vorsprung. Wir schafften sechs Minuten. Es war nicht genug, um bis ins Ziel zu kommen. Wir versuchten alles und wir gaben alles.“

"Bei Tony muss man immer aufpassen. Deswegen war das Tempo von Anfang an extrem hoch. Er hat mit der Brechstange dagegengehalten, aber wenn hinten 20 Mann fahren und sich abwechseln, dann sind auch die Beine von Tony Martin irgendwann leer. Aber ein Wahnsinns-Ritt von ihm", erklärte John Degenkolb (Giant-Alpecin), was nötig war, um das Duo einzuholen.

Und Patrick Konrad (Bora-Argon 18) meinte: "Dass zwei Fahrer vorne eine solche Performance abliefern und hinten das Feld den ganzen Tag auf Anschlag fährt, ist unglaublich. Ich habe mich gefreut, als der Rückstand geringer geworden ist. Da habe ich gewusst, wir haben sie gebrochen."

Alaphilippe gibt zu, dass er sich auch ein wenig den Frust von der Seele strampeln wollte, weil er am Tag zu vor als stärkster Fahrer in einer Bergetappe wegen eines technischen Defekts um den Sieg gebracht worden war. "Ich war wirklich sehr enttäuscht“, schilderte der Franzose auf Nachfrage seinen Gemütszustand nach der 15. Etappe in Culoz. Und weiter: "Heute war ein neuer Tag und ich begann ihn wirklich motiviert und versuchte, in eine Ausreißergruppe zu kommen.“

Die beiden harmonierten prächtig. "Anfangs hatte ich einen großen Teil der Arbeit übernommen, solange nicht klar war, wer noch kommt, damit er am Ende der frischere gewesen wäre. Als dann klar war, dass wir zu zweit bleiben, hat er bergauf den Großteil erledigt und ich im Flachen“, erklärte Martin die Arbeitsteilung. Auch privat verstanden und verstehen sie sich prima.

Während der vielen Interviews in der Mixed-Zone gab es nur einen Stuhl. Bei jeder neuen Interviewstelle tauschten sie die Sitzgelegenheit, damit der andere seine müden Beine ausruhen konnte. Martin: "Julian ist ein super netter Kerl. Intelligent, ich denke, er ist der große Star der Zukunft. Er hat es nicht nur in den Beinen, sondern auch im Kopf.“

Alaphilippe lobte seinen Partner ebenfalls: "Tony ist der stärkste Fahrer im Peloton.“ Martin wehrte ab: "Naja, im Flachen kann ich schon draufdrücken. Für mich sind solche Sachen, die er gestern gemacht hat, einfach unglaublich (als Alaphilipe in Führung liegend wegen Defekt zurückfiel und danach fast wieder zur Spitzengruppe aufschloss, d.Red.). Wenn wir unsere Talente mal zusammensetzen könnten, gäbe es eine exklusive Mischung.“

Obwohl beide nicht durchkamen und am Ende 12:20 Minuten auf Etappensieger Peter Sagan (Tinkoff) verloren, waren sie mit dem Ergebnis zufrieden. Martin: "Julian meint, diesen Tag wird er sein Leben lang nicht mehr vergessen. Ich sicher auch nicht. Es ist eine Ehre, bei der Tour zu zweit aus einem Team vorneweg zu fahren. Und das erste Mal in der Geschichte, zu zweit diesen Preis zu bekommen. Wir haben heute etwas Außergewöhnliches gemacht. Ich glaube, das macht den Radsport interessant und den Fans auch Spaß. Darauf kommt es am Ende an!“

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