Italiener nutzt die Führungsarbeit des Belgiers

Evenepoel trägt Colbrelli wie einen Rucksack zu EM-Gold

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Evenepoel trägt Colbrelli wie einen Rucksack zu EM-Gold "
Sonny Colbrelli gewinnt EM-Gold vor Remco Evenepoel. | Foto: Cor Vos

12.09.2021  |  Der Italienische Meister Sonny Colbrelli krönte sein starkes Jahr bei der Heim-EM in Trento mit dem Gewinn der Goldmedaille. Im Zweiersprint schlug er überlegen Remco Evenepoel (Belgien). Benoit Cosnefroy (Frankreich) sicherte sich die Bronzemedaille.

Nach Matteo Trentin 2018, Elia Viviani 2019 und Giacomo Nizzolo 2020 hat sich zum vierten Mal in Folge ein Italiener den kontinentalen Titel bei den Profis geholt, der erst seit 2016 vergeben wird. Dabei profitierte der frischgebackene Europameister maximal von den unfreiwilligen Diensten Evenepoels, der auf der Schlussrunde fast die gesamte Führungsarbeit allein erledigte. "Ich hatte heute Super Beine und ein super Team mit einem starken Matteo Trentin am Schluss, der einen tollen Job gemacht hat. Ich bin sehr glücklich mit dem Titelgewinn, zumal ich ihn in der Heimat gewinnen konnte“, freute sich der Sieger der dem Belgier bis auf ein paar wenige Alibi-Führungen ganz am Schluss wie ein Rucksack gefolgt war.

Evenepoel hatte sich nach der Zieldurchfahrt noch sehr geärgert, aber in der Pressekonferenz erkannte er die Leistung des Italieners an. “Auf so einem Kurs mit echten Kletterern war es bestimmt nicht leicht für ihn“, vermutete der Belgier. “Ich wiege 60 Kilo. Ich weiß nicht was er wiegt, aber es wird wohl ein bisschen mehr sein. Trotzdem mitzuhalten ist wirklich sehr stark“, fügte er hinzu.

Mit einer Attacke in der vorletzten Runde hatte der 21-Jährige die neunköpfige Spitzengruppe auf drei Fahrer reduziert. In der letzten Runde konnte auch Cosnefroy im Anstieg plötzlich nicht mehr mithalten. “ Ich musste am letzten Berg Vollgas fahren. Ich wusste, dass Colbrelli der einzige ist, den ich nicht mit zum Ziel nehmen darf. Aber als ich mich am Ende des Hügels umdrehte, war nur er noch da“, lachte Evenepoel. “Die letzten beiden Runden hatte ich eigentlich das Gefühl, er sei am Limit. Zum Schluss war es auch ein psychologisches Spiel“, so der Flame.

Dieses Spiel hatte er deutlich verloren. Denn obwohl er nominell im Sprint keine Chance haben konnte und alle Verfolger weit abgeschlagen waren, ließ er sich von Colbrelli, der kaum noch nach vorn kam die Führung aufzwängen. “Ich bin enttäuscht, aber ich freue mich auch, zurück zu sein“, kommentierte der Silbermedaillengewinner seine Leistung abschließen.

Geschke und Rapp gaben alles

Aus dem deutschen Team zeigten vor allem Simon Geschke und Jonas Rapp starke Leistungen. Während Rapp in der Beginnphase des Wettkampfes zwei Mal in sehr starken Ausreißergruppen vertreten war, zeigte Geschke sich im Finale. Er verpasste den Sprung in die 10-köpfige Spitzengruppe, konnte sich mit einer tollen Soloperformance aber bis zu den Verfolger nach vorn kämpfen. “Ich hatte keinen absoluten Zaubertag, eher so Durschnitt. Dafür bin ich froh, dass ich doch vorne mitfahren konnte. Für ganz vorne reichte es nicht. Das muss man akzeptieren“, kommentierte der 15. und somit beste Deutsche des Rennens.

So lief das Rennen

Die Franzosen und Spanier hatten sich offensichtlich vorgenommen, das Rennen schwer zu machen. Vom Start weg attackierten sie auf der bei dieser Europameisterschaft erstmals befahrenen, schweren Beginnschleife. Das resultierte letztendlich in einer 12-köpfigen Spitzengruppe, in der beide Länder mit vier Fahrern vertreten waren. Deutschland hatte Jonas Rapp, die Schweiz Sebastian Reichenbach und Österreich Felix Großschartner abgestellt.

Am Candriai, dem längsten Anstieg der Runde, attackierte Romain Bardet (Frankreich). Er zog Remco Evenepoel (Belgien), Pavel Sivakov (Russland) und Gianni Moscon (Italien) mit sich. Das Quartett konnte sich aber nicht einigen und ließ sich wieder einholen. In der Abfahrt überbrückten einige Fahrer den Sprung aus dem Feld zu den Ausreißern. Nach 100 Kilometern schlossen sich die zwei Gruppen im ersten Anstieg des Povo zusammen, wodurch noch 52 Fahrer eine Chance auf den Sieg hatten.

Viele Attacken

Den vielen folgenden Ausreißversuchen waren nie ein langes Leben gegönnt. 71 Kilometer vor dem Ziel setzte sich ein Quartett mit Tadej Pogacar (Slowenien), Victor Campenaerts, Matteo Trentin (Italien), Markus Hoelgaard (Norwegen) und Mark Padun ab. Die Franzosen fehlten, peitschten aber im Povo unwiderstehlich von vorn den Anstieg hoch. Benoit Cosnefroy (Frankreich) attackierte 61 Kilometer vor dem Ziel, ihm konnte nur Remco Evenepoel folgen. Das Duo fuhr zur Spitzengruppe. In der Abfahrt schlossen Sonny Colbrelli (Italien), Marc Hirschi (Schweiz), Ben Hermans (Belgien) und Pavel Sivakov auf.

50 Kilometer vor dem Ziel fiel der starke Campenaerts wegen eines technischen Defekts aus der Gruppe zurück. Bis 21 Kilometer vor dem Ziel passierte in der Folge wenig bis nichts, dann aber attackierte Sivakov kurz vor der Spitze des Povo. Dem Konter Evenepoels konnten nur Cosnefroy und Colbrelli folgen.

12 Kilometer vor dem Ziel platzte Cosnefroy im letzten Anstieg am Hinterrad Evenepoels, der fast die gesamte Arbeit allein verrichten musste. Einem finalen Angriff des Belgiers konnte der Italiener folgen. Auch in der Abfahrt und auf den letzten flachen Kilometern ins Ziel hing er an Evenepoel, der fast alles von vorn fuhr. Im Sprint war er dem Italiener allerdings nicht gewachsen.


Mehr Informationen zu diesem Thema

12.09.2021Colbrelli: “Matteo sagte mir, ich soll an Evenepoel dranbleiben“

(rsn) - Gerade einmal eine Autostunde von seiner Heimatstadt Desenzano del Garda am Gardasee entfernt, durfte sich Sonny Colbrelli (Bahrain – Victorious) als vierter Italiener in Folge über den Eur

12.09.2021Erst zwei Defekte warfen Rapp aus dem EM-Rennen

(rsn) – Für den schweren Kurs bei der Europameisterschaft in Trento musste der BDR tief in die Fahrerkiste greifen, um eine Mannschaft für das Männerrennen zu finden. Mit Simon Geschke (Cofidis),

12.09.2021Reusser: “Nur der WM-Titel kann meine Saison noch toppen“

(rsn) - 2021 ist definitiv das Jahr der Marlen Reusser. Die 29-Jährige aus dem Berner Mittelland kam erst vor ein paar Jahren überhaupt zum Radsport, wo sie sich nun zur absoluten Weltklassefahrerin

12.09.2021Holt Colbrelli EM-Gold zum vierten Mal in Folge nach Italien?

(rsn) - Erst seit 2016 gibt es die Europameisterschaften im Radsport für die Elitefahrer. Waren die Titelkämpfe zunächst nur widerwillig von den Teams angenommen worden, ist die Veranstaltung dabei

12.09.2021Die Renneinsätze der Fahrer aus deutschsprachigen Ländern

(rsn) - Die Radsportsaison 2021 ist trotz der Corona-Pandemie in vollem Gang. Wir liefern Ihnen zu Beginn jeder Woche eine Aufstellung über die Einsätze der Profis aus Deutschland, Österreich, der

12.09.2021Vorschau auf die Rennen des Tages / 12. September

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

11.09.2021Lippert sprengt am Berg das Feld und sprintet zu EM-Silber

(rsn) - Neben Europameisterin Ellen van Dijk aus den Niederlanden zählte Liane Lippert zu den aktivsten Fahrerinnen des EM-Rennens am Samstagnachmittag in Trento. Völlig verdient wurde die Friedrich

11.09.2021Lippert gewinnt EM-Silber bei van Dijks Gold-Solo

(rsn) - In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour. EM-S

11.09.2021Europameister Thibau Nys – Sohn, TV-Star, Champion

(rsn) - Seine ersten Fernsehauftritte hatte Thibau Nys schon in frühester Kindheit. Während Papa Sven die Crossrennen dominierte, fuhr er am Rande der Strecke mit seinem Kinderrad die Hellingen rauf

11.09.2021Ayuso: “Ich bin ein Bergfahrer mit schnellen Beinen“

(rsn) – Er ist gerade 18 Jahre alt aber schon der kommende Star des spanischen Radsports. Eines Tages soll Juan Ayuso (UAE Team Emirates) in die Fußstapfen der großen Rundfahrer wie Miguel Indurai

11.09.2021Gilbert sauer, weil er bei der EM als Helfer starten soll

(rsn) - Im belgischen Team brennt vor der dem Straßenrennen der EM am Sonntag der Baum! Dabei hat ausgerechnet Topstar Philippe Gilbert das Zündholz in der Hand. Der Klassikerjäger ist sauer, dass

11.09.2021Querfeldeinstar Nys neuer U23-Europameister auf der Straße

Thibau Nys (Belgien) hat sich überraschend zum Europameister auf der Straße gekrönt. Der Sohn von Querfeldeinlegende Sven Nys war im Sprint der schnellste einer siebenköpfigen Ausreißergruppe und

Weitere Radsportnachrichten

29.03.2024Baskenland-Rundfahrt im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Ganz hohe Berge sucht man im Baskenland zwar vergeblich. Doch die sechstägige WorldTour-Rundfahrt durch den spanischen Nordwesten gilt aufgrund ihrer zahlreichen, teils sehr steilen Anstie

29.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Männer

(rsn) – Der Ostersonntag wirft seine Schatten voraus: Am 31. März versammelt sich das WorldTour-Peloton in Antwerpen zum Start der 270,8 Kilometer langen Ronde van Vlaanderen. Das Heiligtum des bel

29.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Frauen

(rsn) – Wenn die Männer nach ihrem Start in Antwerpen bereits 120 Rennkilometer hinter sich haben und erstmals durch Oudenaarde kommen, stellen sich dort auf dem Marktplatz des Zielorts der Ronde v

28.03.2024Die Strecken zum Oster-Highlight: Die Flandern-Rundfahrt

(rsn) – Die 108. Flandern-Rundfahrt der Männer und die 21. der Frauen werden am Ostersonntag auf den letzten 45 Kilometern ab dem Ort Melden am Fuß des berüchtigten Koppenbergs über dieselbe Str

28.03.2024Flandern-Rundfahrt im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die Flandern-Rundfahrt ist für viele Radsport-Fans neben Paris-Roubaix das Highlight des Frühjahrs. Das belgische Monument führt über mehr als 260 Kilometer und zahlreiche Hellinge, den ku

28.03.2024Tour-Siegerin Vollering “überrascht“ von SD-Worx-Ankündigung

(rsn) –Demi Vollering hat sich verwundert über die Mitteilung ihres Teams SD Worx – Protime gezeigt, das in Person von Sportdirektor Danny Stam gegenüber GCN den zum Saisonende bevorstehenden Ab

28.03.2024Huppertz: Vor Rennen abends einen trinken? Heute unvorstellbar

(rsn) – Eine so lange Zusammenarbeit wie die zwischen Joshua Huppertz und Teamchef Florian Monreal gibt es im Kontinental-Bereich sehr selten. Seit August 2014 steht der mittlerweile 29-Jährige Aa

28.03.2024Van Aert erfolgreich operiert - Giro-Debüt ungewiss

(rsn) – Einen Tag nach seinem schweren Sturz bei Dwars door Vlaanderen ist Wout van Aert nach Angaben seines Teams Visma – Lease a Bike erfolgreich operiert worden. Ob der 29-jährige Belgier rech

28.03.2024Appell an die Zuschauer: “Haben Sie Respekt vor den Fahrern“

(rsn) – Wenige Tage vor der 108. Flandern-Rundfahrt (1. UWT / 1. März), haben Tomas Van Den Spiegel, Geschäftsführer des Veranstalters Flanders Classics, und Carina Van Cauter, die Gouverneurin R

28.03.2024Zeckenbiss möglicher Grund für De Lies Formschwäche

(rsn) – Da Arnaud De Lie in den vergangenen Wochen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, hatte sein Team Lotto – Dstny in Absprache mit dem 22-jährigen Belgier entschieden, dass diese

28.03.2024Movistar verlängert mit “Sensation“ Meijering

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

28.03.2024Märkl will auch bei der Ronde “vor das Radrennen“

(rsn) – Wie schon beim E3 Saxo Classic schaffte Niklas Märkl (DSM Firmenich – PostNL) auch bei Dwars door Vlaanderen den Sprung unter die Ausreißer des Tages. Doch während sein Fluchtbegleiter

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • La Route Adélie de Vitré (1.1, FRA)