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02.05.2014 | (rsn) - Bücher über Lance Armstrong sind inzwischen fast eine eigene Literatur-Gattung. Doch auch das jüngste Werk steckt voller packender Enthüllungen.
Puh. Noch ein Buch über Armstrong – und dazu dicker als alle Abhandlungen zuvor. Aber es hilft ja nix, und der Osterurlaub bietet die nötige Muße. Zum Glück, denn was Juliet Macur in "Cycle of lies" präsentiert, hat es mächtig in sich. Weniger (aber auch), was neue Details über das Doping des Texaners angeht.
Dafür werden beeindruckend die Abgründe eines Menschen sichtbar gemacht, der abseits des Rades ähnlich gnadenlos und nachtragend war wie als Boss des Pelotons. Echte Freundschaften – Fehlanzeige, Armstrong scheint vielmehr seine Zeit und Zugneigung im Stile einer Kosten/Nutzen-Abwägung zu verteilen. Und herzlich gerne jede Gelegenheit zu nutzen, nach Gutdünken und manchmal Leibeskräften zu demütigen, auszunutzen, zurückzulassen.
Psychogramm eines Asozialen
Aus dem sportlichen Bereich kennt man das schon, doch was Macur von Familie und Freunden erfahren hat, zeichnet ein erschreckendes Psychogramm: Das Bild eines fast asozialen Ehrgeizlings, dem sein Ego und sein sportlicher Erfolg wichtiger als alles andere waren.
Die Mutter: Engste Bezugsperson – doch als sie später knapp bei Kasse ist, weigert sich ihr einziges Kind lange, ihr zumindest mit einem kleinen Teil seines Millionenvermögens unter die Arme zu greifen. Der Vater, die Großmutter – mit Kontaktlosigkeit abgestraft, bis hin zum Begräbnis 2012 („er hatte einen Sohn, der nie wissen wird, wie viel er verpasste und wie sehr er vermisst wurde").
Die erste Ehefrau – bekommt am Valentinstag gesagt, dass er die Scheidung will. Der Stiefvater – als Aussätziger behandelt bis heute („Lance bittet das Land darum, ihm zu vergeben. Es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn er seinem Vater vergeben würde"). Der Mentor und Ersatzvater – bei der Knochenmarks-Transplantation im Stich gelassen, weil Armstrong an diesem Tag Backstage-Karten für eine seiner Lieblingsbands hat.
Es schmerzt zu lesen, wie Armstrong eine Art emotionale Spur der Verwüstung hinter sich herzieht. Die anderen Bücher über Armstrong haben alle ihre eigenen Stärken – doch dieses geht am meisten unter die Haut.
Und immer, wenn man auch mit Armstrong fühlt, ist man wenige Seiten später fassungslos, dass er das ihm vermeintlich angetane „Unrecht" noch immer für schlimmer als seine eigenen Taten hält. Im Juni 2013, bevor Armstrong aus seinem herrschaftlichen Anwesen in Austin in bescheidenere Räume umziehen muss, empfängt er dort Macur noch einmal zum Interview. Und macht das entlarvende Geständnis:
„Ehrlich, ich habe diese Leute gehasst (Betsy Andreu, die LeMonds, David Walsh) und ich hasse sie noch immer. Ich konnte sie nicht damit durchkommen lassen, weil sie so fürchterlich sind." Ihr Verbrechen? Die inzwischen bekannte Wahrheit über Armstrong schon vor Jahren verbreitet zu haben.
„Tot vom Rad fallen oder gewinnen"
Was Macurs Buch so einzigartig macht, sind ihre Quellen. Die Journalistin der "New York Times" kann sich nicht nur auf Interviews mit Armstrong selbst stützen, sondern auch auf zahllose Gespräche mit absoluten Insidern – etliche davon äußerten sich erstmals zu ihren Erlebnissen mit oder an der Seite von Armstrong.
Besonders bewegend und entlarvend: Die auf Band gesprochenen stundelangen Erinnerungen von Armstrongs verstorbenem jahrelangem Mentor JT Neal, dem der junge Nachwuchsfahrer am 16. August 1991 aus dem Wein- und Ferienort Bischoffingen aus dem WM-Trainingslager schrieb: „Ich bin höllisch nervös. Wünschte, du wärst hier!".
Deutlich wird, dass Armstrong schon von Beginn seiner Profikarriere an dopte. Motorolas damals wichtigster Pfleger John Hendershot bringt es im Gespräch mit Macur auf den Punkt: „Wir bewegten uns an der feinen Linie zwischen tot vom Rad fallen und gewinnen". Noch Fragen?
Armstrong ist erst der Anfang
Ja – denn auch „Cycle of lies" ist nicht das endgültige Buch über Armstrong, seine Karriere, seinen Betrug. Es wirft neue Fragen auf: Wer war der ungenannte Helfer in Belgien, über den die Bluttransfusionen in späteren Jahren liefen? War der „Motoman" tatsächlich nicht nur 1999 mit heißer Doping-Fracht während der Tour als Bote unterwegs? Warum wurden die Ermittlungen der US-Justiz von Andrew Birotte eingestellt? War das Comeback von 2009, das Armstrong laut Macurs Schilderung noch vor der Rückkehr arg bereute, wirklich sauber?
Was ist eigentlich mit dem „Wirken" einstiger Weggefährten unter anderer Flagge als Fahrer oder Kader bei Teams wie CSC, Phonak etc.? Denn obwohl dabei im Eifer des Gefechts auch mal die Namen von Bjarne Riis und Andy Rihs verwechselt werden, stellen sich dennoch nicht nur an dieses Duo drängenden Fragen.
„Landis war viel besser als Armstrong"
Denn viele der Helfer Armstrongs fuhren ja nur einen Teil ihrer Karriere an seiner Seite, bevor sie anderswo ihre eigene Chance oder Unterschlupf suchten, nachdem der Boss sie nicht länger haben wollte. Dass dabei eben nicht jeder Fahrer wie der zu jeder Schandtat bereite Ehrgeizling bedenkenlos zu jedem Mittel griff, zeigt Macur eindrucksvoll am Beispiel von David Zabriskie:
Der durch den Absturz seines Vaters zu einem Drogendealer traumatisierte Youngster wurde in Armstrongs Team mit Druck dazu gebracht, genau das zu tun, was er niemals wollte: Drogen zu nehmen.
Wie abgebrüht kommt dagegen die Anekdote daher, die George Hincapie zum Besten gibt: Das Doping sei so weit gegangen, dass man sich einmal die Blutbeutel schon anhängte, als der Teambus bei der Tour noch im Zielbereich stand. Und zum Thema 'wenn jeder dopt ist die Chancengleichheit doch da' gibt es Klartext von Allen Lim, der sowohl Floyd Landis als auch Armstrong betreute: „Ich habe beide gesehen und Floyd ist klar besser. Er ist ein viel besserer Athlet – basta."
„Geständnis"? „Ein abschreckendes Beispiel"
Und niemand soll glauben, Armstrongs Auftritt bei Oprah Winfrey im Januar 2013 sei der Beweis eines echten Sinneswandels gewesen. Armstrongs engstes Umfeld lieferte Klartext zum lavierenden "Geständnis" seines Chefs: Es war „hall-of-fame horrible", so sein Berater Mark McKinnon, es werde „sicher ein Beispiel für Andere werden, wie man Krisenmanagement nicht macht".
Armstrongs wohl engster Freund John Korioth gab am Tag nach der Ausstrahlung bei der gemeinsamen Golfpartie folgendes vernichtendes Urteil ab: „Mensch Lance, ich muss sagen, Du bist ein wirklich guter Lügner. Aber Du bist entsetzlich schlecht darin, die Wahrheit zu sagen."
Die endgültige Wahrheit steht eben noch immer aus, auch Macur hat nicht alle dunklen Ecken erforschen können. Die Reihe der Bücher zum Thema Armstrong ist noch nicht am Ende – und das ist nun wirklich keine Kritik an der herausragenden Arbeit von Macur, die nahtlos an Pflichtlektüre wie „Wheelmen", „The Secret Race" oder die Bände von David Walsh und Pierre Ballester anknüpft.
Jedes dieser Bücher hat seine wichtigen, speziellen Aspekte. Mit Michael Barry und George Hincapie liefern nun die nächsten Weggefährten Armstrongs ihre Version der Ereignisse. Andere werden folgen – besonders spannend wäre eine Schilderung von Floyd Landis, der zu „Cycle of lies" als eine der wenigen Hauptfiguren nicht ausführlich interviewt wurde. Und vielleicht erleben wir ja auch noch irgendwann ein echtes Geständnis von Armstrong, Johan Bruyneel oder gar Michele Ferrari.
So lange Armstrong sich und uns noch immer einreden will, dass doch jeder „der 200 Jungs, die bei der Tour starteten, die Regeln brach", bleibt seine Saga eine unendliche Geschichte. Denn selbst in seinem Team fuhren teilweise Fahrer die Tour oder andere Rennen sauber.
„The truth will set you free", gab Winfrey Armstrong am Ende der Sendung im Januar 2013 mit auf den Weg. Davon sind wir noch immer weit entfernt.
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