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13.09.2015 | Das Fatbike ist ein ideales, weil universelles Reiserad, nicht nur im Winter. Gunnar Fehlau ist damit den Jakobus-Pilgerweg von Lissabon nach Santiago de Compostela gefahren: Auf spektakulären Pfaden, und mit überraschenden Einsichten.
Es fängt klammheimlich an.
Kaum spürbar, hier unter den Bäumen im Wald. Doch als wir über eine Lichtung fahren, können wir es nicht mehr leugnen: Es regnet, und zwar richtig! Die Bäume in 50 Meter Entfernung sind im feuchten Nebel kaum mehr zu sehen.
Dahin ist die Hoffnung, dass sich der Frühnebel lichtet, und die Sonne des Südens uns einen schönen Trail-Tag bereitet. Der Pilgerweg führt wieder in den Wald, steil talwärts. Spitzkehren kann man das nicht nennen, aber Sturzfahrt sieht auch anders aus.
Walter und ich steuern unsere wuchtig beladenen Fatbikes
den kurvigen Wanderpfad hinunter, ich vorweg, Walter hinten dran. Wie eigentlich immer bergab. Bergauf hat er die Nase vorne...
Gestern sind wir in Lissabon am Flughafen bei herrlichem Sonnenschein gestartet, und haben nach wenigen Kilometern durch die Suburbs den Pilgerweg „Caminho Português“ entlang des Rio Tejo eingeschlagen. Alle Ausrüstung fürs autarke Biken und Biwakieren ist in Taschen am Rahmen und in kleinen Rücksäcken verpackt.
Das war nicht der erste Moment, in dem der Name „Pilger“
des "Velotraum"-Fatbikes sein Wort hielt. Die Taschen passen perfekt, und das Fahrverhalten ist auch unter Beladung sehr angenehm.
Unser Plan ist so simpel wie genial: Von Flughafen zu Flughafen, dazwischen 650 Kilometer Pilgerweg, meist fernab der Städte, abwechslungsreich und gut beschildert. Eine Woche Pedal-Pilgern. Sechs Tage Sonne, bevor der deutsche Winter mit Kälte und Dunkelheit beginnt. Etwas innehalten.
Die Welt und sich selbst ein bisschen besser verstehen.
Das eigene Sein und Tun im Strom kontemplativen Pedalierens einmal durchspülen. Pilgern eben. „Aber auch mit Trail-Flow, wenn ich bitten darf“, hatte ich meinem Reise-Partner Walter Lauter bei der Streckenplanung gemailt.
Hinter dem Dorf „Portela de Ceras“ klappt das bestens. Die breiten Reifen bieten mit ihren 4,8 Zoll satte Traktion, und damit super Kontrolle, selbst wenn es im Kurvenauslauf matschig oder lose wird. Dass man den Bock wegen Reifen und Zuladung dominanter und kraftvoller lenken muss, daran haben wir uns längst gewöhnt.
Überhaupt war die Fahrt die erste Gelegenheit,
mit dem Fatbike-Reifen „Jumbo Jim“ von Schwalbe zu fahren, der erst wenige Wochen zuvor auf der Eurobike vorgestellt wurde. Dieser erste Fatbike-Reifen aus einer europäischen Entwicklungsabteilung trägt eine völlig andere Handschrift als die US-amerikanisch geprägten Reifen.
Während die Ami-Reifen in der Regel Winterreifen sind, die sich auch im Sommer fahren lassen, will der "Jumbo Jim" ein Alljahresreifen für europäische Böden sein. Profil, Gummimischung und Aufbau sind dementsprechend anders.
Weiter auf dem Pilgerweg: Ein Pfiff lässt mich mitten im Fluss
der Kurven aufhorchen. Ich gehe sofort in die Eisen: Walter ist weg. Ich marschiere den Hügel wieder hinauf. Da steht er in einer Kehre, das platte Vorderrad bereits in den Händen. Der Regen treibt uns an, den Schlauch schnell zu wechseln.
Kaum zehn Minuten später, mit brennenden Oberarmen von den gefühlten tausend Hüben an der Mini-Pumpe, sind wir wieder unterwegs. Kurz darauf fahren wir über schmale Natursteinwege ins nächste Dorf ein. Dann geht es weiter am Hang entlang, wieder ins Grün, direkt durchs Buschwerk.
Dorniges Buschwerk! Mir schwant Böses.
Einen Kilometer später hat es mich erwischt: Insgesamt sechs Dornen ziehen wir aus dem Reifen. Nun bleibt nur noch ein Ersatzschlauch für den ganzen Tag und die Ungewissheit, wie viele Dornenfelder der Caminho Português noch parat hält.
„Keine Chance, das ohne Dichtmilch zu überstehen“, meint Walter. „Keine Chance, hier im Niemandsland Dichtmilch zu bekommen“, entgegne ich halb scherzend, halb bange. Logisch, Portugal ist in der EU, und seit gut 40 Jahren eine vitale Demokratie; dennoch müssen wir unsere Standards oft neu kalibrieren.
Das passiert meist automatisch, etwa in Cafés.
Mit dem vom deutschen Lohnzettel gefüllten Portemonnaie sind die örtlichen Preise recht entspannt. Aber man sieht Land und Leuten die Wirtschaftskrise an: Bauruinen, Renovierungsstau und herumliegende Abfälle. Die Gesichter vieler Passanten wirken leer und trostlos, ebenso die Shopping Malls, auf die sie zusteuern.
Es ist elf Uhr werktags und die Cafés und Kneipen sind bereits gut besucht; viele Männer im Alter zwischen Schulbank und Rentnersessel an den Theken. Blühende Landschaften sehen anders aus. Nur in den Metropolen wie Lissabon und Porto ist das Leben vergleichbar mit unserem.
Schnell ist klar, dass wir in den zwei Tagen bis Porto
auf keinen gut sortierten Bike-Shop treffen werden. Wir beschließen, in der nächsten Stadt bei einer ausgiebigen Kaffeepause die Schläuche zu flicken. Auf dem Marktplatz in Condeixa-a-Nova frage ich dennoch nach einem Radladen. Ein Mittvierziger antwortet in erstaunlich gutem Deutsch und weist den Weg die Straße hinunter.
Pedro hat als Ingenieur in Deutschland gearbeitet und jetzt hier ein eigenes Büro. Er ist selbst Biker, und interessiert sich sehr für unsere Fatties, muss aber leider dringend zu einem Termin. Wir rollen bei „JCR Bikes“ vor, betreten den kleinen, aber feinen Laden, und können zwischen vier verschiedenen Dichtmilch-Herstellern auswählen. 29 Euro, vier Betankungen und eine glühende Standpumpe später sind wir wieder startklar.
„Irgendwie tritt immer genau das Richtige ein. Echt mystisch!“,
meint Walter, als wir bei Sonnenschein nordwärts aufbrechen.
Flussradwege sind die Helene Fischers unter den Rad-Routen: Keiner gibt zu, auf sie abzufahren, ihr Erfolg scheint deshalb unerklärlich. Dennoch sind sie rappelvoll, obwohl es ihnen an Würze fehlt.
So war mir etwas mulmig, als unser Facebook-Freund Steffen, bei dem wir in Porto übernachtet hatten, uns die Küstenroute mit Rückkehr zum traditionellen Caminho entlang einiger Flüsse empfahl. Doch was sich hier vor unseren Vierzöllern erstreckt, lässt Walter und mich frohlocken: Der Pilgerweg windet sich wellig entlang des kleinen Flusses Rio Neiva, immer wieder einige steinig-wurzelige Höhenmeter hoch, und nach jeder Kuppe geht es den gleichen „geilen Scheiß“ wieder abwärts.
Ein echter Rock Garden. Bikers' Paradise auf dem Pilgerweg!
Krönender Abschluss ist eine rund 20 Meter lange und kaum 50 Zentimeter breite Steinbrücke ohne jedes Geländer: reines Adrenalin! Von kontemplativen Gemütszuständen sind wir weit entfernt.
Kurz überlegen wir ernsthaft, hier und jetzt um halb vier Uhr unser Lager aufzuschlagen, und ohne Gepäck noch ein wenig im Rock Garden zu spielen. Doch leider sind unsere Vorräte dafür nicht ausgelegt. Der aufkommende Hunger lässt uns weiterziehen.
Hunger ist kein guter Kompagnon auf dem Rad.
Man sollte ihn meiden, sofern man die Wahl hat. Meiden hilft auch bei manchen Menschen. In Santarém treffen wir auf Kuno. Der Deutsche ist seit über 20 Jahren als Pilger unterwegs, sitzt mit Hund und Hausstand auf dem Grünstreifen vor einer Kirche. Am Rucksack lehnt eine halbleere Rotweinflasche. In den Fingern eine sonderbar geformte und merkwürdig duftende Zigarette.
Nach drei Minuten Stakkato, die wir als entspannten Smalltalk geplant hatten, sind wir auf dem neuesten Stand, was Kunos Leben und Wirken betrifft. Wir ringen nach Luft, und drohen im Strom seiner selbstreferenziellen Gesprächsfetzen jede Orientierung in historischen Zusammenhängen und aktuellen spirituellen Fragen zu verlieren.
Ich spüre Walters Kniff in meiner rechten Seite.
Wir sind uns einig, und bereiten den Notausstieg aus dem Monolog vor. „He Walter, wann sind wir mit deinen Bekannten in Tomár verabredet?“, frage ich. „Mist, Gunnar, wir müssen los!“, stimmt er zu und schwingt sich aufs Rad.
Außerhalb des Ortes, auf den langen Geraden der Feldwege durch die Tejo-Auen, begleitet mich Kuno noch in Gedanken. Das Dahin-Pedalieren dämpft meine vorherige Überheblichkeit, und eine demütige Toleranz gegenüber dem Anderen kommt durch. Ich habe nun Mitgefühl mit Kuno, der schlicht kein anderes Ventil für seine inneren Spannungen gefunden hat. Das sollte - neben der Ankunft in Santiago - der einzige wirkliche Pilger-Moment dieser Tour sein...
Weil Walter schon öfter mit dem Bike in Santiago war,
kennt er das Terrain dort recht gut. Sein Plan sieht vor, auf der letzten Anhöhe vor Santiago das finale Nachtlager aufzuschlagen. In Padrón haben wir uns dafür fürstlich eingedeckt mit Fisch, Wein, Oliven, Brot, Käse und Bier.
Fisch und Bier ergänzen sich im Rucksack übrigens bestens: Der gefrorene Fisch kühlt das Bier ab, und es taut das warme Bier den Fisch auf. Laut GPS nähern wir uns dem Ziel-Hügel. Statt Wald und Einsamkeit finden wir uns mitten im Vorort O Milladoiro wieder. Haus an Haus und Fußballplätze und Supermärkte reihen sich aneinander.
„Das wird nix mehr mit einem guten Biwak-Platz“,
meint Walter bereits frustriert, als wir die letzten Höhenmeter in Angriff nehmen. Und plötzlich, hinter ein paar letzten Lagerhallen und einem Umspannwerk, sehen wir erste Baumkronen. Wir sprinten mit unseren Fatties den Hügel hoch, und erreichen eine Art Stadtwald.
Nach zwei Abbiegungen ins Dickicht stehen wir auf einer Lichtung mit Blick über ganz Santiago de Compostela. „Irgendwie tritt immer genau das Richtige ein. Echt mystisch!“, grinst Walter. Zeit fürs letzte Lagerfeuer und den ersten Pilger-Rotwein.
Gunnar Fehlau
ist Autor und Geschäftsführer des Branchendiensts "pressedienst-fahrrad" (pd-f)
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