Paddis Tour-Blog / 16. Juli

Die Stimmung war spürbar gedämpft

Von Sebastian Paddags

Foto zu dem Text "Die Stimmung war spürbar gedämpft"
Sebastian Paddags | Foto: Sebastian Paddags

16.07.2016  |  (rsn) - Normalerweise sitze ich zum Schreiben meines täglichen Blogs immer vor dem Laptop und fange einfach so an, drauf los zu schreiben. Meistens hatte ich für den Start schon im Laufe des Tages einen kurzen Geistesblitz und so nimmt dann die Story oftmals ganz von selbst ihren eigenen Lauf. Ich frage mich am Ende zwar manchmal selbst wie das jedes Mal wieder klappt, habe aber inzwischen gelernt, es nicht zu hinterfragen.

Heute jedoch ist es anders. Drei Mal schon habe ich heute neu angefangen mit dem Schreiben und den ganzen Tag habe ich überlegt, was ich machen soll…wie ich mich heute äußere…ob ich so weitermache wie bisher…oder ob ich vielleicht die Perspektive wechseln soll. Es ist keine einfache Situation, der wir uns hier ausgesetzt sehen und ich habe daher beschlossen, meine persönlichen Gedanken nicht zu verbergen, sondern sie (heute erst recht) zu äußern. Normalerweise ist es nicht meine Art, Geschehnisse wie diese zu kommentieren, schon gar nicht, wenn ich weit weg bin und tatsächlich weder direkt noch indirekt betroffen. Nach dem heutigen Tage muss ich das jedoch einfach trotzdem loswerden.

Mit dem Aufstehen, habe ich relativ schnell von dem unglaublichen Idiotismus in Nizza erfahren und hatte umgehend einen dicken Kloß in meinem Hals. Von unserem Hotel in Arles sind es nur rund 250 Km bis an den Ort des Grauens und ich war in der Vergangenheit sehr oft auch selbst schon dort unterwegs. Ich war von einem Moment auf den anderen tief betrübt und hatte all die schönen Bilder und Erinnerungen vor Augen, die ich mit der Côte d`Azur verbinde. Gleichzeitig erschienen vor mir aber auch die vielen Menschen, die hier bei der Tour jeden Tag am Straßenrand stehen und die zum großen Finale in Paris sicherlich noch mal einen neuen und finalen Höhepunkt setzen werden, was die Begeisterung angeht. Oder werden sie das nun vielleicht doch nicht?

Fragen über Fragen erschienen in meinem Kopf und in gewisser Weise brach eine kleine Welt in mir zusammen. Es war diese Welt, von der ich euch nun schon seit mehr als 2 Wochen jeden Tag etwas erzähle und die Ihr inzwischen vielleicht genauso wie ich ins Herz geschlossen habt.

Am Start des heutigen Einzelzeitfahrens angekommen, merkte ich, dass es alles etwas anders war, konnte aber zunächst nicht genau sagen, woran das lag. Aufgrund des Zeitfahrens und des Ortes war die Szenerie natürlich eine andere als die übliche, aber dennoch war irgendetwas seltsam. Nach einer knappen halben Stunde fiel es mir dann auf: heute war es verhältnismäßig still und es wurde keine Musik oder sonstiger Lärm abgespielt. Aus Respekt vor den Ereignissen hatten die Veranstalter dies für heute aus dem Programm nehmen lassen und selbst die Werbekarawane zog stumm ihre Runde über den Kurs. Im Startbereich sah ich heute sehr viel mehr Polizisten als sonst und alle trugen sie schusssichere Westen unter ihren Shirts. Zusätzlich zeigten heute auch alle Offiziellen und Ordner eine schwarze Armbinde als Zeichen der Trauer.

Um es kurz zusammenzufassen: die Stimmung war spürbar gedämpft und ich erkannte die Tour tatsächlich nicht wieder. Im Laufe des Vormittages erfuhr ich auch, dass die ASO (der Veranstalter) aktuell in Gesprächen sei, die sich mit der Fortführung der diesjährigen Tour befassen. Nicht auszudenken… Absage… Ende… das wäre der Worst Case. Inzwischen hat sich dies wohl aber wieder erledigt.

Auf der anderen Seite muss man sich aber wohl auch einmal in die Situation der Veranstalter hineinversetzen. Speziell nächsten Sonntag in Paris werden wieder tausende von Menschen erwartet und es möchte sich wohl niemand vorstellen, was dort passieren könnte. Wo beginnt Verantwortung auf diesem Level und wo hört Verstand auf? Wo sind Grenzen und kann man das alles überhaupt rational betrachten? Soll man einfach so weiter machen und zur Tagesordnung übergehen? Soll man diese Arschlöcher ignorieren oder soll man Ihnen Aufmerksamkeit schenken? Kann man überhaupt irgendetwas tun? Ich weiß es tatsächlich nicht - und das bereitet mir schlechte Laune!

Ich weiß nur, dass grade die Tour de France doch eigentlich das Paradebeispiel dafür ist, dass all diese schrecklichen Dinge niemandem etwas nützen. Bei der Tour de France zelebrieren Menschen aus allen Ecken der Welt ihre gemeinsame Leidenschaft und es geht hier um etwas, das man mit Worten eigentlich nie wiedergeben kann. Es geht um Feeling. „Wenn du am Abend in den Alpen, bevor die Tour vorbeikommt in der Dämmerung die Strecke, den Berg hochfährst und es in allen Ecken knistert…Gleichgesinnte egal welcher Nation sitzen zusammen, alle haben sie ein Ziel: Die Tour. Spaß, Toleranz, Einigkeit… Wer es einmal erlebt hat, wird es nie vergessen“ (Jens W.)

Ich würde mir wünschen, dass ich den heutigen Tag so nicht hätte erleben müssen und hoffe, dass meine kommenden Tagesberichte sich wieder mit dem Wesentlichen befassen können. Zum heutigen Zeitfahren kann ich nur so viel sagen: Der Wind war wirklich unfassbar krass und Wagi (Robert Wagner) brachte es wohl auf den Punkt: „Das hatte heute schon fast mit Radrennen nichts mehr zu tun!“

Euer Paddi-avec-i

 

Mehr Informationen zu diesem Thema

23.07.2016Auf den letzten Metern noch ein DNF

(rsn) - Hallo Freunde, aufgrund einer Änderung im Logistikplan meines Jobs hier bin ich seit heute der Fahrer unseres Wohnmobils, mit welchem das tägliche Picknick für die VIPs arrangiert wird. So

22.07.2016Psychospielchen der besonderen Art

(rsn) - „Kampf gegen die Uhr Zwei Punkt Null“ - so lautete sicherlich das Motto des heutigen Tages, denn es stand das Zeitfahren Nummer Zwei auf dem Plan. Im Vergleich zum ersten Zeitfahren herrsc

21.07.201672 Kilometer lang Gesichtsfasching

(rsn) - Hot, hotter am hottesten… So oder so ähnlich hätte man wohl die heutige Etappe in Richtung der Berge zum Mont Blanc beschreiben könne - es war tatsächlich unfassbar warm! Ich schwitze be

20.07.2016Ein Hoch auf den Google-Übersetzer

(rsn) - Du merkst, dass Ruhetag bei der Tour de France ist, wenn du zurück im Hotel, nach 100 Km im Auto denkst - „Das war ja easy heute.“ Wenn man so will, stehe ich somit eigentlich den Jungs

19.07.2016Unterwegs inmitten zweier fahrender Tüten Pommes

(rsn) - Hallo liebe DJ Bobo-Hörer und Toblerone-Genießer! Ich bins wieder, Euer Patrick Swayze der Tour de France. Mein Bericht zum gestrigen Montag kommt heute zwar etwas verspätet, hat dafür abe

18.07.2016Mit Jörg Werner im Auto verging die Zeit wie im Flug

(rsn) - Wenn ich den heutigen Tag so Revue passieren lasse, neige ich beinahe dazu, einen Superlativ aus dem Koffer zu holen. Wir hatten permanent einen wolkenlosen Himmel, nicht so viel Wind, atember

17.07.2016Sagan ist ein geiler Typ - in jeglicher Hinsicht

(rsn) - Einen Wundervollen guten Morgen aus Bourg-En-Bresse. Gestern (Samstag) hieß es glücklicherweise „Back to Business“ und wir waren auch direkt wieder ordentlich unterwegs. Meine Tagesleist

15.07.2016Angenehme Talkrunde mit Kittel und Greipel

(rsn) - So liebe Leichtathletik-Fans, das Wichtigste vielleicht mal gleich zu Beginn: Auch wenn mich schon wieder mehrere Leute mit dem vermaledeiten Kameramotorrad von heute in Verbindung bringen wol

14.07.2016Nach 163 Kilometern am Anschlag ein Knutscher für das Geburtstagskind

(rsn) - Was für ein Tag und was für ein Rennen war das denn schon wieder? Selten hat es mich beim Zuschauen so oft von meinem Stuhl gezogen wie heute - und das obwohl ich lediglich die letzten 45 Ki

13.07.2016Es ist noch lange nicht Feierabend

(rsn) - Man kann ja über die Franzosen sagen oder zumindest denken, was man will. Sie können vielleicht nicht Autofahren, sie haben vielleicht keinen guten Kaffee und beim gewöhnlichen französisch

12.07.2016Man fängt an, sich das Ganze schön zu reden

(rsn) - Hallo liebe Sportsfreunde und Euromünzensammler, hier meldet sich wieder Euer Peter Lustig der Tour de France. Diesmal schreibe ich Euch live aus Andorra. Heute haben wir den ersten und wohl

11.07.2016Epische Bilder auf über 2000 Meter Höhe

(rsn) - Sonntag, 10:45 Uhr. Ein mittelgroßes Örtchen unweit der französischen Grenze im Süden platzt aus allen Nähten und ringsherum grüßen die grünen Gipfel der Pyrenäen aus der Ferne. Knapp

Weitere Radsportnachrichten

30.04.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

30.04.2025Vor der Alten Oper ein Sprintduell Matthews vs. Nys?

(rsn) – Sprint- gegen Klassikerspezialisten heißt es am 1. Mai wieder, wenn die 62. Auflage von Eschborn-Frankfurt (1.UWT) gestartet wird. Das hessische Traditionsrennen führt über die aus den be

30.04.2025Brennan wandelt in der Romandie auf Sagans Spuren

(rsn) – Matthew Brennan (Visma - Lease a Bike) hat die 1. Etappe der 78. Tour de Romandie (2.UWT) für sich entschieden und mit seinem vierten Sieg bei den Profis seinem Landsmann Samuel Watson (In

30.04.2025Eschborn-Frankfurt: Strecke der 62. Ausgabe fast unverändert

(rsn) – Zur 62. Auflage wechselt der 1.-Mai-Klassiker Eschborn-Frankfurt seinen Startplatz: Während Start und Ziel des Hobby-Events ADAC Velotour im Gewerbegebiet auf den großen Parkplatzflächen

30.04.2025Sprinter oder Ausreißer: Wer gewinnt Eschborn-Frankfurt?

(rsn) - 126 Profis aus 18 Teams stehen am 1. Mai beim Frühjahrsklassiker Eschborn-Frankfurt (1.UWT) am Start, einem Rennen, das wie kaum ein zweites ein Kampf zwischen Sprintern und Ausreißern ist.

30.04.2025Landa auch 2026 Edelhelfer von Evenepoel?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

30.04.2025“Ohne unnötiges Risiko“: Evenepoel Prolog-Achter

(rsn) – Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step) legte los wie die Feuerwehr, doch am Ende des 3,4 Kilometer langen Prologs der Tour de Romandie (2.UWT) musste sich der Zeitfahrweltmeister mit dem acht

30.04.2025Dorn bei der Türkei-Rundfahrt wieder im Bergtrikot unterwegs

(rsn) – Im vergangenen Jahr gewann Vinzent Dorn das Bergtrikot der Tour of Turkey (2.Pro). Bei der aktuellen Ausgabe der Rundfahrt ist der Fahrer von Bike Aid auf gutem Weg, diesen Coup zu wiederhol

29.04.2025Highlight-Video des Prologs zur Tour de Romandie

(rsn) – Fast zu schön, um wahr zu sein: Am Montag trainierte Samuel Watson noch in Andorra, als ihn ein Anruf seines Teams Ineos Grenadiers erreichte: Der Brite musste bei der Tour de Romandie eins

29.04.2025Watson schnappt Oliveira den Sieg um drei Zehntel noch weg

(rsn) – Ivo Oliveira (UAE Team Emirates – XRG), der zuletzt beim Giro d’Abruzzo gleich zweimal hatte jubeln können, schien den dritten Saisonsieg schon in der Tasche zu haben. Den aber schnappt

29.04.2025Pogacar im Frühjahr auch bei den Preisgeldern die Nummer eins

(rsn) – Wer viel gewinnt, kann sein Gehalt nochmals aufbessern. Auch hinsichtlich der Preisgelder war Weltmeister Tadej Pogacar (UAE Emirates – XRG) den Konkurrenten bei den Frühjahrsklassikern d

29.04.2025Evenepoel hat keine Lust auf Montmatre-Kopfsteinpflaster

(rsn) – Nachdem er seine verletzungsbedingt kurze Klassikerkampagne mit einem enttäuschenden 59. Platz bei Lüttich-Bastogne-Lüttich beenden musste, hat sich Remco Evenpoel (Soudal – Quick-Step)

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Eschborn-Frankfurt (1.UWT, GER)
  • Radrennen Männer

  • Tour du Bénin (2.2, 000)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Eschborn - Frankfurt U23 (1.2u, GER)
  • GP Vorarlberg p/b Radhaus (1.2, AUT)
  • Tintrio - Omloop van het (1.2, BEL)
  • Cuarta Vuelta Bantrab (2.2, GUA)
  • Presidential Cycling Tour of (2.Pro, TUR)