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04.05.2017 | rsn) - Nairo Quintana (Movistar) und Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) sind nicht nur für die meisten Beobachter die Top-Favoriten beim morgen auf Sardinien beginnenden 100. Giro d'Italia (5. - 28. Mai). Im Favoritencheck von Radsport News erhalten der Kolumbianer und der Italiener als einzige der 197 Starter die maximal möglichen fünf Sterne.
Nairo Quintana (Movistar): Nach zwei Jahren der Abstinenz kehrt der Kolumbianer zum Giro d`Italia zurück und will seinen zweiten Gesamtsieg nach 2014 einfahren. Der Kletterspezialist präsentierte sich in dieser Saison bereits in sehr ansprechender Form und feierte fünf Siege, darunter die Gesamtwertung bei Tirreno-Adriatico. Auch der letzte Formtest bei der der Asturien-Rundfahrt verlief mit dem Sieg auf der Königsetappe und dem zweiten Gesamtrang nach Plan, auch wenn die Konkurrenz in Spanien recht schwach war. Quintana kann nicht nur auf die eigene Stärke, sondern auch auf ein sehr gut besetztes Team bauen. Mit Gorka Izagirre, Victor de la Parte, Winner Anacona und Andrey Amador stehen dem Kapitän gleich vierstarke Bergfahrer zur Seite. Dazu kommt der erfahrene Italiener Daniele Bennati, der in seiner Heimat Quintana sicher durch die hektischen Flachetappen pilotieren soll sowie die starken Allrounder Jose Joaquin Rojas und Rory Sutherland. Zwar wartet der Giro wieder mit zahlreichen Bergprüfungen auf, was ganz nach Quintanas Geschmack sein dürfte. Gar nicht gefallen dürften dem kleinen Mann aus Tunja in den Anden Kolumbiens die beiden langen Einzelzeitfahren. Vor allem, da die abschließenden Prüfung gegen die Uhr nach Mailand den Allroundern noch einmal Gelegenheit bietet, das Rosa Trikot auf den letzten Drücker zu erobern.
Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida): Der 32-jährige Italiener teilt sich beim Giro die Rolle des Top-Favoriten mit Quintana. Für Nibali sprechen vor allem seine Erfahrung und Streckenkenntnis. Auch in den beiden Zeitfahrprüfungen dürfte er gegenüber Quintana leicht im Vorteil sein. Bergauf konnte Nibali in diesem Jahr noch nicht so recht überzeugen. Zwar gewann der Bahrain-Kapitän zuletzt die Kroatien-Rundfahrt, doch dies nur hauchdünn und dazu gegen ein zweitklassiges Starterfeld. Mit Valerio Agnoli, Franco Pellizotti, Kanstantin Siutsou, Enrico Gasparotto und Giovanni Visconti weiß Nibali zwar erfahrene Profis an seiner Seite, an die Klasse von Quintanas Helferriege kommen die Routiniers aber nicht heran.
Thibaut Pinot (FDJ): Erstmals in seiner Karriere steht der Franzose beim Giro am Start und will gleich bei seinem Debüt um den Gesamtsieg kämpfen. Der 26-Jährige will fehlende Streckenkenntnis gegenüber Nibali und Quintana mit seiner neu gewonnenen Zeitfahrstärke kompensieren. Dass er mit den italienischen Bergen zurecht kommt, stellte der FDJ-Profi erst unlängst mit einem Etappensieg bei der Tour of the Alps, die er auf Rang zwei abschloss, unter Beweis. Und auch die mannschaftliche Unterstützung kann sich sehen lassen. In den Bergen etwa kann Pinot auf die beiden Schweizer Sebastien Reichenbach und Steve Morabito bauen.
Tom Dumoulin (Sunweb): Nachdem er 2015 bei der Vuelta erstmals bei einer Grand Tour um den Gesamtsieg kämpfte – und letztlich Sechster wurde – nimmt Dumoulin nun beim Giro einen neuen Anlauf, sich als Klassementfahrer zu beweisen. Dafür konzentrierte sich der Zeitfahrspezialist im Gegensatz zu den meisten seiner Kontrahenten auf das Training und verzichtete fast vollständig auf Rennen. Im April hatte Dumoulin nur einen einzigen Einsatz: Bei Lüttich-Bastogne-Lüttich belegte er Platz 22. Sein Team Sunweb ist ganz auf den 26-Jährigen ausgerichtet, mit Wilco Kelderman, Laurens ten Dam und Simon Geschke wurden drei kletterstarke Fahrer nominiert. Im vergangenen Jahr trug Dumoulin bereits das Rosa Trikot, und zwar nach dem Giro-Auftakt im niederländischen Apeldoorn für immerhin sechs Tage. Diesmal würde er gerne zum großen Finale in Mailand damit ausgezeichnet werden. Für den Sunweb-Kapitän sprechen die beiden langen Zeitfahren, in denen er seine Stärken voll ausspielen kann. Ob Dumoulin allerdings im Hochgebirge mit Quintana, Nibali & Co. wird mithalten können, erscheint doch fraglich.
Tejay van Garderen (BMC): Nachdem er in den vergangenen Jahren vor allem bei der Tour de France enttäuschte, läuft es bei van Garderen in diesem Jahr in den Rundfahrten wieder besser. So kann man vom mittlerweile 28-Jährigen beim Giro-Debüt sogar eine Platzierung unter den besten Fünf erwarten. Dies war dem US-Amerikaner zuletzt 2014 gelungen, als er Fünfter der Frankreich-Rundfahrt wurde. Grund zum Optimismus bietet die gute Form, die van Garderen zuletzt bei der Tour de Romandie zeigte, wo er auf der Königsetappe Vierter und im abschließenden Zeitfahren Dritter wurde. Aber auch bei der Katalonien-Rundfahrt im März konnte der BMC-Profi mit einem fünften Gesamtrang überzeugen. Und auch ein stark besetztes BMC-Team spricht für van Garderen. So stehen mit Rohan Dennis, der selbst Klassementambitionen hegt, Ben Hermans, Manuel Senni und Dylan Teuns gute Bergfahrer im Aufgebot, dazu kommen die tempofesten Allrounder Silvan Dillier und Francisco Ventoso.
Bauke Mollema (Trek-Segafredo): Nachdem er 2010 beim Grand Tour-Debüt gleich Zwölfter des damaligen Giro d'Italia wurde, kehrt der Niederländer nach sieben Jahren zur Italien-Rundfahrt zurück, wo er zur 100. Auflage unter die ersten Fünf fahren möchte. Allerdings steht hinter der Form des 30-Jährigen ein kleines Fragezeichen. In seinem letzten Einsatz, der Katalonien-Rundfahrt Ende März, musste Mollema vorzeitig vom Rad steigen. So bleibt der Gesamtsieg bei der Tour de San Juan zu Saisonbeginn sein bestes Saisonresultat. Gespannt sein darf man auch, wie sich der Trek-Kapitän in den beiden langen Zeitfahren schlagen wird. Hier könnte Mollema entscheidende Sekunden verlieren. Zudem wird er im Hochgebirge wohl nur wenig Unterstützung von seinem Team erhalten. Mit Jesus Hernandez und Peter Stetina stehen nämlich nur zwei weitere Kletterspezialisten im Trek-Aufgebot.
Bob Jungels (Quick Step Floors): Mit dem sechsten Gesamtrang und dem Sieg in der Nachwuchswertung ging im Vorjahr beim Giro der Stern des Luxemburgers auf. Dieses Ergebnis will der 24-Jährige, der 2016 sogar drei Tage das Rosa Trikot trug, bei der 100. Auflage nun noch übertreffen. Dabei kommen dem Quick Step-Kapitän die vielen Zeitfahrkilometer entgegen. Für Jungels spricht auch seine gute Form - zuletzt wurde er Achter der Tour de Romandie. Allerdings wird der Luxemburgische Meister im Hochgebirge wohl auf sich allein gestellt sein. Am ehesten könnte er noch Unterstützung von Laurens de Plus oder Pieter Serry erhalten.
Geraint Thomas (Sky): Beim Giro will der Waliser zeigen, dass er nicht nur die einwöchigen Rundfahrten erfolgreich bestreiten, sondern auch eine Grand Tour auf vorderen Plätzen beenden kann. Bei bisher zehn Teilnahmen sprang für den Allrounder noch keine Top Ten-Platzierung heraus. Kein Wunder, war Thomas bisher doch meist als Helfer für Chris Froome unterwegs. Beim Giro wird der Waliser nun erstmals in seiner Karriere die Kapitänsrolle übernehmen. Dass der 30-Jährige in bestechender Form ist, belegt ein Blick auf seine bisherigen Ergebnisse. So wurde Thomas dank eines Etappensiegs Fünfter bei Tirreno-Adriatico und zuletzt sogar Gesamtsieger der schweren Tour of the Alps. Für Thomas sprechen seine Stärke im Kampf gegen die Uhr und das überragend besetzte Sky-Aufgebot. Gemeinsam mit Mikel Landa bildet er im Kampf um das Rosa Trikot eine Doppelspitze, die in den Bergen von Philip Deignan, Kenny Ellisonde und Diego Rosa unterstützt wird.
Rohan Dennis (BMC): Der Australier ist bisher vor allem als starker Zeitfahrer in Erscheinung getreten. Da er nun auch seine Kletterfähigkeiten verbessert hat, könnte der 26-Jährige bei BMC zum Giro-Joker werden, sollte van Garderen die Erwartungen nicht erfüllen können. Immerhin kann Dennis bereits vier Saisonsiege vorweisen, darunter zuletzt ein Etappenerfolg bei der schweren Tour of the Alps.
Mikel Landa (Sky): Der Spanier wurde 2015 überraschend Dritter beim Giro und empfahl sich dadurch auch beim Team Sky, das Landa zum Saisonende prompt verpflichtete. Im vergangenen Jahr konnte der Kletterspezialist die Erwartungen als neuer Sky-Kapitän nicht erfüllen und musste die Rundfahrt vorzeitig beenden. Diesmal bildet Landa gemeinsam mit Geraint Thomas eine aussichtsreiche Doppelspitze. Dabei dürfte Thomas etwas stärker einzuschätzen sein, da Landa in den beiden Zeitfahren zu den schwächeren Kandidaten zählt. Im Hochgebirge dagegen ist mit dem Kletterspezialisten zu rechnen.
Steven Kruijswijk (LottoNL-Jumbo): Im Vorjahr war der Niederländer nahe dran am Giro-Gesamtsieg. Im Rosa Trikot fahrend stürzte Kruijswijk schwer und musste sich letztlich mit Rang vier begnügen. Auch bei der diesjährigen Tour of Yorkshire ging der LottoNL-Kapitän zu Boden und musste seine Giro-Generalprobe vorzeitig beenden. Die Verletzungen des 29-Jährigen sollen aber nicht so schwerwiegend sein, als dass sie seine Chancen beim Giro schmälern könnten. Gespannt sein darf man aber trotzdem, denn abgesehen vom einem siebten Rang bei der Katalonien-Rundfahrt Ende März sprang für Kruijswijk in dieser Saison nur wenig Zählbares heraus. Doch ähnlich verhielt es sich auch im Vorjahr - Aufschluss über die Verfassung des Kletterspezialisten wird wohl erst der Verlauf der Italien-Rundfahrt geben. Mit Jürgen Van den Broeck und Enrico Battaglin hat Kruijswijk lediglich zwei gute Kletterer an seiner Seite und auch im Zeitfahren – seiner Wackeldisziplin – muss der Niederländer den Schaden möglichst gering halten.
Ilnur Zakarin (Katusha-Alpecin): Ähnlich wie Kruijswijk wurde der Russe im Vorjahr durch einen Sturz beim Giro aller Chancen beraubt. Zakarin war lange Zeit auf Top-Fünf-Kurs, ehe er das Rennen aufgeben musste. In diesem Jahr soll es für den Katusha-Kapitän besser laufen. Platz zwei bei der Abu Dhabi Tour und Rang sechs bei Paris-Nizza scheinen darauf hinzudeuten, und auch Zakarins aktuelle Form scheint ordentlich zu sein, was Platz 15 bei der Tour de Romandie unterstreicht. Ein kleines Fragezeichen ist allerdings hinter die mannschaftliche Unterstützung zu setzen. Am Berg werden vor allem Robert Kiserlovski und mit Abstrichen José Goncalves Helferdienste leisten können.
Adam Yates (Orica-Scott): Der Vierte der Tour de France 2016 nimmt zum ersten Mal an der Italien-Rundfahrt teil und will an sein Ergebnis in Frankreich anknüpfen. Am Berg wird Yates wohl mit den Besten mithalten können, allerdings dürfte er in den beiden Einzelzeitfahren wertvolle Sekunden oder gar Minuten verlieren. Auch die Helferriege könnte stärker besetzt sein, am Berg werden wohl nur Carlos Verona und Ruben Plaza eine Hilfe sein. Zuversichtlich dürfte Yates seine Form stimmen. Neben dem Sieg beim GP Industria holte er einen vierten Gesamtrang bei der Katalonien-Rundfahrt und wurde zuletzt Achter bei Lüttich-Bastogne-Lüttich.
Sebastien Reichenbach (FDJ), Pierre Rolland (Cannondale-Drapac), Tanel Kangert (Astana), Domenico Pozzovivo (Ag2r)
Rui Costa (UAE Team Emirates, Igor Anton (Dimension Data), Bart De Clerq (Lotto Soudal), Sergej Firsanov (Gazprom-RusVelo), Jan Hirt (CCC Sprandi), Davide Formolo (Cannondale-Drapac), Patrick Konrad (Bora-hansgrohe), Wilco Kelderman (Sunweb), Hugh Carthy (Cannondale-Drapac)