RSNplusRSN-Rangliste, Platz 4: Florian Lipowitz

Dank Höhentrainingslager in neue Sphären

Von Sebastian Lindner

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Florian Lipowitz (Red Bull - Bora - hansgrohe) im Weißen Trikot der Vuelta a Espana | Foto: Cor Vos

29.12.2024  |  (rsn) – Keiner hatte diese Entwicklung erwartet. Vor allem nicht Florian Lipowitz selbst. Der Ex-Biathlet, der 2024 seine zweite Profisaison im Radsport absolvierte, wurde Siebenter der Vuelta Espana. Letzter Deutscher, der in Spanien besser abschnitt, war 1999 Jan Ullrich, als er die Rundfahrt gewann. Den Namen des einzigen deutschen Tour-de-France-Siegers will im Umfeld von Lipowitz aber keiner hören, auch nicht in seinem Team Red Bull – Bora – hansgrohe.

Dabei lässt sich der Name kaum vermeiden. Ullrich wird noch auf Jahre die Referenz für alle deutschen Rundfahrer sein. Bis eben ein anderer kommt und die Tour gewinnt. Lipowitz wird das wahrscheinlich nicht sein. Jedenfalls nicht, so lange die Kontrahenten Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel oder Primoz Roglic heißen. Was der 24-Jährige 2024 gezeigt hat, war ein vorsichtiges Anklopfen an der Weltspitze. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es reichte, um Interesse zu wecken. Vorsicht und Augenmerk bei der Konkurrenz, Hoffnung und Fantasien im Fanlager. Bei Red Bull wissen sie um beides. Und wollen ihr Talent daher sorgsam aufbauen. ___STEADY_PAYWALL___

Doch kein Jahr “für die Tonne“

Danach, dass die zurückliegende Saison in irgendeiner Weise für Lipowitz besonders werden könnte, sah zu Jahresbeginn nicht viel aus. “Ich bin mit vielen Krankheiten aus dem Winter gekommen und darum erst spät in die Saison gestartet“, erinnert sich der Mann aus dem baden-württembergischen Laichingen, der aber schon vor Jahren mit der Familie in die österreichischen Alpen übergesiedelt war, im Gespräch mit RSN. “Ich hatte eine Grippe, war zwölf Tage raus. Dann hab ich zu früh wieder angefangen, bekam eine leichte Lungenentzündung. Und so waren dann vier, fünf Wochen weg. Da dachte ich mir, das wird ein Jahr für die Tonne.“

Auf der 4. Etappe der Tour de Romandie musste sich Florian Lipowitz nur Richard Carapaz (EF Education - EasyPost) geschlagen geben. | Foto: Cor Vos

Doch es kam anders. Den ersten seiner 50 Renntage absolvierte Lipowitz bei Mailand-Turin (1.Pro) Mitte März und mit Rang 14 gleich ganz ordentlich. Das eigentliche Saisonziel, ein Grand-Tour-Debüt beim Giro d’Italia, war noch realistisch, sodass sich der Deutsche über die WorldTour-Rennen Katalonien-Rundfahrt und Tour de Romandie in Form fahren wollte. In der Schweiz passierte es dann. Lipowitz, eigentlich in der Helferrolle für seine Kapitäne Jai Hindley und Aleksandr Vlasov gestartet, konnte während des gesamten Rennens mit den Besten mitfahren. Nachdem er bereits das dritte Teilstück als Vierter beendete, war auf der Königsetappe nur Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) besser. In der Gesamtwertung reichte es für Rang drei. Sieger Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) war lediglich neun Sekunden schneller, Vlasov derer sieben.

Lipowitz: Höhentrainingslager macht den Unterschied

Lipowitz‘ Erfolg bei der Romandie kam für alle überraschend. Weder Rolf Aldag als Sportlicher Leiter des Teams hatte damit gerechnet, noch die fahrenden Teamkollegen. “Ich glaube tatsächlich, dass ich damit alle überrascht habe, das hatte so niemand erwartet“, sagt Lipowitz. “Jeder wusste zwar, dass ich schon mal die Czech Tour gewonnen hatte und auch in der Türkei schon mal gut bergauf gefahren bin, aber das war alles eine ganz andere Kategorie als WorldTour.“ Die Underdog-Rolle, die er auch im Team innehatte, war passé.

Doch woher kommt die Leistungssteigerung? Lipowitz sieht die Erklärung in der Vorbereitung. “Ich habe mit meinem Trainer John Wakefield im Winter viel an meinen Schwächen gearbeitet und Schritte in die richtige Richtung gemacht. Entscheidend war aber, dass ich erstmals ein richtig professionelles Höhentrainingslager gemacht habe“, glaubt er. Das war vor der Tour de Romandie. “Ich war auch schon im Jahr davor konstant unterwegs. Aber um ganz vorne mitfahren zu können, muss man die Höhe.“

Der Auftritt in der Schweiz sorgte zwar für Selbstbewusstsein, änderte an der Zielstellung für den bevorstehenden Giro aber nichts. Kapitän Daniel Felipe Martinez so gut es geht helfen und selbst bis nach Rom kommen, damit wollte sich Lipowitz begnügen. Doch der Plan ging nicht auf. Vor der 6. Etappe musste er krank aufgeben. Seine Form hatte er zuvor aber schon am zweiten Tag mit Rang fünf nachgewiesen.

Hinter Marco Brenner (Tudor) und vor Kim Heiduk (Ineos Grenadiers) gewann Lipowitz DM-Silber. | Foto: Cor Vos

Erfolgreich bei allen Rennen

Dennoch war durch das frühe Ausscheiden einmal mehr die Saisonplanung über den Haufen geworfen. Allerdings rückte auch dadurch erst die Vuelta in Lipowitz` Saisonplan, ursprünglich stand sie nicht im Programm. Dafür ging es für ihn erneut in die Höhe, was wiederum für eine Ausdünnung seines Rennkalenders sorgte. Was Lipowitz jedoch fuhr, waren die Deutschen Meisterschaften, die er als Zweiter beendete, und die Sibiu Tour (2.1), die er durch einen zweiten und einen dritten Platz auf den Etappen letztlich für sich entscheiden konnte.

Die persönliche Einordnung seiner Erfolge fällt Lipowitz recht einfach. “Top 3 bei der Romandie ist schon noch mal was anderes als die Sibiu Tour, weil da zehn, fünfzehn richtig gute Fahrer am Start waren. Allerdings möchte ich auch den Sieg nicht missen, denn zu gewinnen ist immer schön.“ Etwas ganz anderes sei allerdings sein Top-10-Resultat bei der Vuelta gewesen. “Drei Wochen konstant Leistung abzurufen ist eine andere Hausnummer. Und das gleich bei der ersten Grand Tour, die ich finishen konnte, ist schon besonders“, freut sich Lipowitz.

Seine Vuelta schildert der 24-Jährige so: “Ich war da eigentlich nur als Helfer, hatte vom Team keinen sonderlichen Druck. Meine Hauptaufgabe war es, bei Primoz zu bleiben. Darüber hinaus wollte ich nur ankommen und nicht wie beim Giro ausscheiden. Allein durch die Rolle, so lange bei Primoz zu bleiben wie möglich, ist die Chance ja schon hoch, ziemlich weit vorne zu landen.“

Auf der 15. Etappe der Vuelta a Espana riss Lipowitz am Schlussanstieg alles für seinen Kapitän Primoz Roglic auseinander. | Foto: Cor Vos

Raus aus der Helferrolle

Spätestens sein Abschneiden in Spanien hat ihm für das kommende Jahr ein anderes Aufgabenprofil beschert. Die reine Helferrolle habe Lipowitz hinter sich gelassen, bestätigte Rolf Aldag, Sportlicher Leiter bei Red Bull. Sein Rennplan steht zum Teil. Der Jungprofi selbst sagte, den Fokus auf das Critérium du Dauphiné zu legen, dort als Leader an den Start zu gehen. Zweites Ziel sei Tirreno-Adriatico (2.UWT). In die Saison einsteigen will Lipowitz Ende Januar bei der Mallorca Challenge. Vuelta oder Tour – eine von beiden Rundfahrten wird es werden.

Bereits vor dem Trainingslager auf Mallorca Mitte Dezember weilte Lipowitz auf der Baleareninsel, um sich für die neue Saison in Form zu bringen. Nach dem Jahreswechsel, den er bei der Familie verbringt, geht es wieder auf das Eiland im Mittelmeer zum zweiten Trainingslager mit der Mannschaft, bevor dann auch die ersten Rennen warten.

Wenn nicht gerade Grundlagentraining auf den Straßen Mallorcas ansteht, wird Lipowitz wieder häufig im Velodrom von Palma anzutreffen sein. Denn als guter Rundfahrer muss er auch im Kampf gegen die Uhr abliefern können. “Zeitfahren macht mir viel Spaß, aber ich habe noch nicht so viel dran gearbeitet. Wir haben jetzt aber schon ein paar Aerotests durchgeführt.“ Grundsätzlich komme ihm die Form der Belastung aber entgegen, glaubt er. “Es hat Ähnlichkeit mit Biathlon oder Langlaufrennen, wo man sich eine halbe Stunde am Limit quälen muss. Das ist etwas anderes, als fünf Stunden im Sattel zu sitzen. Man muss von Anfang an ready sein, das würde ich mit meiner früheren Sportart vergleichen.“

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