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25.07.2025 | (rsn) - Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – hansgrohe) ist dem Podestplatz bei der Tour de France 2025 einen entscheidenden Schritt nähergekommen. Auf der 19. Etappe von Albertville nach La Plagne versetzte er Oscar Onley (Picnic - PostNL) im Kampf um Platz drei im Gesamtklassement einen empfindlichen Schlag. Auf den finalen Kilometern der letzten Bergankunft der Frankreich-Rundfahrt legte der Deutsche die Karten auf den Tisch, dabei schreckte er auch vor den beiden Granden nicht zurück.
"Für Lipo war es heute ganz einfach: Onley, Onley, Onley", fasste Rolf Aldag, Sportdirektor von Red Bull – Bora – hansgrohe, den Plan für die drittletzte Etappe der Tour im Interview mit RSN zusammen. "Kein Millimeter durfte zwischen die beiden. Wenn er zum Pinkeln anhält oder seine Oma irgendwo begrüßt, dann fährt er mit." An diese Vorgaben hat sich Lipowitz einen Tag nach der bitteren Lektion am Col de la Loze bis in den finalen Akt des 93 Kilometer langen Teilstücks gehalten – um dann im entscheidenden Moment zuzuschlagen.
___STEADY_PAYWALL___Rund sieben Kilometer vor Schluss geriet der 24-Jährige aber zunächst unter Druck. Einer Tempoverschärfung seitens Tadej Pogacar (UAE - Emirates – XRG) in der Verfolgergruppe konnten Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) und Onley folgen, zu Lipowitz entstand eine kleine Lücke. Davon ließ er sich aber nicht aus der Ruhe bringen. "Ich wollte es heute nicht überziehen. Als sie sich angeschaut haben, wusste ich, dass ich zurückkomme", erklärte er. "Es war noch ein gutes Stück bis ins Ziel, deswegen wollte ich mich selber pacen."
Auf der 19. Etappe der Tour de France zeigte Florian Lipowitz (hier hinten im Bild) keine Schwäche und hängte seinen größten Konkurrenten Oscar Onley (vor ihm) auf den letzten zwei Kilometern ab. | Foto: Cor Vos
Da Pogacar sich etwas zurückhielt, konnte der gebürtige Ulmer wieder zu dem Trio aufschließen. Wenig später folgte schließlich eine Episode, die ihn für seine clevere Herangehensweise belohnen sollte. Etwa zwei Kilometer vor dem Ziel ließ Onley nach, Lipowitz schob sich an seinem schottischen Rivalen vorbei und klemmte sich direkt ans Hinterrad von Vingegaard. "Im letzten Anstieg habe ich viel nachgedacht", blickte der Tour-Debütant auf diesen Moment zurück. "Man weiß nie, wie die Beine sind. Aber ich habe mich nach wie vor gut gefühlt. Und als Oscar zurückfiel, habe ich einfach alles gegeben."
Lipowitz zog an Pogacar und Vingegaard vorbei und gab selbstbewusst das Tempo vor. Der Abstand zu Onley wurde größer und größer, so dass der Vorsprung im Gesamtklassement von 22 Sekunden auf insgesamt 1:03 Minuten anwuchs. "Ich fand es genial, weil Florian sehr schnell reagiert hat. Oscar ist explodiert – und dann eine Lücke aufzureißen, war eine gute Überlegung von ihm", schwärmte Aldag von der blitzschnellen Reaktion seines Schützlings. "Bevor Pogacar und Vingegaard wieder Tempo rausnehmen konnten, sorgte er dafür, dass die Lücke größer wurde."
An der Bergankunft in La Plagne hatte der 22-jährige Brite 41 Sekunden Rückstand auf seinen deutschen Konkurrenten | Foto: Cor Vos
Auf den letzten Metern sorgte Lipowitz dann aber noch für einen Schreckmoment, entging er doch nur haarscharf einem Sturz. "Ich bin gesprintet und auf der Straße war irgendeine Bemalung. Dann ist das Hinterrad weggerutscht", erinnerte er sich an die Szene. "Zum Glück ist nichts passiert und ich konnte noch auf dem Rad bleiben."
Im Ziel angekommen überwogen bei Lipowitz schließlich die Glücksgefühle. Das hing aber nicht nur mit der vielversprechenden Position in der Gesamtwertung zusammen. "Die Fans auf der Straße waren unfassbar, sie haben mich angefeuert. Mein Name stand auf der Straße, einfach toll", berichtete er von einer unvergesslichen Erfahrung im Schlussanstieg. "Ob ich ein Superstar bin, weiß ich nicht. Aber es hat sich super angefühlt, ich hatte Gänsehaut. Ich bin sehr stolz."
Nicht nur im Ziel der 19. Tour-Etappe war Tour-Debütant Lipowitz (LI.) auf Augenhöhe mit den Topstars Tadej Pogacar (in Gelb) und Jonas Vingegaard). | Foto: Cor Vos
Zwei Etappen stehen bei der 112. Tour de France noch auf dem Programm – da ist mit einem Vorsprung von knapp einer Minute doch fast alles in trockenen Tüchern, oder? "Wir sollten vorsichtig und konzentriert sein", mahnte Aldag. "Wenn Oscar eine Chance sieht, wird er angreifen. Wir müssen hellwach sein. Es ist noch nicht durch."
Doch selbst ein Sportdirektor wird ab und zu beim Träumen erwischt. Zwar war der Podestplatz bereits vor der Tour das angepeilte Ziel, aber "wenn wir das mit einem Rennfahrer schaffen, der für uns die Zukunft darstellt, ist das umso schöner", so Aldag. "Über einen solchen dritten Platz wären wir superglücklich."