--> -->
11.09.2025 | Eigentlich war es einer der größten Erfolge der vergangenen Jahre für das Team Strassacker: Mit Dennis Biederer holte erstmals seit 2017 wieder ein Strassacker-Fahrer den Gesamtsieg beim Riderman. Nach Jahren der erfolglosen Anläufe auf das Rosa Trikot beim prestigeträchtigen Etappen-Rennen gewann der bayerische Berg- und Zeitfahr-Spezialist vor starker Konkurrenz.
Doch sein Sieg wurde überschattet von einem verheerenden Massensturz am Sonntag, der dem Rennen zu trauriger Aufmerksamkeit in der nationalen Presse verhalf, von "Bild" bis ins Heute-Journal - was unseren Erfolg in den Hintergrund treten lässt.
Lange Durststrecke für das Team
Aus sportlicher Sicht lief das Wochenende für das Teams Strassacker beinahe perfekt. Mit einer konzentrierten und geschlossenen Performance sicherten wir uns wieder den Titel in Bad Dürrheim. Die lange Durststrecke seit dem Gesamtsieg von Hanno Rieping 2017 verdeutlicht den großen Wert des sportlichen Erfolgs, denn auch in diesem Jahr stand wieder sehr starke Konkurrenz am Start.
Dennis Biederer legte den Grundstein für seinen Gesamtsieg schon am Freitag, mit einem überragenden Zeitfahren auf einem neuen Kurs. Mit einer halben Minute auf Rang zwei und beinahe einer Minute Vorsprung auf die übrigen Konkurrenten konnte Dennis sich durchsetzen. Mit Moritz Palm und Florian Sauer fanden sich zwei weitere Fahrer in Celeste unter den besten sechs, was uns für Samstag eine perfekte Ausgangsposition verschaffte.
Dort entwickelte sich über 110 Kilometer und rund 1500 Höhenmeter ein hartes Ausscheidungsfahren, an dessen Ende sich eine siebenköpfige Gruppe absetzen konnte. Jakob Huschle vom "Team Embrace the World" verwies Moritz auf Rang zwei im Sprint, gefolgt von Vorjahressieger Stefan Kirchmair. Dennis und Flo waren ebenfalls Teil der Spitzengruppe, sodass wir mit der verheißungsvollen Ausgangsposition der Plätze eins, drei und vier in den Schlusstag starteten. Dennis lag nun eine knappe Minute vor dem ersten Verfolger.
Verheerender Massensturz schon zu Beginn
Die gute Ausgangslage für den abschließenden Sonntag spielte aber schon bald keine große Rolle mehr. Bereits rund vier Kilometer nach dem Start ereignete sich auf leicht abfallender Strecke etwa um Position 50 im Hauptfeld ein Sturz, in dessen Folge ein großer Teil des vorderen Felds zu Boden ging. An sich ein "normaler" Rennunfall, wie er in vielen Radrennen vorkommt.
Außergewöhnlich war allerdings das Ausmaß des Sturzes: Eine dreistellige Zahl von Fahrern stürzte, die Polizei meldete schließlich rund 100 Verletzte und 38 Schwerverletzte (bei rund 1100 Startern). Bei dem Bild der Verwüstung, das sich nach dem Unfall bot, und Schilderungen von Augenzeugen muss man von Glück sprechen, dass niemand ums Leben gekommen ist. Team-Kollege Ben Witt zählte nicht weniger als 68 Krankenwagen an der Unfallstelle.
Das Rennen wurde im Anschluss noch anderthalb Stunden fortgesetzt und schließlich an der letzten Bergwertung des Tages für beendet erklärt. Eine Information der Fahrer an der Spitze zum Geschehen erfolgte nicht, weswegen das Rennen bis zum Abbruch normal ausgefahren wurde.
Gesamtsieg dank toller Mannschaftsleistung
Dennis stürzte zwar ebenfalls und verlor zwischenzeitlich den Anschluss, konnte seine Gesamtführung aber mithilfe des Teams und dank einer bravourösen Energieleistung verteidigen. Mit großen Einsatz fuhren das Team und Dennis zurück ins Feld und wurde schließlich als Tages-Vierter gewertet.
"Das Team hat unermüdlich für mich gearbeitet nach dem Sturz. Ohne die Jungs wäre das sicher eine ganz, ganz enge Kiste geworden", lobte Gesamtsieger Dennis nach dem Rennen, mit einem blutenden und dicken Ellenbogen. Moritz und Flo stürzten ebenfalls, zogen sich schmerzhafte Prellungen zu und spielten in der Folge keine Rolle im Rennen mehr. Noch ärger erwischte es Jonas, der sich einen Schlüsselbeinbruch zuzog und ins Krankenhaus gebracht werden musste – auch an dieser Stelle nochmals gute Besserung!
Kann man Lehren aus dem Massensturz ziehen?
Stürze gehören leider zum Radsport. Jeder, der an einem Radrennen teilnimmt, muss sich im Klaren sein, dass die Gefahr besteht, mit Abschürfungen, Knochenbrüchen und Carbon-Schrott nach Hause zu kommen. Beim Massensturz in Dürrheim spricht alles dafür, dass er aus einer normalen Renn-Situation entstanden ist – sei es, dass sich ein Fahrer an einem Hinterrad aufgehängt, sei es ein geplatzter Reifen oder ein unbedachtes Fahr-Manöver, was die folgende Kettenreaktion ausgelöst hat.
Der Unfall ist also mehr oder weniger Pech und niemandem vorzuwerfen. Auch die Rettungskette wohl perfekt funktioniert, genau wie die Handhabung des Geschehens durch den Veranstalter.
Dass dieser Sturz so gravierende Auswirkungen hatte, hat Gründe: Es haben sich mehrere Faktoren kumuliert und zur gefährlichen Lage geführt. Der Sturz passierte auf einer leichten Abfahrt, zudem herrschte Rückenwind. Dadurch lag die Geschwindigkeit im Feld bei rund 65 km/h.
Sehr großes Feld mit hoher Geschwindigkeit
Das Peloton war zum Unfallzeitpunkt noch sehr groß und auf einer breiten Straße unterwegs, weshalb die Fahrer sehr dicht beieinander waren. Das machte Ausweichen unmöglich und erhöhte die Zahl der Gestürzten massiv. Dichte Felder und hohe Geschwindigkeit erhöhen das Risiko solch verheerender Stürze.
Abfahrten gehören zu Radrennen, ebenso dass schnell gefahren wird. Veranstalter können aber durch die Streckenwahl beeinflussen, wann gefährliche Stellen im Rennen auftreten und wie groß die Felder sind, die solche Punkte erreichen. Je kleiner die Gruppen sind, die in einer gleichzeitig sehr schnell unterwegs sind, desto weniger gravierend sind die Auswirkungen von Stürzen.
Beim Riderman ging es direkt vom Start in einen knapp drei Minuten langen Anstieg und direkt danach in die besagte Abfahrt, in welcher der Sturz passierte. Vor zehn Jahren mag ein solcher Anstieg gereicht haben, um eine reduzierte Gruppe in die erste Abfahrt zu schicken. Bei der Leistungsdichte, die mittlerweile in der Jedermann-Szene herrscht, genügt ein solcher Berg aber nicht mehr, um das Feld zu sortieren und zu verkleinern.
Immer höheres Leistungs-Niveau in der Jedermann-Szene
Nur zur Verdeutlichung des Niveaus: Am Samstag habe ich über 2:45 Stunden gut vier Watt pro Kilogramm Körpergewicht im Schnitt getreten, was für Platz 74 gereicht hat. Über fünf Watt pro Kilogramm Schwellenleistung sind weit verbreitet, an der Spitze geht es Richtung sechs Watt pro Kilogramm. Um das Feld zu sortieren, braucht es deswegen schwerere Berge, oder ein anderes Strecken-Design.
Besser wäre es beispielsweise gewesen, wenn das Feld wie zuletzt 2023 zunächst über welliges Gelände und kleinere verwinkelte Straßen geschickt worden wäre. Dann zieht sich das Geschehen automatisch auseinander, das Feld wird sortiert und ausgedünnt, die Geschwindigkeit ist geringer als auf breiten Straßen. Selbst wenn ein Sturz passiert, hat dieser keine so gravierenden Auswirkungen wie am Sonntag.
Diese Kritik gilt ausdrücklich nicht nur für den Riderman. Auch in Frankfurt oder seit diesem Jahr in Köln führt das Rennen direkt zu Beginn auf große mehrspurige Schnellstraßen, die sehr dichte Felder bei hohen Geschwindigkeiten zur Folge haben.
Auch die Größe der Startblöcke ist einen wesentlichen Faktor dafür, wieviele Fahrer gleichzeitig an gefährliche Stellen kommen. So könnte man erwägen, den ersten Block auf beispielsweise 150 bis 200 Starter zu reduzieren, Abstände zwischen den Startblöcken zu lassen und somit das Risiko von Massenstürzen bei hohen Geschwindigkeiten zu reduzieren.
Unterschiedlich erfahrene Starter/innen
Es gehört jedoch auch zur Wahrheit, dass die Fahrtechnik in Jedermann-Feldern unterschiedlich stark geschult ist. Von erfolgreichen Elite-Fahrern bis zu unerfahrenen Quereinsteigern ist alles dabei. Das Risiko, das von Fahrfehlern ausgeht, ist deshalb viel größer als in Profi-Feldern gleicher Größe.
Diese Vorschläge mache ich mit dem Ziel, ein manchmal riskantes Hobby etwas sicherer zu gestalten. Ich möchte betonen, dass der Riderman aus meiner Sicht das mit am besten organisierte Rennen in unserem Renn-Kalender ist: Gesperrte, anspruchsvolle Strecken, reibungslose Abläufe, eine super Verpflegung, ein professioneller Livestream, unzählige Helfer mit viel Herzblut und vieles mehr machen das Rennwochenende im Schwarzwald für uns jedes Jahr zu einem Highlight.
Auch deshalb bin ich mir sicher, dass die Veranstalter um den engagierten Rik Sauser sich genau die Umstände des Massensturzes anschauen und ihre Schlüsse daraus ziehen werden. In Zeiten des ungebrochenen Radsport-Booms mit ständig steigenden Starterzahlen müssen auch die Rahmenbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen der neuen Größe der Events angepasst werden.
25 Jahre Leidenschaft für den Radsport
Zum Abschluß ein erfreulicheres Thema: Wie der Riderman blickt auch das Team Strassacker in diesem Jahr auf ein besonderes Jubiläum - 25 Jahre voller Leidenschaft für den Radsport. Seit seiner Gründung ist der Riderman in Bad Dürrheim ein fester Bestandteil unseres Rennkalenders, und er wird es auch in Zukunft bleiben.
Einen maßgeblichen Anteil daran haben die Sauser-Brüder, allen voran Rik Sauser , die den Riderman Jahr für Jahr zu einer der sichersten und professionellsten Radveranstaltungen Deutschlands machen. Dies gilt umso mehr, als die Radsport-Familie am vergangenen Sonntag von einem tragischen Ereignis erschüttert wurde.
„Der Riderman ist und bleibt für uns eine Herzensveranstaltung, die wir eng mit unserer Team-Geschichte verbinden“, betont Team-Chef Franco Adamo. Abschließend bleibt nur noch, allen Gestürzten gute Besserung zu wünschen und allen Helferinnen und Helfern einen großen Dank auszusprechen.
Fabian Thiele ist Fahrer im Team Strassacker.