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18.07.2017 | (rsn) - Es soll einfach nicht sein. John Degenkolb (Trek-Segafredo) und die vergebliche Jagd nach einem Tour-Etappensieg, diese Geschichte geht immer weiter. Auch in Romans-sur-Isere war der Oberurseler am Dienstag wieder nah dran, doch am Ende jubelte ein Anderer: Michael Matthews (Sunweb).
"Ich denke, dass ich das Zeug dazu gehabt hätte, um zu gewinnen", haderte Degenkolb nach seiner wohlverdienten Dusche mit dem Ausgang des 16. Teilstücks dieser Frankreich-Rundfahrt. "Das Finale war ziemlich winklig und ich bin gerade noch um Nikias Arndt herumgekommen (in der engen letzten Linkskurve 300 Meter vor dem Ziel, Anm. d. Red.). Im Endeffekt war ich aber trotzdem an Matthews' Hinterrad perfekt positioniert."
Und tatsächlich war der 28-Jährige, der vom Sturz auf der 4. Etappe in Vittel inzwischen völlig genesen scheint, wohl schnell genug, um Matthews zu schlagen. Doch auf der Zielgeraden zog der Australier vor ihm immer weiter rechts rüber und drängte den bald zweifachen Vater Degenkolb in Richtung Bande.
"Es war ein hart umkämpfter Zielsprint, leicht ansteigend, eigentlich das, was mir liegt. Und ich glaube, dass ich einen guten Sprint gefahren bin, aber dass Michael Matthews die Fahrlinie verlassen und mir entsprechend die Lücke bewusst zugemacht hat, weil er mich auch gesehen hat. Er weiß, dass ich da bin und muss nicht nach ganz rechts rüberziehen. Fahre ich in die Lücke rein und wir berühren uns, gibt es natürlich die Möglichkeit, dass wir zu Fall kommen", schilderte Degenkolb die Situation, als er etwas zurücksteckte, um einen Sturz wie den in Vittel - als er hinter Peter Sagan und Mark Cavendish spurtete, um dann über den stürzenden Briten hinweg zu fliegen - zu vermeiden.
Einen Replay vom Sprint hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen, weil der TV im Trek-Segafredo-Bus nicht funktioniere, erklärte Degenkolb. "Ich kam mit mehr Speed und musste rausnehmen, so dass es nicht zum Sieg gereicht hat."
Matthews hingegen war sich keiner Schuld bewusst. "Aus meiner Sicht habe ich nichts verkehrt gemacht. Ich habe meinen Sprint gestartet und meine Linie nicht verlassen. Ich weiß nicht, was Degenkolbs Problem war. Offensichtlich hat er den Sprint anders gesehen. Wenn ich etwas Verbotenes gemacht habe, wird die Jury das entsprechend bewerten", meinte der Australier und konterte: "Nach dem Zieleinlauf wartete ich auf das Ergebnis, da kam Degenkolb zu mir und hat mich berührt. Ich denke, die Offiziellen haben das gesehen..."
In der ersten Frustration nach der Ankunft hatte Degenkolb Matthews am Nacken gegriffen, um ihm klar zu zeigen, dass ihm die Fahrweise des Australiers nicht gefiel - kein netter Handgriff, aber wohl auch keine Tätlichkeit. So entschied später auch die Jury, nachdem deren Präsident Philippe Marien mit Degenkolb telefoniert hatte.
Zuvor waren Marien und seine Kollegen bereits zu dem Entschluss gekommen, Matthews' Sprint als sauber durchgehen zu lassen. Die feine englische Art war es nicht, wie Matthews immer weiter nach rechts steuerte, anstatt geradeaus auf die Ziellinie zu zu sprinten. Aber ein starker Richtungswechsel, wie der ungeahndete von Arnaud Démare (FDJ) in Vittel, oder eine echte Welle waren auch nicht zu erkennen.
Unter dem Strich blieb somit das bereits 13. Top-5-Etappenergebnis für Degenkolb bei seiner fünften Tour de France - zum siebten Mal fuhr er in die Top 3, nur für ganz vorne hat es noch immer nicht gereicht. "Wir sind hergekommen, um Etappen zu gewinnen", erklärte er der ARD deshalb, dass er sich über den ersten dritten Platz (nach sechs zweiten Rängen) seiner Tour-Karriere nicht freue.
Zwei Chancen auf einen Tagessieg hat Degenkolb bei der 104. "Großen Schleife" noch: am Freitag am Ende einer vergleichbar schweren Etappe durch die Provence mit Ziel in Salon-de-Provence, und zum Abschluss auf den Champs-Élysées in Paris. Wenn dort der Knoten platzen würde - einen schöneren Ort könnte sich Degenkolb kaum erträumen - dann wäre ihm wohl auch der Sprint von Romans-sur-Isere völlig egal.