Australier holt WM-Titel vor Evenepoel

Gold im Zeitfahren: Dennis kehrt triumphal zurück

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Das Podium des WM-Zeitfahrens der Männer, in der Mitte Weltmeister Rohan Dennis | Foto: Cor Vos

25.09.2019  |  (rsn) - Mehr als zwei Monate nach seinem, unter nach wie vor ungeklärten Umständen erfolgten Ausstieg bei der Tour de France, ist Rohan Dennis zurückgekehrt. Der 29-jährige Australier verteidigte am Mittwoch bei der Straßen-WM in Yorkshire mit einer Galavorstellung seinen Titel im Einzelzeitfahren. Als letzter der 57 Teilnehmer ins Rennen gegangen, pulverisierte Dennis auf dem 54 Kilometer langen Parcours von Northallerton nach Harrogate die Zeiten sämtlicher vor ihm gestarteten Konkurrenten und stürmte nach 1:05:35 Stunden über die Ziellinie.

Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 50 km/h war er auf dem hügeligen Terrain deutliche 1:09 Minuten schneller als der belgische Jungstar Remco Evenepoel, der seinerseits eine sensationelle Vorstellung ablieferte und im bisher längsten Zeitfahren seines Karriere die Silbermedaille gewann. Bronze ging mit 1:55 Minuten Rückstand an den auch erst 23-jährigen Italiener Filippo Ganna.

Auf den Plätzen vier und fünf folgten der Neuseeländer Patrick Bevin (+1:57) und der Brite Alex Dowsett (+2:01). Tony Martin wurde nach einer starken Vorstellung mit 2:27 Minuten Rückstand Neunter, eine Position vor dem Schweizer Stefan Küng (+2:46). Nils Politt, der zweite deutsche Starter, belegte Platz 22 (+4:10. Der Österreicher Matthias Brändle landete 7:22 Minuten hinter Dennis auf Position 40.

"Es ging nicht ohne intensive Vorbereitung: Viel Zeit zu Hause, viel Arbeit war in meinem Kopf zu verrichten, um mental auf heute vorbereitet zu sein. Es war für mich viel schwieriger, als es ausgesehen hat. Es gibt viele Leute, denen ich danken muss. Es ist schön, ihnen etwas zurückzugeben, an einem Tag, an dem es wirklich zählt“, sagte Dennis, der sich schon mehrere Meter vor der Ziellinie jubelnd aufrichtete und mit seiner rechten Hand gegen den Helm schlug. Der war übrigens genauso neutral gehalten wie sein BMC-Rad, das er der Rennmaschine seines Teams Bahrain - Merida vorgezogen hatte. Schon im Vorjahr wurde er Weltmeister auf dem Material des Schweizer Herstellers, 2019 konnte er aber nur den Prolog der Tour de Suisse auf einem Rad des Teamausstatters gewinnen.

Dennis will "in diesem Sport noch mehr zeigen"

Umso größer war die Erleichterung in Harrogate, nachdem er wie bereits 2018 in Innsbruck die Goldmedaille erringen konnte. “Ich wusste, dass ich am ersten Messpunkt 20 Sekunden Vorsprung hatte und dass ich noch zuzusetzen hatte, dass ich in den Anstiegen nicht ‘sterben‘ würde. Ich hatte Bradley McGee im Ohr und mein Coach auf dem Beifahrersitz hat mich durch den Kurs geführt. Es war absolut perfekt", sagte er und betonte: "Es ist wirklich etwas Spezielles, hier in der bestmöglichen Form angetreten zu sein und den Titel verteidigt zu haben und gezeigt zu haben, dass ich das Rad noch nicht an den Nagel gehängt habe. Ich bin hier, um Rennen zu fahren, um zu gewinnen. Ich will in diesem Sport noch mehr zeigen."

Nicht viel zur Perfektion fehlte auch bei Evenepoel, der sich bei den Europameisterschaften in Alkmaar den Titel im Zeitfahren der Profis geholt hatte und nun auf ungleich längerem und schwererem Kurs bis auf Dennis seine samt und sonders älteren Konkurrenten deutlich auf Distanz hielt. "Es wäre zu viel gesagt, dass ich enttäuscht wäre. Silber war das bestmögliche (Ergebnis). Dennis war einfach zu stark. Er ist der verdiente Sieger. Ich glaube, ich konnte vor allem im zweiten Teil den Unterschied gegenüber den anderen machen, mit Ausnahme von Dennis. Ab Kilometer 25 habe ich Gas gegeben. Nur im Flachen am Anfang hat mir etwas die Kraft gefehlt“, beurteilte das belgische “Wunderkind“ seinen Auftritt.

“Es war wirklich ein schweres und sehr langes Rennen. Ich musste mich speziell darauf vorbereiten, weil ich noch nie so ein langes Zeitfahren bestritten habe. Das Resultat überrascht mich, weil ich dachte, dass ich vor allem mental noch nicht so weit sei, solch ein wichtiges Resultat einzufahren“, zeigte sich Ganna von der Bronzemedaille überrascht.

So lief das Rennen:

Das längste WM-Zeitfahren seit 20 Jahren wurde unter zwar bewölktem Himmel, aber auf trockenen Straßen ausgetragen. Nach einem flachen “Rollerteil“ zu Beginn wurde bei Kilometer 16,7 eine erste Zwischenzeit genommen, ehe es danach in die schwereren hügeligeren Passage ging, die zum zweiten Messpunkt bei Kilometer 37,7 führte, ehe es danach über weiterhin welliges Terrain ins Ziel ging.

Bei 16 Grad bei schwachem Wind eröffnete der Litauer Ramunas Navardauskas um 14.18 Uhr das Rennen. Die erste Duftmarke setzte aber überraschend der Brite John Archibald, Bruder von Bahn-Olympiasiegerin Katie Archibald, dessen Zeit von 19:44 Minuten immerhin bis zum 30. Starter Bestand hatte - und dabei handelte es sich um den ehemaligen U23-Weltmeister Luke Durbridge, der 13 Sekunden schneller war und auch im Ziel die Zeit des Briten um zehn Sekunden unterbot.

Kurz darauf kam der ehemalige Stundenweltrekordler Alex Dowsett mit neuer neue Bestzeit ins Ziel, ehe Ganna in der Zeit von genau 1:07 Stunden ein dickes Ausrufezeichen setzte, das wiederum Evenepoel mühelos zur Seite auswischte. Nicht weniger als 46 Sekunden war der Zeitfahreuropameister schneller als der 23-jährige Italiener, der am Ende noch um Bronze zittern musste, weil der Neuseeländische Zeitfahrmeister Patrick Bevin noch bis auf knapp drei Sekunden an den dritten Rang heran kam.

Der viermalige Zeitfahrweltmeister Martin zeigte wie der 90 Sekunden nach ihm gestartete Schweizer Titelträger Küng eine solide Vorstellung und war an der ersten Zwischenzeit sogar Fünfter. Im schweren zweiten Teil büßte der 34-Jährige, der noch immer unter den Folgen seines Vuelta-Sturzes leidet, zwar noch einige Zeit ein. Rang neun direkt vor Küng war aber angesichts des langen und anspruchsvollen Kurses aller Ehren wert.

Campenaerts trotz doppelten Pechs unverdrossen

An Evenepoels Zeit kamen auch hoch gehandelte Namen wie Victor Campenaerts oder Primoz Roglic nicht mehr heran. Der Stundenweltrekordler aus Belgien zeigte sich aber als großer Kämpfer, ließ sich weder von einem Sturz noch von einem Defekt sowie der kurz darauf erfolgenden Überholung durch Dennis entmutigen und beendete das Rennen auf dem elften Rang. Keine Rolle spielte Vuelta-Sieger Roglic, der schon bei der ersten Zwischenzeit mehr als eine Minute Rückstand gegenüber Dennis aufwies und im letzten Renndrittel sogar vom alten und neuen Weltmeister überholt wurde, dann aber vom Ehrgeiz gepackt wurde und Seite an Seite mit Dennis ins Ziel kam.

Der Titelverteidiger war jedoch an diesem Tag eine Klasse für sich und brannte sichtlich vor Ehrgeiz, der (Radsport)-Welt zu beweisen, dass er nach seinem unter dubiosen Umständen erfolgten Ausscheiden bei der Tour de France und die nachfolgende monatelange Rennpause nichts von seiner Klasse eingebüßt hatte.

Dennis bestritt sein Rennen bezeichenderweise mit seiner bewährten BMC-Zeitfahrmaschine in neutralem Outfit und verzichtete auf das Rad seines Teams Bahrain-Merida. An der ersten Zwischenzeit lag er deutlich vor Evenepoel und baute auf den folgenden Kilometern seinen Vorsprung auf den jugendlichen Überflieger beständig aus. Im Ziel waren es schließlich fast 1:09 Minuten gegenüber Evenepoel, der im Heißen Stuhl zunächst sichtlich zerknirscht wirkte und erst auf dem Podium wieder lachen konnte.

Dennis dagegen konnte befreit aufjubeln und wurde im Ziel von seiner Frau, der früheren Profifahrerin Melissa Hoskins mit dem gemeinsamen Baby, das in ein Regenbogentrikot gekleidet war, mit Küsschen und Umarmungen in Empfang genommen.

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