RSNplusViele Fragen bleiben vor der Tour offen

Was war die Jumbo-Show bei der Dauphiné wert?

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Was war die Jumbo-Show bei der Dauphiné wert?"
Primoz Roglic (links) und Jonas Vingegaard erreichen das Ziel des Critérium du Dauphiné am Plateau de Salaison Hand in Hand. | Foto: Cor Vos

13.06.2022  |  (rsn) – Die Jumbo-Show beim Critérium du Dauphiné war nicht nur am Sonntag beeindruckend. Die Niederländer sind mit drei von acht Etappensiegen, den ersten beiden Plätzen in der Gesamtwertung und dem Grünen Trikot nach Hause gefahren. Die Vorbereitungsrundfahrt auf die Tour de France muss daher insgesamt als voller Erfolg gesehen werden. Doch die Frage ist, was das wirklich wert war.

Denn so drückend die Dominanz Jumbo - Vismas gerade in den Bergen war – am Plateau de Salaison konnte neben seinen Kapitänen Primoz Roglic und Jonas Vingegaard nur Ben O’Connor (AG2R – Citroën) dem Tempo des Jumbo - Visma-Helfers Steven Kruijswijk folgen – so mäßig war die Konkurrenz aufgestellt. 

___STEADY_PAYWALL___ Der Hauptkonkurrent um den Tour-Sieg, Titelverteidiger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), wählt seine Heimatrundfahrt als Vorbereitung auf die Tour. Daniel Felipe Martinez, Adam Yates (beide Ineos Grenadiers) und Aleksandr Vlasov (Bora – hansgrohe) fahren die Tour de Suisse als letzten Feinschliff und Nairo Quintana (Arkea – Samsic) tritt bei der Route d‘ Occitanie an. Andere Widersacher weichen den slowenischen Superstars und der Tour in diesem Jahr gar ganz aus und konzentrierten sich auf den Giro oder schielen im Spätsommer auf die Vuelta.

So waren O’Connor, Damiano Caruso und Jack Haig (Bahrain Victorious) sowie David Gaudu (Groupama - FDJ) - abgesehen vom gestürzten und vor der Schlussetappe ausgestiegenen Enric Mas (Movistar) - die einzigen Fahrer in Frankreich beim Critérium du Dauphiné, die ernstzunehmende Top-5-Ambitionen bei der 'Grande Boucle' im Juli hegen. Neben Roglic und Vingegaard eben, die ihnen aber deutlich überlegen waren. 

“Es waren aber nicht nur wir beiden, es war das ganze Team. Die Jungs hatten immer alles unter Kontrolle. Es war vom Start weg sehr schnell und wir haben das Rennen den ganzen Tag kontrolliert. Sie haben Fahrer für Fahrer einen tollen Job abgeliefert“, lautete das Resümee von Roglic nach der Abschlussetappe zurecht. 

Wer fährt nach Dänemark zur Frankreich-Rundfahrt?

Dass das Team so gut arbeitete, dürfte aber auch einen besonderen Grund haben. Denn im Gegensatz zu den letzten Jahren steht bei Jumbo – Visma das Aufgebot für die Tour noch nicht fest und die Helfer müssen sich derzeit mit Top-Leistungen bewerben. Gesetzt sollen nur Roglic, Vingegaard und Wout van Aert sein. Mit seiner herausragenden Leistung am Plateau de Salaison dürfte nun auch Kruijswijk die Fahrkarte zum Grand Départ in Kopenhagen sicher haben. 

Das Team Jumbo - Visma fährt mehrgleisig zur Tour: Neben dem Kampf ums Gelbe Trikot spielen auch Wout Van Aerts Etappenjagd und das Grüne Trikot eine Rolle.

Doch wie Roglic anmerkte – eigentlich haben alle Jumbo-Athleten bei der Dauphiné überzeugt: Chris Harper spulte endlose Kilometer an der Spitze des Feldes ab. Christophe Laporte überzeugte bei van Aerts Sprintsiegen als Vorbereiter und Tiesj Benoot ist auf jedem Terrain einsetzbar.

Van Aert: Segen und Fluch

Es ist also möglich, dass die gesamte Dauphiné-Fraktion der Mannschaft gemeinsam nach Dänemark weiterreisen darf. Auf der anderen Seite sind gerade bei der Tour de Suisse mit Robert Gesink und vor allem Rohan Dennis und Sepp Kuss drei bewährte Kräfte im Einsatz, die ihren Wert in Grand Tours schon oft bewiesen haben. Wirklich viel über den Tour-Kader gelernt haben die Zuschauer daher in dieser Woche noch nicht. 

Erschwert wird die Aufstellung bei der niederländischen WorldTour-Formation, weil van Aert eigene Ambitionen angemeldet hat: Der Belgische Meister möchte das Grüne Trikot gewinnen. Nach seinen drei Etappensiegen im Vorjahr ist er auch der Favorit für den Gewinn der Punktewertung. Doch für dieses Ziel benötigt er Unterstützung. Laporte und vor allem Benoot sind vielseitig einsetzbar, aber jeder weitere Fahrer an der Seite des dreifachen Querfeldeinweltmeisters wäre eine klare Schwächung des Teams in den Bergen.

Roglic oder Vingegaard: Wer ist eigentlich stärker?

Ein weiteres Problem könnte sich bei der Kapitänsfrage abzeichnen. Die war bei der Dauphiné noch klar definiert: Vingegaard half auf der 3. Etappe, die Gaudu gewann, am Schlusshügel van Aert zurück ins Feld. Dadurch hätte er beinahe selbst Zeit verloren. Auf der Schlussetappe am Sonntag schließlich pilotierte der Däne Roglic den Berg hinauf.

Edelhelfer Vingegaard wirkte im schweren Anstieg zum Plateau de Salaison sogar stärker als Gesamtsieger Roglic.

Dabei aber entpuppte sich ein potentieller Konflikt: Vingegaard schien stärker als der ehemalige Skispringer. Mehrere Male entstand eine Lücke zwischen den Beiden und der Tour-Zweite des Vorjahres musste rausnehmen, um den Slowenen wieder herankommen zu lassen. 

Bei der Vorbereitungsrundfahrt war dies ob der Überlegenheit des Duos kein Problem, bei der Tour wird das aber anders sein, wenn Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) neben ihnen pedaliert und Roglic und Vingegaard auf den Zahn fühlt. 

"Ich weiß nicht. Wir waren beide die Stärksten heute"

Dass die teaminternen Kräfteverhältnisse dann auch noch so sein werden, wie nun beim Critérium du Dauphiné ist natürlich nicht gesagt. Doch Roglic musste im Ziel anerkennend feststellen: “Jonas war am letzten Anstieg enorm stark.“ Und der Däne selbst sagte auf der Pressekonferenz nach dem Rennen: "Ich weiß nicht. Wir waren beide die Stärksten heute." Auf die Frage, ob er die Tour de France nächsten Monat gewinnen könne, antwortete Vingegaard: "Ich glaube, ich habe eine gute Chance."

Tadej Pogacar (UAE Team Emirates, Mitte) schnappte Primoz Roglic (Jumbo - Visma, links) erst auf der 20. Etappe den sicher geglaubten Tour-Sieg weg.

Letztes Jahr konnte Vingegaard bei der Tour de France Zweiter werden, weil Roglic nach der 8. Etappe verletzt aufgeben musste und der Däne daher von der Rolle des Edelhelfers zum Klassement-Kapitän aufstieg, ohne dass die Teamleitung eine Entscheidung treffen musste. Wenn dieses Jahr beide Fahrer unbeschadet die Berge erreichen sollten, muss das Ruder von der Teamleitung aktiv in eine Richtung gelenkt werden - auf Kurs Roglic oder auf Kurs Vingegaard.

Das Problem Pogacar

Denn jeder Moment des Zweifels ist ein Moment, in dem Pogacar die Tour de France an sich reißen kann. Vor zwei Jahren sah Roglic vor dem letzten Zeitfahren an der Planche des Belle Filles wie der sichere Gesamtsieger aus, doch sein damals 21-jähriger Landsmann entriss ihm den Toursieg mit einem legendären Zeitfahren - und, das geht in den Erinnerungen an 2020 oft vergessen, auch auf dem Rücken eines Parforceritts in den Pyrenäen, als man bei Jumbo - Visma und Roglic noch gezögert hatte und ihm nicht mit voller Kraft nachgefahren war.

Seit jenem September 2020 ist Pogacar bei Rundfahrten so gut wie unschlagbar. Sechs von sieben Etappenrennen gewann er. Nur im Baskenland wurde er 2021 Dritter – hinter Roglic und Vingegaard. 

Gerade auf wichtigen Etappen ist dem zweifachen Toursieger nur schwer beizukommen. Bei der letzten Frankreich-Rundfahrt leistete er sich nur eine Schwäche, als er auf der 11. Etappe am Mont Ventoux der Attacke eines Konkurrenten nicht folgen konnte. Der Angreifer damals hieß Jonas Vingegaard, der allerdings in der Abfahrt vom späteren Gesamtsieger wieder gestellt wurde.

Der Moment, als Tadej Pogacar (UAE Team Emirates, zweite Position) am Mont Ventoux nicht mehr mit Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma, vorne) mithalten konnte.

Der Moment, als Pogacar abreißen ließ, blieb trotzdem in den Köpfen. "Was wirklich dafür sorgte, dass ich anfing daran zu glauben (an den Tour-Sieg, d. Red.), war dass ich letztes Jahr in der Lage war, Pogacar am Mont Ventoux abzuschütteln", bestätigte Vingegaard am Sonntag.

Pogacar ist also nicht unverwundbar, aber trotz allem der klare Favorit auf den Toursieg. Und so muss Roglic aufpassen, dass ihm sein abschließender Witz im Dauphiné-Siegerinterview nicht im Halse steckenbleibt: “Wir fahren jetzt nach Tignes. Und dann kommt die Tour als Vorbereitung auf die Vuelta“, scherzte er. Sowohl 2020 als auch 2021 wurde nämlich die Spanien-Rundfahrt nach dem verpassten Sieg bei der Tour das Trostpflaster für den 32-Jährigen.

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