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09.05.2024 | (rsn) – Der ganz große Coup ist Julian Alaphilippe (Soudal – Quick-Step) auf der 6. Etappe des Giro d'Italia über die weißen Schotterstraßen der Toskana nicht gelungen. Doch der franzöische Ex-Weltmeister hat auf dem Weg nach Rapolano Terme gezeigt, dass sich seine Form nach schwierigen Jahren und auch zuletzt harten Monaten endlich wieder in die richtige Richtung bewegt. Entsprechend war Alaphilippe nach der Etappe zwar irgendwo enttäuscht, aber andererseits auch nicht völlig unglücklich.
"Nach dem Sturz bei der Strade Bianche war es ein langer Weg zurück zu meinem Topniveau. Aber ich komme dem jetzt näher. Mit meiner Leistung heute bin ich sehr zufrieden", sagte der 31-Jährige im Ziel am Eurosport-Mikrofon.
"Am Anfang habe ich ein paar Mal probiert wegzukommen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass viele Fahrer in die Gruppe wollten. Viele Mannschaften haben dann probiert, bis zum Berg zu kontrollieren, deswegen war es schwer anzugreifen. Aber die Beine waren gut, deswegen bin ich glücklich über mein heutiges Auftreten. Ich habe getan, was ich konnte." ___STEADY_PAYWALL___
Alaphilippe hatte 88 Kilometer vor dem Ziel noch weit vor dem ersten Gravel-Sektor die erste wichtige Selektion des Tages herbeigeführt und eine siebenköpfige Spitzengruppe initiiert. Aus der heraus löste er sich anschließend 43 Kilometer vor dem Ziel im ansteigenden Schotter-Abschnitt von Bagnaia hinauf nach Grotti gemeinsam mit dem späteren Sieger Pelayo Sanchez (Movistar) und dem Australischen Meister Luke Plapp (Jayco – AlUla).
Luke Plapp, Julian Alaphilippe und Pelayo Sanchez (verdeckt) machten den Sieg über die Gravel-Sektoren unter sich aus. | Foto: Cor Vos
Das Trio fuhr von dort an bis ins Ziel gemeinsam, auch wenn sich die drei Hauptdarsteller des Tages das eine oder andere Mal gegenseitig attackierten und zu distanzieren versuchten. In Rapolano Terme dann eröffnete Alaphilippe den Sprint von Plapps Hinterrad aus 150 Meter vor dem Ziel. Doch auch wenn er in der letzten Rechtskurve den kürzeren Weg hatte, konnte er Sanchez im Spurtduell nicht hinter sich halten und musste mit Rang zwei vorlieb nehmen.
"Ein paar Kilometer vor dem Angriff haben Luke und ich schon besprochen, dass wir versuchen wollten zusammen in eine Gruppe zu gehen. Er ist dann auch Vollgas gefahren und war zeitweise sogar virtuell in Rosa. Er war sehr motiviert und wirklich stark. Wir haben alles gegeben und der Beste hat gewonnen", fasste Alaphilippe das Rennen in der Fluchtgruppe zusammen und bilanzierte:
"Ich muss das Positive mitnehmen. Es war eine schwere Etappe. Ich freue mich, dass ich alles gegeben habe. Natürlich hatte ich auf den Sieg gehofft und jetzt ist es ein zweiter Platz geworden, aber der Giro ist noch lang."
Im Dreier-Sprint um den Etappensieg in Rapolano Terme war Pelayo Sanchez (Movistar) einfach stärker als Alaphilippe. | Foto: Cor Vos
Für den Franzosen hatte das Jahr in Australien eigentlich nicht schlecht begonnen. Er wurde Sechster der Tour Down Under. Doch Ende Februar kam es zu einem öffentlichen Zerwürfnis mit Teamchef Patrick Lefevere, der den Lebensstil seines zweifachen Ex-Weltmeisters kritisierte. Alaphilippe hatte gehofft, darauf mit Leistung antworten zu können, doch der Klassiker-Einstieg lief alles andere als nach Plan.
Beim Omloop Het Nieuwsblad stürzte er und gab auf und eine Woche später kam er auch bei Strade Bianche zu Fall – folgenschwer, wie er erst sechs Wochen später erzählte. Bei dem Sturz in der Toskana hatte er sich eine Fraktur am Wadenbeinkopf zugezogen. Trotzdem fuhr er in den Wochen danach weiter, konnte bis auf Rang neun bei Mailand-Sanremo aber kaum etwas Zählbares erreichen. Bei der Flandern-Rundfahrt war Alaphilippe chancenlos.
Pünktlich zum Giro aber schien der Franzose wieder in Form zu kommen. Sein dritter Platz im Prolog der Tour de Romandie am 23. April war ein echtes Ausrufezeichen. Leider konnte er an den folgenden fünf Tagen in der Schweiz an diese Leistung nicht anknüpfen, doch vor dem Start der Italien-Rundfahrt im Piemont war er hochmotiviert. Gerade die Auftaktetappe sollte ihm vom Profil her mit der steilen Rampe von San Vito im Finale bestens liegen. Dort aber konnte Alaphilippe dem fulminanten Tadej Pogacar nicht folgen und kam nur als 17. ins Ziel.
Julian Alaphilippe zeigte auf der 6. Giro-Etappe erste Anzeichen, seine alte Agilität wieder zu haben. | Foto: Cor Vos
Viele dürften ihn danach für den weiteren Giro schon abgeschrieben haben, doch in der Toskana nun ließ der Franzose etwas von seiner alten Klasse wieder aufblitzen. Denn auch wenn am Ende die Kraft zum Etappensieg fehlte, so sah man von den Bewegungsabläufen her und auch von der taktischen Cleverness in der Spitzengruppe wieder den alten Alaphilippe, den zweifachen Weltmeister aus Frankreich.
Das hat nicht nur ihm und seinen Fans Hoffnung gemacht. Gegenüber Eurosport äußerte sich auch Teamchef Lefevere endlich wieder positiver und wohlwollender über seinen Großverdiener. "Leider hat er nicht gewonnen, das wäre ein enormer Boost für die Moral gewesen. Aber er arbeitet hart und der Giro dauert noch mehr als zwei Wochen. Es wird noch Chancen geben", sagte der Belgier. "Er mag den Parcours hier. Er wird jeden Tag besser und ich hoffe, dass er noch eine Chance bekommen wird, denn das ist was er braucht: ein Sieg!"
Nach dem Auftritt am Donnerstag scheint das zumindest endlich wieder möglich.