RSNplusInteressensgemeinschaft mit Evenepoel in den Alpen?

Pogacar kann´s nicht lassen: “Verstehe es selbst nicht“

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Pogacar kann´s nicht lassen: “Verstehe es selbst nicht“"
Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nach seiner Attacke am Col du Noyer. | Foto: Cor Vos

17.07.2024  |  (rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) kann es einfach nicht lassen. Auch wenn der Etappensieg mit dem rund acht Minuten vor ihm fahrenden Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) längst über alle Berge war. Und auch wenn sein eigener Plan eigentlich lautete, die 17. Etappe nach Superdévoluy nur noch ruhig nach Hause zu bringen, wie Nils Politt, Marc Soler und auch Pogacar selbst nach der Etappe erklärten, hat der Slowene im Gelben Trikot auch am Col du Noyer rund 13 Kilometer vor dem Ziel noch einmal attackiert und seine Kontrahenten Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) und Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) abgeschüttelt.

"Ich weiß nicht, warum ich es getan habe – manchmal verstehe ich es selbst nicht", antwortete der 25-Jährige anschließend auf die Frage nach dem "Warum" hinter seinem Vorstoß. Der wahre Grund dürfte irgendwo zwischen der unbändigen Verspieltheit Pogacars und dem Bedürfnis nach einer weiteren Machtdemonstration gelegen haben.

Kurz bevor Pogacar an einer der steilsten Stellen des Kategorie-1-Anstiegs Vollgas gab, hatte er kurz zum Funk gegriffen, die zweite Position in der Favoritengruppe hinter Helfer Joao Almeida aufgegeben und sich hinter Vingegaard und Evenepoel zurückfallen lassen. Dort saß er einen Moment, schaute sich kurz um, taxierte die Konkurrenz in der nur noch zwölfköpfigen Gruppe und trat dann spektakulär an. Vingegaard und Evenepoel versuchten sofort zu folgen, konnten aber nicht am Hinterrad des 25-Jährigen bleiben. ___STEADY_PAYWALL___

Wartete Pogacar in der Abfahrt bewusst auf Evenepoel?

Es war anschließend überraschend, dass Pogacar in einem flachen Zwischenstück in der Abfahrt, die er mit dem auf der Kuppe eingeholten Georg Zimmermann (Intermarché – Wanty) bestritt, plötzlich wieder vor Evenepoel und dem von Christophe Laporte wieder herangeführten Vingegaard auftauchte.

Nach seinem Angriff am Col du Noyer sah Pogacar hinter sich, dass Vingegaard auch Evenepoel nicht mehr folgen konnte. | Foto: Cor Vos

Den Rest der Abfahrt absolvierten sie zu fünft und als dann Evenepoel in der 3,8 Kilometer langen und nicht mehr ganz so steilen Schlusssteigung nach Superdévoluy angriff, hielt sich Pogacar zurück. Er blieb an Vingegaards Hinterrad und ließ den Dänen sowie dessen beide eingeholte Helfer Wout van Aert und Tiesj Benoot die Nachführarbeit verrichten. Dass er dadurch zehn Sekunden auf Evenepoel einbüßte, störte ihn kein bisschen. Pogacars Fokus lag voll und ganz darauf, Vingegaard zu schwächen – erst psychologisch durch die Attacke am Noyer, dann körperlich durch die Führungsarbeit – und dem Titelverteidiger schließlich mit einem Sprint zum Zielstrich noch zwei Sekunden abzunehmen.

"Ohne Jonas' Teamkollegen hätten wir noch mehr Druck machen können"

"Ich habe zwei Sekunden auf Jonas gewonnen und bin zufrieden", bilanzierte er schließlich, merkte aber auch an: "Wenn Jonas seine Teamkollegen nicht vorne gehabt hätte, hätten wir noch mehr Druck auf ihn machen können. Vielleicht wäre dann noch etwas anderes herausgekommen."

Wir? Das klang beinahe nach einer Allianz mit Evenepoel. Und tatsächlich könnte man rückblickend meinen, dass Pogacar genau diese im Schilde führte. Denn als er in der Noyer-Abfahrt seinen Vorsprung wieder hergab, könnte das auch Absicht gewesen sein. Über die Kuppe, so dürfte er informiert gewesen sein, hatte Evenepoel etwas Vorsprung auf Vingegaard gehabt.

Noch ein Löwe: Pogacar hat inzwischen zum 36. Mal das Gelbe Trikot angezogen und damit auch 36 Plüschtiere von Tour-Sponsor LCL bekommen. | Foto: Cor Vos

Nur weil oben der aus der Spitzengruppe zurückgefallene Laporte auf den Dänen wartete, kam der in der Abfahrt wieder zum Belgier hin – und zwar kurz bevor der seinerseits zu Pogacar heranfahren konnte. Möglich, dass der Slowene eigentlich nur auf Evenepoel warten und dann mit ihm die Abfahrt hinunterrauschen wollte, um anschließend mit dem Gesamtdritten zusammenzuarbeiten und Vingegaard noch deutlich mehr Zeit abzunehmen.

Allianz mit Evenepoel? Eher eine Interessensgemeinschaft

Evenepoel wollte in der Mixed Zone von einer derartigen Allianz mit dem Mann im Gelben Trikot nichts wissen – auch wenn Pogacar ihm in der Schlusssteigung nicht nachgefahren war. "Ich denke Tadej hätte auf meinen Angriff reagieren können, aber da ich fünf Minuten hinter ihm bin, kann er mir etwas Spielraum lassen. So konnte er Visma und Jonas die Arbeit machen lassen", meinte der 24-jährige Belgier.

Klar scheint: Evenepoel fürchtet Pogacar aufgrund des großen Abstands in der Gesamtwertung nicht mehr, Vingegaard aber noch immer ein klein wenig. Deshalb kommt ihm alles gelegen, was dem Dänen Stiche versetzt. Und in dieser Sache sind Pogacar und Evenepoel auch ohne offene Allianz eben einfach eine Interessensgemeinschaft auf den letzten Etappen der Tour.

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