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14.12.2024 | (rsn) – Deutsche Radprofis in der abgelaufenen Saison jubeln zu sehen, war ein seltenes Bild. Gerade auf WorldTour-Niveau war wenig zu holen, lediglich zwei Siege sprangen heraus. Da war Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) bei Tirreno-Adriatico, der nach der Querung der Ziellinie aber nur einmal kurz die Faust ballen konnte, nachdem er Jonathan Milan (Lidl – Trek) im Sprint geschlagen hatte, weil es dann schon wieder um die Kurve ging. Bei Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) sah das schon anders aus.
Als der damals noch 22-Jährige Allgäuer auf die letzten Meter der 17. Etappe des Giro d’Italia ging, blieb ihm ausreichend Zeit, um sich aufzurichten, die Arme wild durch die Luft zu schwingen und sich ungläubig an den Helm zu fassen.
___STEADY_PAYWALL___Fast anderthalb Minuten Vorsprung hatte er an jenem Tag auf Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), der die Rundfahrt ansonsten nach Belieben dominierte.
Den Tag am Passo Brocon im östlichen Trentino wird Steinhauser so schnell nicht vergessen. Denn obwohl er schon zwei Tage zuvor in Livigno in der Ausreißergruppe – und auch nochmal zwei Tage später in Sappada – Dritter wurde, ist es doch der 22. Mai, der rückblickend als Moment des Durchbruchs in die Weltspitze gewertet werden dürfte.
Der Moment des großen Triumphs: Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) gewinnt die 17. Etappe des Giro d’Italia | Foto: Cor Vos
Die Geschichte von den guten Beinen, die er schon bei der Einschreibung spürte, wie er es dann “einfach nochmal versuchte“ und ein wenig nervös wurde, als die Favoriten um Pogacar von hinten näherkamen, Steinhauser hat sie mittlerweile ziemlich oft erzählt. “Aber ich rede immer noch gern darüber, auch wenn es jeder nun schon mal gehört hat“, sagte er lachend, als er mit RSN zum Jahresabschluss seine Saison rekapitulierte.
Ergebnistechnisch stach der Giro deutlich hervor aus einem Jahr, das ansonsten noch zwei einstellige Resultate im italienischen Herbst bei der Coppa Sabatini (1.Pro) und der Trofeo Matteotti (1.1) für Steinhauser bereithielt. In Summe ist die dritte Profisaison des jungen Deutschen damit seine bisher beste.
Dabei begann die Saison denkbar ungünstig. Gleich im ersten Einsatz des Jahres bei der UAE Tour stürzte Steinhauser und trug dabei eine Gehirnerschütterung davon. “Sowas passiert immer mal“, sagte der Kletterer, der ansonsten auf eine fast beschwerdefreie Saison zurückschaute. “Kurz vor der Deutschland Tour hatte ich nochmal Corona, das war ärgerlich, aber ansonsten bin ich wirklich gut durchgekommen“, freute er sich und merkte an: “Eigentlich war das zum ersten Mal so, seit ich Profi bin. Und das allein ist schon ein kleiner Erfolg.“ Auch im Vorjahr hatte er mit Covid zu kämpfen, fast zur gleichen Zeit. Damals hatte es ihn sein Grand-Tour-Debüt bei der Vuelta gekostet.
Nach dem überragenden Giro war beim Allgäuer die Luft etwas raus. Auch bei der Deutschland Tour konnte sich Steinhauser nicht in Szene setzen. | Foto: Cor Vos
Die Gesundheit war der kleine Erfolg, der große sein Auftritt beim Giro. Zu Kopf steigen lassen will er sich das aber nicht. “Ich probiere, weiter der Georg Steinhauser zu sein, der ich vorher war, und will mich davon nicht allzu viel beeinflussen lassen.“ Denn das sein Auftritt zwar keine Eintagsfliege, aber doch Folge eines absoluten Formhochs war, bewiesen danach seine nächsten Rennen in der Schweiz. “Gerade nach dem Giro dem Giro war es schwer für mich, wieder in Schwung zu kommen.“ Beim Großen Preis des Kantons Aargau kam er nicht ins Ziel, auch die Tour de Suisse unmittelbar danach beendete er nicht.
Langfristig scheint die erste dreiwöchige Rundfahrt bei Steinhauser dann aber doch auch positive Wirkungen zu zeigen. “Nach der Off-Season habe ich gemerkt, dass mein Grundmotor nochmal einen Schritt nach vorne gemacht hat. Ich weiß aber auch, dass es trotzdem noch genug harte Arbeit ist, um wieder die Form vom Giro zu erreichen.“
Daran feilt Steinhauser aber bereits wieder. Das erste Trainingscamp mit EF Education – EasyPost, dem Team, in dem er sich nach wie vor sehr wohl fühlt, auch wenn in Jonas Rutsch und Stefan Bissegger die einzigen anderen beiden deutschsprachigen Profis wechselten, hat er bereits im November absolviert. Aktuell ist er noch bis kurz für Weihnachten auf Mallorca für ein weiteres Trainingslager, das er aber privat durchführt.
Steinhauser (re.) mit dem deutschen Team vor dem WM-Straßenrennen von Zürich. | Foto: Cor Vos
“2025 soll meine Saison wieder bei der UAE Tour beginnen, dann über Paris-Nizza, die Katalonien-Rundfahrt und die Tour de Romandie wieder zum Giro führen. Eventuell kommt auch noch dieses Mal auch noch die Vuelta dazu“, gab Steinhauser Einblicke in seine Saisonplanung. “Der Fokus soll wieder auf den Rundfahrten liegen. Da ist die Chance größer, dass ich irgendwann mal einen guten Tag erwische, das hat auch das Team so gesehen.“
Vorrangig wieder für die Etappenjagd, “aber früher oder später soll es auch mal auf die Gesamtwertung gehen, denke ich“, deutete Steinhauser an, künftig auch vielleicht auch größere Ziele in Angriff nehmen zu wollen. Wohlwissend, dass es ihm sein Sieg beim Giro generell auch etwas schwerer machen dürfte. “Gerade in den italienischen Eintagesrennen zum Saisonende habe ich schon gespürt, dass ein paar mehr Augen auf mich gerichtet sind als früher“, berichtete er. “Da waren neben (Marc) Hirschi auch nur wenig absolute Topfahrer da“, schränkte er ein, gleichzeitig hoffend, dass er bei größerer Konkurrenz doch noch etwas weiter unter dem Radar schwimmen kann.
Denn grundsätzlich sieht seine Zielsetzung für das kommende Jahr schon so aus, “dass ich gerne an den Erfolg anschließen würde, ihn vielleicht sogar ausbauen kann.“ Gleichzeitig sei ihm klar, dass es aber auch anders kommen kann. “Ich habe drei Jahre für meinen ersten Sieg gebraucht, vielleicht dauert es wieder drei bis zum zweiten. Ich gehe zwar nicht davon aus, aber es ist auch wichtig, dass ich mir nicht zu viel Kopf mache, wenn es mal nicht so läuft.“
Nach seinem Giro-Sieg ein begehrter Gesprächspartner: Georg Steinhauser. | Foto: Cor Vos
Bis es soweit ist, bleibt ohnehin noch etwas Zeit. Einen Teil davon will er Familie und Freunden widmen. “Über Weihnachten und Neujahr bin ich zu Hause. Da will ich dann vielleicht auch mal etwas anderes machen. Vielleicht ein bisschen Skifahren oder so.“ Auf den schmalen Latten hat sich schon so mancher Profisportler durchaus schwer verletzt.
Aber Steinhauser macht sich da keine Sorgen um die neue Saison. “Natürlich habe ich im Hinterkopf, dass ich mir nicht gerade das Kreuzband reißen sollte, aber ich bin auch niemand, der sich alles für den Radsport verbieten lassen will. Außerdem glaube ich, dass ich Skifahren gelernt habe bevor ich auf dem Rad saß“, sagte er. Das verschmitzte Grinsen dabei merkte man dem Allgäuer selbst am Telefon an.