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26.01.2025 | (rsn) - Was macht man nach einem grandiosen Jahr? Man will ein noch grandioseres. “Ich bin noch jung, ich habe noch Raum für Verbesserung”, sagte ein selig lächelnder Tadej Pogacar im Trainingslager von UAE - Emirates - XRG zum Jahresende in Spanien der versammelten Reporterschar. Raum für Verbesserung sehen auch seine Trainer. "Noch etwas mehr Arbeit im Kraftraum", stellte Jeroen Swart für seinen Schützling in Aussicht. Ziel ist, dass Pogacars Körper noch widerstandsfähiger wird und auch extreme Positionen auf dem Rad länger mit optimalem Kraftfluss auf die Pedale halten kann. Sein Markenzeichen sind schließlich die langen Solofluchten geworden; Pogacar ist also selbst lange dem Wind ausgesetzt. Da hilft auf Dauer jedes Watt, das weniger gegen den Luftwiderstand einzusetzen ist.
Der Fokus auf optimale Solofluchten bedeutet aber nicht, dass nicht auch in die Helfer investiert wurde. Mit dem Dänen Julius Johansen ist ein interessanter Mann für die Flachstücke in den Rennen verpflichtet worden. Der Zeitfahrspezialist war Juniorenweltmeister 2017, tauchte danach aber etwas ab und wurde auch für die Fachwelt recht überraschend von Sportdirektor Matxin Fernandez als Last Minute-Transfer ins Team geholt. "Ich habe ein Jahr Zeit, mich zu beweisen”, sprühte der Däne – der wie Jonas Vingegaard aus der dänischen Talentschmiede ColoQuick stammt – nur so vor Eifer. Vor allem seine offenbar exzellenten Testwerte gaben den Ausschlag für die Verpflichtung.
___STEADY_PAYWALL___Das Engagement des 25-Jährigen geht einher mit einer Akzentverschiebung in der Einkaufspolitik des derzeit weltbesten Rennstalls. Wurden in der Vergangenheit vor allem die ganz jungen Supertalente regelrecht vom Markt weggesaugt – im Vorjahr der frühere U23-Weltmeister Filippo Baroncini und Tour de l’Avenir-Gewinner Isaac Del Toro, davor das Schweizer Top-Talent Jan Christen, 2021 Juan Ayuso sowie die mittlerweile wieder ziehen gelassenen Marc Hirschi und Finn Fisher-Black – so machen in der aktuellen Transferperiode die Mitt-Zwanziger den größten Anteil aus. Neben Johansen (25) kamen der ein Jahr ältere Belgier Rune Herregodts, dessen Landsmann Florian Vermeersch (25) sowie als Top-Transfer Jhonatan Narvaez (27). Nur der noch 19-jährige Spanier Pablo Torres – bereits als neues "Wunderkind" gepriesen – fällt ins alte Suchraster. Er befand sich aber schon im Nachwuchsteam des Rennstalls.
Tadej Pogacar will 2025 weiter Rekorde brechen. | Foto: Cor Vos
Mit den Neuverpflichtungen schließt UAE Emirates eine Lücke in der Alterspyramide. Den vielen Jungen standen bisher in die Jahre gekommene Haudegen wie Rafal Majka (35), Adam Yates (32) und Marc Soler (31) gegenüber. Es scheint ganz so, als hätte die künstliche Intelligenz namens Anna, die Swart & Co. bereits zur Trainingsoptimierung und Strategieplanung für Rennen einsetzen, auch bei der Ergänzung des Kaders eine Rolle gespielt.
Trotz namhafter Abgänge wie Hirschi, Fisher-Black und Diego Ulissi hat sich UAE - Emirates - XRG in der Gesamtbetrachtung punktuell eher noch verstärkt. Finanziell hat der Rennstall ohnehin keine Sorgen. Zum Hauptsponsor UAE Emirates kommt ab dieser Saison die ebenfalls in den Emiraten ansässige Investmentgesellschaft XRG. Sportdirektor Fernandez sagte gegenüber RSN sogar, dass man interessierte Sponsoren abweisen musste, weil das Geldboot eben voll sei.
Bei den wichtigsten Rennen wird man also auch in dieser Saison mit den Männern in den weißen Trikots rings um den Regenbogen-farbenen Pogacar rechnen müssen. Der Slowene selbst hat sich die Titelverteidigung bei Tour de France und WM vorgenommen. Sein Häkchen fehlt noch bei Mailand-Sanremo – wo der explosive Neuzugang Narvaez eine gute Zweitwaffe sein dürfte. Paris-Roubaix lässt er weiter aus; das bedeutet Chancen für den Kölner Nils Politt. Und auch das Grand Tour-Triple – Tour, Giro und Vuelta in einer Saison – steht 2025 noch nicht an. Wahrscheinlich reiht Pogacar noch die Vuelta an die Tour.
Nachwuchsstar Antonio Morgado gewann in Spanien seinen Saisonauftakt und holte damit schon Saisonsieg Nummer drei für sein Team. | Foto: Cor Vos
Für den Giro ist ein Klassement-Dreizack aus Ayuso, Del Toro und Yates vorgesehen. Der einzige Schwachpunkt im Kader bleibt die Planstelle Massensprint. Aber hier ist nachvollziehbar, dass das Team sich bei Grand Tours nicht zwischen Gesamtwertung und Sprint verzetteln will.
Jhonatan Narvaez gehörte im vergangenen Jahr zur ziemlich kleinen Gilde von Fahrern, die Pogacar bei einem Rennen, das der Slowene gewinnen wollte, abkochen konnte. Das gelang neben Dauerrivalen Jonas Vingegaard bei einer Touretappe, den Zeitfahrerspezialisten Filippo Ganna (Giro) und Remco Evenepoel (Tour) eben nur noch Sanremo-Sieger Jasper Philipsen sowie Narvaez. Der Ecuadorianer erwies sich bei dem Dynamitauftakt des Giro in Turin als schnellster von drei Ausreißern und holte sich Rosa vor dem gebürtigen Berliner Maximilian Schachmann und Pogacar. Gut sechs Monate später scheint es, als seien Pogacars Geldgeber im Bayernmodus unterwegs: Wer von den Rivalen stark auftritt, wird eben schnell mal verpflichtet. Bei Narvaez kam offenbar auch etwas Frustration über sein altes Team Ineos Grenadiers hinzu.
Jahr für Jahr bereitet er sich darauf vor, den Klassikerkönigen Mathieu van der Poel und Wout Van Aert auf Kopfsteinpflastergeläuf besser folgen zu können. Bislang mit mäßigem Erfolg. “Wenn man sie nicht im Kampf Mann gegen Mann besiegen kann, kann man aber als Team erfolgreich sein. Bei UAE haben wir einen starken Kern für die flämischen Rennen”, legte er als Begründung für den Wechsel vom zuletzt auch als Team massiv enttäuschenden britischen Rennstall vor.
Blumen und Champagner für einen Etappen- und den Gesamterfolg bei der Tour Down Under, wo Jhonatan Narvaez einen Einstieg nach Maß feierte. | Foto: Cor Vos
Der bergfeste wie endschnelle Narvaez dürfte bei den Klassikern, bei denen Pogacar antritt, eine wertvolle Stütze sein. Bei denen, die der Slowene auslässt, erhält die im letzten Jahr so formidable Klassikerzange aus Tim Wellens und Nils Politt nun die Erweiterung zum Dreizack. Narvaez macht die ohnehin schon starke Klassikerfraktion des zuletzt überragenden Rennstalls noch exquisiter. Van Aert und van der Poel müssen im Frühjahr nun nicht nur Pogacar auf der Rechnung haben, sondern auch dessen Adjutanten.
Diese Rubrik müsste im Falle von UAE - Emirates - XRG massiv erweitert werden. Juan Ayuso nicht in den Fokus zu rücken, und auch Jan Christen nicht und ebenso wenig Pablo Torres - das grenzt an Verbrechen. Die Wahl fällt auf den jungen Mexikaner Del Toro, weil er in seiner ersten Profisaison nicht nur Ergebnisse ablieferte, sondern auch Durchhaltevermögen bewies.
2024 begann für ihn phänomenal, mit einem Etappensieg, dem dritten Gesamtrang und dem standesgemäßen Nachwuchstrikot bei der Tour Down Under. Die Asturien-Rundfahrt gewann er souverän. Im Baskenland sprang beim Sieg von Teamkollegen Ayuso ein beachtlicher siebter Rang heraus. Da wähnte man ihn schon auf dem Weg, ein neuer Pogacar zu sein. Sein Grand Tour-Debüt in Spanien fiel ergebnismäßig allerdings enttäuschend aus. Grund dafür war jedoch eine Covid19-Infektion. Trotz dieser Einschränkung beendete er die Grand Tour aber, was für seine Erholungsfähigkeiten und auch die Willensstärke spricht.
"Natürlich war ich davon nicht begeistert”, blickte er auf seine Vuelta-Resultate zurück. "Jeder Fahrer will schließlich vorne sein und sich weiter verbessern. Aber auch Rückschläge muss man akzeptieren lernen”, lautet seine Schlussfolgerung. "Für 2025 bin ich ambitionierter. Ich will besser performen, bessere Ergebnisse erzielen. Vor allem bei den Etappen über fünf oder sechs Stunden will ich Fortschritte machen”, nahm er sich vor.
Für den Giro hat er bereits freie Fahrt in Aussicht gestellt bekommen. "Ich habe volle Freiheit von Tag 1 an und kann sicher meine zweite Grand Tour voll genießen”, meinte der Mexikaner. Er muss dabei freilich auch ziemlich viel Erwartungen schultern. UAEs Nachwuchscoach Giacomo Notari, der in diesem Jahr auch das WorldTour-Team mitbetreut, sieht bei ihm viele Parallelen zu Pogacar. "Er ist ein sehr guter Kletterer, aber auch sehr explosiv. Sein Punch ist gewaltig, mit viel Kraft für kurze Attacken. Er ist der Prototyp eines Siegers, und ja, er erinnert mich schon ein bisschen an Pogacar”, sagte der Italiener dem Magazin Bici Pro. Tatsächlich, man sollte Del Toro im Blick behalten.
Bei seinem ersten Rennen als Profi gewann Isaac del Toro 2024 gleich eine Etappe der Tour Down Under. | Foto: Cor Vos
Joao Almeida (Portugal / 26), Igor Arrieta (Spanien / 22), Juan Ayuso (Spanien / 22), Filippo Baroncini (Italien / 24), Mikkel Bjerg (Dänemark / 26), Jan Christen (Schweiz / 20), Alessandro Covi (Italien / 26), Isaac Del Toro (Mexiko / 21), Felix Großschartner (Österreich / 31), Rune Herregodts (Belgien / 26), Julius Johansen (Dänemark / 25), Vegard Laengen (Norwegen / 35), Rafal Majka (Polen / 35), Brandon McNulty (USA / 26), Juan Sebastian Molano (Kolumbien / 30), Antonio Morgado (Portugal / 20), Jhonatan Narvaez (Ecuador / 27), Domen Novak (Slowenien / 29), Ivo Oliveira (Portugal / 28), Rui Oliveira (Portugal / 28), Tadej Pogacar (Slowenien / 26), Nils Politt (Deutschland / 30), Pavel Sivakov (Frankreich / 27), Marc Soler (Spanien / 31), Pablo Torres (Spanien / 19), Florian Vermeersch (Belgien / 25), Jay Vine (Australien (29), Tim Wellens (Belgien / 33), Adam Yates (Großbritannien / 32)
Rune Herregodts (Intermarché – Wanty), Julius Johansen (Sabgal / Anicolor), Jhonatan Narváez (IneosGrenadiers), Pablo Torres (UAE Team Emirates Gen Z), Florian Vermeersch (Lotto Dstny)
Manager: Mauro Gianetti
Sportdirektor: José Antonio „Matxin” Fernandez
Sportliche Leiter: Andrej Hauptman, Bruno Vicino, Fabio Baldato, Fabrizio Guidi, Giacomo Notari, Jan Polanc, Manuele Mori, Marco Marcato, Marco Marzano, Roberto San Emeterio Garcia, Simone Pedrazzini, Tomas Aurelio Gil Martinez
Rahmenhersteller: Colnago
Gruppe: Shimano
Laufräder: ENVE
Reifen: Continental
Trikot: Pissei
Helm: MET