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12.03.2025 | (rsn) – Auch wenn Visma – Lease a Bike im Mannschaftszeitfahren beim 83. Paris-Nizza (2.UWT) am Dienstag überlegen zum Sieg fuhr, durfte man die Leistung der nachfolgenden Teams zwischen der ehemaligen Formel-1-Rennstrecke Magny-Cours und dem Ortszentrum von Nevers nicht unterschätzen.
Denn sowohl Jayco – AlUla auf Rang zwei (+ 0:14 Minuten) als auch Red Bull – Bora – hansgrohe (+ 0:24) auf dem dritten Platz waren mit klaren Handicaps in den Kampf gegen die Uhr gestartet – wie übrigens auch EF Education – EasyPost (+ 0:33) auf dem siebten Rang: Sie standen alle nur mit sechs statt sieben Mann am Start. Das traf auch noch auf Intermarché – Wanty und Caja Rural – Seguros RGA zu, und die beendeten den Zeitfahrtag auf den letzten beiden Plätzen.
Der Nachteil des kleineren Teams ist im neuen TTT-Format mit der Zeitmessung beim Mannschaftsbesten wohl nicht geringer einzuschätzen als bei einer Messung mit der Ankunft des vierten Fahrers jeder Mannschaft, wie es früher Tradition war, sondern mutmaßlich sogar eher noch größer.
Denn während man sonst ohnehin auf ein gleichmäßigeres Tempo setzen musste, um beisammen zu bleiben, werden die Helfer im Team nun einer nach dem anderen regelrecht verbrannt, quasi wie Streichhölzer. Es gibt genaue Pläne, wer wann eingesetzt wird und richtig Vollgas gibt, bevor er dann ausschert. Startet man nur zu sechst, hat man folglich einen Vollgas-Turn weniger im Köcher. So kamen letztlich auch fast alle Teams nur noch zu zweit auf die Zielgerade in Nevers.
Der Parcours von Paris-Nizza beinhaltete zu Rennmitte einen zweigeteilten Anstieg mit zwei jeweils rund eine Minute langen Steigungen, führte dann nochmal länger leicht abschüssig bei höher Geschwindigkeit auf Nevers zu und traf knapp fünf Kilometer vor Schluss noch auf eine steilere Rampe, ab der die meisten Teams nur noch zu dritt oder viert waren.
Wie Max Walscheid in seinem Podcast 'Radio RTW' vor dem Zeitfahren berichtet hatte, gab es speziell bei Jayco – AlUla – und das dürfte für alle Teams mit Ambitionen dasselbe gewesen sein – genaue Pacing- und Ablösestrategien. "Auf der Rennstrecke von Magny-Cours haben wir die ersten fünf Kilometer exakt durchgetaktet", erzählte Walscheid dort von genauen Ablösungs-Zeitpunkten, die man bei einer gemeinsamen Besichtigung mit Coach Marco Pinotti am Wochenende festgelegt habe.
Und auch für die Zeit danach war alles genau geplant. "Bei dem zweigeteilten Anstieg zur Mitte der Strecke mit zwei Mal eine Minute, haben wir das Pacing exakt so ausgerichtet, dass da jeder mit rüberkommt. Und da bin ich einer von den beiden, die dort am meisten zu kämpfen haben. Aber in der danach folgenden Sektion werde ich der wichtigste Fahrer sein, weil die leicht bergab bzw. flach ist. Da ist es mein Job, absolut alles zu fahren bis zu diesem Schlussanstieg", sagte Walscheid sehr konkret den Ablauf. voraus
Und diesbezüglich funktionierte die Taktik auch: Walscheid kam mit über den Anstieg zur Rennmitte und übernahm danach lange, harte Führungen bis kurz vor der steilen Rampe knapp fünf Kilometer vor Schluss. Dabei allerdings musste der Heidelberger dann doch etwas vom Plan abweichen, denn er musste in jedem Fall mehr Zeit im Wind verbringen als erhofft, da sich der zweite für diesen Abschnitt eingeplante, große Highspeed-Motor des Teams, Luke Durbridge, am Vortag das Schlüsselbein gebrochen hatte.
Trotzdem brachten Walscheid, Michael Hepburn und Kelland O'Brien das fürs Finale vorgesehene Trio Mauro Schmid, Michael Matthews und Ben O'Connor bestmöglich an die letzte Rampe und letztlich fuhren Matthews und O'Connor mit einer Bestzeit ins Ziel, die lange Bestand hatte und schließlich nur noch von Visma – Lease a Bike unterboten wurde.
"Ich denke, insgesamt können wir stolz sein, wir sind ziemlich gut gefahren", sagte Schmid später in einer Pressemitteilung des Teams. "Natürlich haben wir Durbo schon ziemlich vermisst, und ich denke mit ihm hätten wir eine gute Chance (auf den Sieg, Anm. d. Red.) gehabt. Aber ich denke, wir können trotzdem stolz sein."
Mehr als der zweite Platz war gegen ein bestens aufgelegtes Visma-Septett für das Jayco-Sextett in jedem Fall nicht drin, meinte Kapitän O'Connor: "Ich glaube nicht, dass wir noch schneller hätten fahren können. Es tat natürlich weh, Luke gestern zu verlieren. Er ist ein großer Motor und es gab einige Abschnitte, wo uns ein Mann mehr sicher geholfen hätte. Aber so war es eben und ich denke, wir haben uns gut geschlagen."
Auch wenn der durch die akribische Vorbereitung anvisierte Sieg nicht gelang, konnte man schließlich auch auf die Gesamtwertung vor der ersten Bergankunft auf Etappe 4 zufrieden blicken: O'Connor liegt dort zwar 21 Sekunden hinter dem Gelben Trikot von Matteo Jorgenson, hat bis auf den US-Amerikaner und dessen Teamkollege Jonas Vingegaard aber alle anderen Kontrahenten im Kampf ums Podium hinter sich – und teilweise deutlich.