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18.05.2025 | (rsn) – Wunden lecken ist angesagt bei Primoz Roglic und Red Bull – Bora – hansgrohe. Und dass im doppelten Sinne. Die Gravel-Etappe nach Siena war das erste Highlight des Giro, so sagte es jedenfalls Red-Bull-Sportdirektor Christian Pömer. “Wir hatten große Hoffnungen für heute.“ Geblieben ist davon aber nicht allzu viel.
Die entscheidende Szene der 9. Etappe – und möglicherweise auch eine vorentscheide im Kampf um den Giro-Sieg – ereignete sich im zweiten Schotter-Abschnitt des Tages, Serravalle. 51 Kilometer vor dem Ziel rutschte Ineos-Profi Lucas Hamilton in einer Kurve das Vorderrad weg. Der Australier landet am Straßenrand. Ein paar Positionen hinter ihm, aber deutlich weiter innen, ist Roglic unterwegs. Offenbar aufgeschreckt vom Hamilton-Sturz geht er an die Bremse – und stürzt ebenfalls. Über ihn fielen Brandon McNulty (UAE – Emirates – XRG) und Thomas Pidcock (Q36.5). “Danach hatte Primoz Probleme beim schalten und auch noch einen Platten. Ab da waren wir im Hintertreffen“, so Pömer.
Bis dahin, so der Sportdirektor, sei alles super gelaufen. “Gianni Moscon hatte ihn in der Pole Position in den ersten Sektor gefahren“, sagte Pömer, lobte zudem die gute Teamarbeit. Allerdings war Roglic beim Sturz bereits isoliert. Zwar war Giulio Pellizzari später noch lange an der Seite seines Kapitäns, doch kam der 21-jährige Italiener auch erst zurück, weil Roglic eben das doppelte Pech ereignet hatte.
Genauso sehr wie bei seinem jungen Helfer muss sich Roglic aber auch bei Pidcock bedanken. Denn es war der Brite, der trotz verlorener Chancen auf den Tagessieg und ohne Ambitionen im Klassement immer wieder an der Spitze der Gruppe zu sehen war und das Tempo hochhielt. Genauso wie Derek Gee (Israel – Premier Tech), der zwar ein Top-Resultat in der Endabrechnung anpeilte, aber schon vor dem neunten Teilstück reichlich Rückstand angesammelt hat.
Dennoch: Roglic überquerte den Zielstrich mit 2:22 Minuten Rückstand auf den neuen Mann in Rosa, Isaac del Toro (UAE – Emirates – XRG), auf dessen Kapitän Juan Ayuso mit 1:15 Minuten. Ähnlich sieht es nun auch in der Gesamtwertung aus, in der Roglic auf Rang zehn zurückgefallen und damit der große Verlierer dieser Etappe ist, denn alle anderen Favoriten kamen Plusminus ein paar Sekunden mit der Verfolgergruppe ins Ziel. Antonio Tiberi (Bahrain Victorious), Richard Carapaz (EF Ecuation – EasyPost), Simon Yates (Visma – Lease a Bike) – alle fuhren die Etappe sauber und sturzfrei zu Ende und untermalten ihre gute Form. Sie nahmen Ayuso, der spätestens jetzt zum Top-Favoriten aufgestiegen ist, im finalen Anstieg zur Piazza del Campo sogar noch ein paar Sekunden ab.
Ist der Traum vom zweiten Gesamtsieg beim Giro nach 2023 damit schon ausgeträumt? Vielleicht noch nicht ganz. Leichter wird es allerdings nicht. Denn im Gegensatz zu seinen Konkurrenten nahm Roglic auch ein paar Blessuren aus dem Tag mit. “Zuerst schauen wir uns mal die Wunden an“, sagte er im Ziel der wartenden Medientraube. Die linke Hüfte und der linke Ellbogen hatten beim Sturz etwas abbekommen, waren offen und bluteten. Selbst wenn die Verletzungen am Ende nicht allzu schwerwiegend sind: hilfreich sind sie auch nicht.
Dass nun der zweite von drei Ruhetagen des Giros ansteht, dürfte dem 35-Jährigen in jedem Fall entgegenkommen. Zur Regeneration, aber auch um Pläne für die noch ausstehenden Tage zu schmieden. “Heute haben wir eine Minute verloren“, rundete Roglic großzügig ab, um seinen Standardsatz anzuschließen: “Manchmal verliert man, manchmal gewinnt man. Wir werden sehen, was es am Ende bedeutet. Schauen wir, was wir als nächstes machen.“
Am Dienstag nach dem Ruhetag steht das Zeitfahren in Pisa auf dem Plan. 28,6 flache Kilometer gegen die Uhr. Für das Gemüt kommt dieser Tag genau richtig, sollte Roglic doch gerade an jenem Tag in der Lage sein, auf die versammelte Konkurrenz wieder Boden gutzumachen. Zumindest im Normalfall. Gibt es dort den nächsten Dämpfer – es wäre der dritte nach dem Aus für Jai Hindleyals Edelhelfer und der unglücklichen Graveletappe – könnte es langsam eng werden.
Im Laufe der Rundfahrt musste Red Bull schon mehrfach umdenken. Dabei ist eigentlich renntechnisch noch gar nicht viel passiert, kommen die vermeintlich entscheidenden Etappen im Hochgebirge erst noch. Der Giro ist noch lang. Ob das jetzt positiv oder eher negativ ist, dürfte eine Frage der generellen Einstellung sein.