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27.09.2025 | (rsn) – Auf den Tag genau ein Jahr nach dem Tod von Muriel Furrer standen auch die Straßen-Weltmeisterschaften von Ruanda in Kigali plötzlich wieder voll im Zeichen der am 27. September bei der WM 2024 in Zürich verstorbenen Schweizer Juniorin. Dafür sorgte nicht nur die UCI, die am Vortag bekanntgab, die Rückennummer 84 künftig bei den Juniorinnen nicht mehr vergeben zu wollen, sondern vor allem auch, wie könnte es anders sein, eine andere Schweizer Juniorin: Anja Grossmann.
Und die 16-Jährige tat das mit ihrer bärenstarken Leistung. Grossmann nahm das noch recht große Peloton im letzten Anstieg des U19-WM-Rennens mit ihrem Tempo komplett auseinander, schien die Stärkste zu sein und gewann schließlich im Sprint eines Quintetts die Bronze-Medaille.
Auf dem Podium blickte sie anschließend immer wieder mit Tränen in den Augen gen Himmel und im ersten Interview mit der Ruandischen Übertragungs-Agentur RBA gab sie zu: "Es war schwer, heute am Start zu stehen, genau einen Tag nachdem uns das Schlimmste passiert ist. Aber sie wacht über uns!" ___STEADY_PAYWALL___
Ausgerechnet Grossmann, möchte man sagen. Denn schon am 3. November 2024, als sie im spanischen Pontevedra den EM-Titel der Juniorinnen im Cyclocross gewann, widmete sie ihren Sieg unter Tränen der wenige Wochen zuvor verstorbenen Teamkollegin.
Nun stand Grossmann am Todestag wieder in einer Mixed Zone vor den Mikrofonen und hatte Tränen in den Augen – eine Mischung aus Enttäuschung ob des verpassten Titels, Freudentränen ob ihres Erfolgs innerhalb dieser Saison und trauriger Erinnerung an das Vorjahr. Als RSN im Interview Grossmanns Erfolge ihrer ersten Junioren-Saison aufzählte – EM-Titel im Cross, WM-Vierte im Cross, WM-Zweite auf dem Mountainbike und jetzt WM-Dritte auf der Straße – stieg der 16-Jährigen wieder das Wasser in die Augen.
"Ich hatte den Traum, heute Erste zu werden. Aber wenn ich das jetzt höre und zurückdenke: Ich bin bei allen drei WM unter den ersten Vier, und das ist eigentlich mega mega. Das macht mich so stolz", sagte sie und legte dann auch wieder den Fokus auf Furrer: "Es ist nicht einmal selbstverständlich, hier an der Startlinie zu stehen, gesund das Rennen fahren zu dürfen. Heute bin ich mit meinem ganzen Herzen für Muriel und für mich und für alle, die hinter mir stehen, das Rennen gefahren und es hat zur Bronzemedaille gereicht. Das ist super!"
Ganz so gelaufen, wie Grossmann es sich vorgestellt hatte, war das Juniorinnen-Rennen nicht. Und sportlich war der Ausgang durchaus auch etwas frustrierend oder enttäuschend für die Schweizerin. Denn es war offensichtlich, dass die Viertjüngste im Feld im Anstieg von Kimihurura eigentlich die Stärkste war. Sie gab das Tempo vor und hinter ihr wurde die Gruppe immer kleiner. Wäre es noch 500 Meter weiter bergauf gegangen, wer weiß ob dann überhaupt noch jemand am Hinterrad geblieben wäre.
"Ich konnte das Rennen da wirklich auseinanderziehen. Das war das, was ich wollte. Leider konnte ich aber keine Lücke aufmachen", so Grossmann. Zu fünft mit Paula Ostiz (Spanien), Sidney Swierenga (Kanada) und den beiden Italienerinnen Chantal Pegolo und Giada Silo kam sie vom Pflaster und in das rund 500 Meter lange Flachstück eingangs des Schlusskilometers. Dort wollte niemand die Führungsarbeit von ihr übernehmen und man schaute sich gegenseitig an.
Bergauf immer ganz vorne dabei: Anja Grossmann (links) im Juniorinnen-WM-Rennen von Kigali. | Foto: Cor Vos
"Ich wusste, dass auch im letzten Berg bis 100 Meter vor dem Ziel niemand mehr etwas machen wird", erzählte Grossmann RSN, die schließlich nur im Sprint von den endschnelleren Ostiz und Pegolo geschlagen wurde. "Ich war Erste und wusste, dass ich Zweite hinter jemand sein müsste (für den Sprint, Anm. d. Red.). Aber es hat dann nicht mehr gereicht. Um eines Tages ein Champion zu werden, muss man daraus lernen. Und ich werde daraus lernen, um nächstes Jahr hoffentlich gewinnen zu können."
Von der Strecke her dürfte Grossmann auch der Kurs bei den Weltmeisterschaften 2026 in Montréal liegen, denn auch der wird schwer. Vorher aber hat sie wieder einige andere Highlights vor sich. Denn Grossmann wird auch im zweiten Juniorinnen-Jahr auf mehrere Disziplinen setzen. "Mein großer Traum ist es schon, alle Disziplinen so lange wie möglich zu machen. Im Moment klappt es wirklich perfekt", erzählte sie und wusste auch, dass das nicht selbstverständlich ist:
"Ich habe die besten Menschen hinter mir, die mir das ermöglichen, auch wenn es nicht einfach ist, drei Disziplinen zu machen", so Grossmann, die den Straßenrad-Fans dann aber auch noch einen kleinen Stich verpasste: "Der Fokus wird schon immer auf dem (Mountain-)Bike liegen", sagte sie. "Aber vielleicht auch mal auf der Straße. Wir werden sehen, wohin das Leben geht."
Das WM-Podium der Juniorinnen in Kigali: Paula Ostiz (Spanien) gewinnt vor Chantal Pegolo (Italien) und Anja Grossmann (Schweiz). | Foto: Cor Vos