Im Wortlaut
Die Begründung der Staatsanwaltschaft
14.04.2008 |
Ermittlungen im Zusammenhang mit Dopingvorwürfen
gegen den Profiradrennfahrer Jan Ullrich
Die Staatsanwaltschaft Bonn hat mit Zustimmung der 7. Großen Strafkammer des
Landgerichts Bonn das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Betruges u.a.
gegen den Beschuldigten Jan Ullrich gemäß § 153 a Abs.1 StPO eingestellt.
Die im Verfahren geprüften Betrugsvorwürfe umfassten den Komplex zum Nachteil
der Firma T-Mobile, darüber hinaus auch gegen den Beschuldigten erhobene Vorwürfe
im Zusammenhang mit einer Zivilklage Ullrichs gegen den Besitzer des ehemaligen
Rennstalls „Team Coast“.
Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen zum Verdacht des Dopings durch den
Beschuldigten Ullrich, insbesondere im Zusammenhang mit den Beziehungen des
Beschuldigten zu dem spanischen Arzt Fuentes, abgeschlossen. Zu den insoweit
getroffenen Feststellungen hat Herr Ullrich über seinen rechtlichen Vertreter erklärt,
er habe gleichwohl niemanden betrogen. Diese eigene Wertung vermag zwar den
strafrechtlichen Vorwurf nicht zu entkräften, zeigt jedoch im subjektiven Bereich eine
Grundeinstellung, die nach den Erkenntnissen im vorliegenden Verfahren sowie aus
weiteren in Deutschland und im europäischen Ausland anhängig gewesenen Verfahren
zur aktiven Zeit des Beschuldigten im Radsportbereich weithin vorherrschte. Dies
konnte bei der Sachentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben.
Maßgeblich für die Sachbehandlung nach § 153a StPO waren danach folgende Erwägungen:
1. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse und der dadurch begründeten Zurückhaltung
von Radsportteams, ihn für die Zukunft zu verpflichten, war der Beschuldigte gezwungen,
seine Radsportkarriere endgültig zu beenden. Neben dem Verlust des bisherigen
überwiegenden Lebensinhaltes hatte und hat der Beschuldigte damit gravierende
finanzielle Einbußen hinzunehmen und zudem durch das Ermittlungsverfahren
eine Vielzahl von außerhalb des normalen Rahmens eines Strafverfahrens liegende
erhebliche Beeinträchtigungen erlitten.
Die im Ermittlungsverfahren festgestellten Tatsachen haben namentlich dazu geführt,
dass der Beschuldigte seit 2006 einen hohen Ansehensverlust in der Bevölkerung
hinzunehmen hatte und sein einstmals herausragender Ruf als Sportler weitgehend
geschädigt ist.
Die kriminelle Energie des Beschuldigten Ullrich ist bei einer Gesamtschau letztlich
als eher gering zu bewerten, da nach den Erkenntnissen aus Parallelverfahren und
sonstigen Geschehnissen während des Ermittlungsverfahrens (Geständnisse zahlreicher
anderer Radsportler) davon auszugehen ist, dass Doping im Radsport im
Tatzeitraum in starkem Maße verbreitet, dies dem Beschuldigten bekannt und insoweit
die Hemmschwelle zur Anwendung verbotener leistungssteigernder Mittel im
Wettkampf herabgesetzt war.
Mit den Geschädigten ist überdies weitreichender Rechtsfrieden bezüglich möglicher
zivilrechtlicher Ansprüche aus den verfahrensgegenständlichen Betrugstaten hergestellt.
Vom Sponsor als Hauptgeschädigtem werden gegen den Beschuldigten Ullrich keine
Ansprüche geltend gemacht; insoweit wurde frühzeitig ein umfassender Vergleich
abgeschlossen.
Dem Besitzer des ehemaligen Rennstalls „Team Coast“ gegenüber hat der Beschuldigte
Ullrich auf bereits erstinstanzlich zu seinen Gunsten titulierte Forderungen in
siebenstelliger Höhe aus einem Fahrervertrag verzichtet.
Der Beschuldigte hatte über seine rechtlichen Vertreter auch die Erledigung des
Komplexes Franke, Hamburg, angeboten.
Darüber hinaus wurde ein Gesamtbetrag in sechsstelliger Höhe an gemeinnützige
Institutionen und die Staatskasse gezahlt.
Durch die Freigabe der noch in der Schweiz befindlichen Asservate hat der Beschuldigte
für die Ermittlungsbehörden den zeitnahen Zugriff auf wichtige Beweismittel
(PC – Daten u.a.) verschafft, die für weitere Ermittlungen im Bereich Doping von erheblicher
Bedeutung sein dürften.
Mit den vom Beschuldigten Ullrich zwischenzeitlich erfüllten Auflagen ist vor diesem
Hintergrund auch dem öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung entsprochen.
(Apostel)
Oberstaatsanwalt