Interview mit Sebastian Schwager

"Ich habe nur noch ein bisschen Hoffnung"

Foto zu dem Text "

Sebastian Schwager (Milram)

Foto: ROTH

12.12.2008  |  (rsn) – Mit gerade mal 24 Jahren steht Sebastian Schwager vor dem Karriereende. Der Neusäßer erhielt von seinem Milram-Team keinen neuen Vertrag mehr und hat bis jetzt noch keinen neuen Rennstall gefunden. Im Interview mit Radsport News spricht Schwager über seine Jahre bei Milram, über enttäuschte Hoffnungen und die Dopingproblematik.

Ihr Vertrag ist von Milram nicht verlängert worden. Wie steht es mit der Teamsuche?

Schwager: Derzeit schaut es nicht gut aus. Ich habe zwar noch ein bisschen Hoffnung, aber die Situation ist schon sehr schwierig: Das Image des Radsports plus die Finanzkrise machen die Sponsoren eben vorsichtig. Mein Manager Christian Baumer führt derzeit noch Gespräche mit zwei kleineren Teams. Die würden gerne noch zwei bis vier Fahrer nehmen, wenn sie einen Co-Sponsor finden würden. Aber so ist es halt nicht.

Wann wurde Ihnen mitgeteilt, dass Milram ohne Sie plant?

Schwager: Leider erst relativ spät, nämlich am zweiten Vuelta-Ruhetag. Bis dahin hatte ich mir eigentlich schon noch Hoffnungen auf einen neuen Vertrag gemacht, denn die sportliche Leitung war mit meinen Leistungen in diesem Jahr sehr zufrieden. Ich bin z.B. eine solide Vuelta gefahren und habe dort zuverlässig meine Arbeit verrichtet.

Woran lag es dann Ihrer Meinung nach, dass Sie 2009 nicht mehr für Milram fahren werden?

Schwager: Ich gehe schon davon aus, dass es mit dem Gerolsteiner-Aus zu tun hatte und dass plötzlich so viele deutsche Fahrer auf dem Markt waren.

Hat Sie das überrascht?

Schwager: Nein. Als sich abzeichnete, dass es mit Gerolsteiner nicht mehr weitergehen würde, habe ich zuerst schon gedacht, das könnte eng werden. Aber je mehr Zeit verstrich und ich meine Leistung brachte, umso optimistischer wurde ich. Es hieß ja, dass Milram künftig als deutsches Team mit deutschen Talenten auftreten will. Und ich dachte mir schon, dass ich dazu gehöre. Aber dann hat sich die Teamleitung doch dazu entscheiden, noch den einen oder anderen erfahrenen Fahrer zu verpflichten.

Wie beurteilen Sie Ihre beiden Jahre bei Milram?

Schwager: Im ersten Jahr habe ich mich gut reingefunden, obwohl es schon eine große Umstellung war. Ich hatte anfangs ein „softes“ Rennprogramm, um mich langsam an die Profiluft zu gewöhnen. Aber dann hatten wir viel Verletzungspech im Team und ich musste viele schwere Rennen fahren. Dazu hat meine Vorbereitung einfach nicht gepasst. Hinzu kam, dass ich öfter erkältet war und mich durch die ständigen Renneinsätze nicht wirklich auskurieren und erholen konnte. Mit der Saison 2008 war ich zwar sehr zufrieden, aber ich habe etwa bei der Vuelta gemerkt, dass ich in den Bergen nicht an meine Leistungsgrenze gehen konnte. Eine Untersuchung nach der Vuelta hat dann gezeigt, dass ich einen Darmpilz habe. Da ich ja früher kein schlechter Bergfahrer war, ist das also wohl die Ursache für meine Probleme am Berg gewesen. Aber ich habe mich in dieser Saison weiterentwickelt und hatte auch einige Ergebnisse, so beim Criterium International.

Wie geht es mit Ihnen weiter, wenn sich kein neues Team findet?

Schwager: Ich bin derzeit zwar erkältet, aber halte mich in Form. Ich habe nur zwei Kilo mehr auf den Rippen als zur Vuelta. Ich bin dabei den Arbeitsmarkt zu sichten, eventuell studiere ich Event- oder Sportmanagement, wenn es mit einem neuen Team nicht klappen sollte. Mit meinem Vater zusammen werde ich die Bayerischen Meisterschaften 2009 organisieren. Es ist wichtig den Nachwuchs zu fördern und ich möchte auf diese Weise auch etwas von dem zurückgeben, was ich in den vergangenen Jahren bekommen habe.

Also haben Sie doch keine große Hoffnung mehr?

Schwager: Naja, meine persönliche „Deadline“ war schon Anfang November, da habe ich mich im Internet nach Alternativen zum Radsport umgeschaut. Ich kann aber auch noch bis ins nächste Jahr hinein warten, ich muss ja dann eh’ noch abtrainieren und wenn sich da noch was auftun würde, wäre ich schon imstande, mich innerhalb kürzester Zeit wieder in Form zu bringen.

Haben Sie, als Sie vor zwei Jahren Profi wurden, damit gerechnet, nach so kurzer Zeit vor dem Aus zu stehen?

Schwager: Ich habe mir nie gedacht, dass es mal so schnell gehen könnte. Mein Ziel war immer, Profi zu werden und in der höchsten Kategorie zu fahren. Das ist mir gelungen. Wenn man irgendwann feststellt, dass es in der Entwicklung nicht weitergeht, kann man sich Gedanken übers Aufhören machen. Aber ich spüre, dass ich mein Potenzial längst nicht ausgeschöpft habe.

Der Radsport steckt vor allem wegen der Dopingproblematik in der Krise. Fühlen Sie sich von dopenden Kollegen betrogen?

Schwager: Klar, ich fühle mich schon betrogen. Und das nicht nur, weil ich eventuell zu denen gehöre, die auf der Strecke bleiben. Ich kann einfach nicht verstehen, wie man heutzutage noch dopen kann. Ich bin dieses Jahr allein 15 oder 16 Mal zu Hause getestet worden. Ich hätte viel zuviel Bammel zu dopen. In den letzten Jahren standen dem Radsport so viele Türen offen. Aber die Radfahrer haben jedes Jahr ein, zwei Türen zugeschlagen.

Führt der Druck des Gewinnenmüssens dazu, dass nach wie vor gedopt wird?

Schwager: Der Druck ist im Leistungssport immer da. Ab einem gewissen Alter weiß jeder, dass hohe Erwartungen an ihn gestellt werden. Wer damit nicht umgehen kann, sollte besser aufhören. Ich habe in den zwei Jahren bei Milram nie irgendwelchen Druck vom Sponsor oder der Teamleitung erlebt. Auch als Gian-Luigi Stanga, dem ja vorgeworfen wird, in seinen früheren Teams Doping geduldet oder gefördert zu haben, bei Milram Teammanager war, gab es die klare Ansage, dass kein Doping im Team geduldet würde. Das zeigt mir das schon, dass die Meisten begriffen haben, dass es um die Existenz des Radsports geht. Vielleicht war die Situation vor zehn Jahren ja anders. Aber ich habe es nie erlebt, dass Siege eingefordert wurden.

Bernhard Kohl etwa hat aber diesen Druck als einen Grund genannt, weshalb er gedopt hat….

Schwager: Ich könnte es verstehen, wenn ein Fahrer wirklich existenzielle Sorgen hätte. Aber die, die in letzter Zeit erwischt wurden, zählen doch zur ersten Reihe und schöpfen so viel ab, dass sie es gar nicht nötig hätten zu dopen. Es ärgert mich ganz besonders, dass die sich auf Kosten aller noch weiter bereichern wollen. Als es für mich eng wurde, habe ich ja auch nicht daran gedacht, mich mal schlau zu machen, wie man der Leistung nachhelfen kann. Ich denke schon, dass jeder einzelne Fahrer in der Verantwortung steht.

Könnten Sie sich vorstellen, zur Not auch in einem Continental-Team zu fahren?

Schwager: Ich kann mir das höchstens für ein Jahr zur Überbrückung vorstellen. Das Team müsste schon ein internationales Rennprogramm haben, damit ich mich für einen höherklassigen Rennstall empfehlen könnte. Ich will aber auf keinen Fall fünf Jahre noch Profi nur aus Spaß an der Freud sein. Ich will schon auch entsprechendes Geld verdienen. Mein Motto ist: Entweder gscheit oder gar net.

Mit Sebastian Schwager sprach Matthias Seng.

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.08.2009Rapp: 2010 wohl keine Deutschland Tour

(rsn) - Nachdem ARD und ZDF in diesem Jahr doch von der Tour de France berichtet hatten, war auch die für 2009 abgesagte Deutschland Tour wieder in den Mittelpunkt von Spekulationen gerückt. Im Inte

20.08.2009"Für ganz vorne fehlte noch ein bisschen was"

(rsn) – Nach schwachem Saisonstart hat Gerald Ciolek (Milram) in den vergangenen Monaten beständig gute Leistungen gezeigt, auch wenn es bisher erst zu einem Sieg reichte. Im Interview mit Radsport

20.04.2009"Ich bin froh, dass im Radsport soviel kontrolliert wird"

(sid) - Linus Gerdemann gehört zu den deutschen Hoffnungsträgern bei der diesjährigen Tour de France. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) spricht der Milram-Kapitän über seine F

19.03.2009"Wir sind als böse Ketzer dargestellt worden"

(sid) - Der wochenlangen Schlammschlacht folgt der Showdown im Nobelhotel: BDR-Präsident Rudolf Scharping stellt sich am Samstag auf der Bundesversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer zur Wiederwah

17.03.2009Claußmeyer: "Wir leben von unserer Stärke als Team"

(rsn) - Aus dem Continental-Team Sparkasse wurde zur neuen Saison das Team Nutrixxion Sparkasse. In Gespräch mit Radsport News erklärte Teamchef Mark Claußmeyer die Zusammensetzung des Teams, die S

04.03.2009„Letztendlich geht es immer um den Erfolg“

(rsn) – Mit neuem Hauptsponsor und einigen namhaften Neuzugängen wie Sebastian Sielder und René Haselbacher ist das österreichische Team Vorarlberg-Corratec in die neue Saison gegangen. Im Interv

26.02.2009„Kein Sieg im letzten Jahr – das hat mich gewurmt“

(rsn) – Paul Martens steht in seiner zweiten Saison beim niederländischen Rabobank-Team. Im letzten Jahr gelang dem 25-Jährigen trotz guter Leistungen kein Sieg. Das soll in dieser Saison anders w

24.02.2009„Ich habe mich als Co-Kapitän sehr wohl gefühlt“

(rsn) – Als Vierter der Andalusien-Rundfahrt zeigte Martin Velits (Milram) schon früh in der Saison sein großes Potenzial. Im Interview mit Radsport News sprach der 24-jährige Slowake über seine

13.02.2009"Schlimmer kann es nicht mehr kommen"

(rsn) - Der Australier William Walker, 2005 Vize-Weltmeister in der U23-Klasse, zählt zu den großen Talenten des Radsports. Das konnte der 23-Jährige in den letzten beiden Jahren im Rabobank-Trikot

11.02.2009"Ich will mich 2009 für höhere Weihen empfehlen"

(rsn) - Christian Müller (26) galt in seiner U23-Zeit als eines der größten deutschen Zeitfahrtalente. Nach einer guten Neo-Profi-Saison 2005 bei CSC lief in den folgenden drei Jahren nur wenig zus

07.02.2009"Wir sind eines der jüngsten Continental-Teams"

(rsn) - Das Bochumer Continental-Team Vlassenroot startet 2009 unter dem Namen Seven Stones. Im Gespräch mit Radsport News erklärt der Sportliche Leiter Lars Diemer, was hinter der Namensänderung s

05.02.2009"In Topform zu den Ardennenklassikern"

(rsn) - Robert Gesink ist das größte niederländische (Kletter-)Talent seit vielen Jahren. 2008 machte der 22-jährige Rabobank- Profi in mehreren großen Rennen mit Spitzenplatzierungen bereits von

Weitere Radsportnachrichten

19.04.2024Die Aufgebote für das 8. Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen

(rsn) – Mit der 8. Ausgabe des Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen endet die Ardennenwoche. Während das Männerrennen von Lüttich aus nach Süden zum Wendepunkt in Bastogne und von dort wieder z

19.04.2024Die Aufgebote für das 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Zum krönenden Abschluss der sogenannten steht am 21. April die 110. Ausgabe von Lüttich-Bastogne-Lüttich an. La Doyenne, wie das 1892 erstmals ausgetragene und damit älteste Eintagesrenn

19.04.2024Lopez wehrt alle Angriffe ab und gewinnt Tour of the Alps

(rsn) – Juan Pedro Lopez (Lidl – Trek) kam am Schlusstag der 47. Tour of the Alps (2.Pro) nicht mehr in Schwierigkeiten. Der Spanier selbst hat auf dem schweren letzten Teilstück seine Kontrahent

19.04.2024Die Strecke des vierten Monuments: Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Zum 110. Mal findet am Sonntag Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT) für die Männer statt – die Frauen bestreiten ´La Doyenne´ dagegen erst zum achten Mal. Die Strecke hat sich für beide

19.04.2024Im Chaos-Finale fahren Malmberg, Röber und Paluta in die Top 10

(rsn) - Auch im chaotischen Finale der 2. Etappe von Belgrade Banjaluka (2.2) waren die drei deutschen Kontinental-Teams vorne mit dabei. Während der Däne Matias Malmberg (Maloja Pushbikers) und Do

19.04.2024Kehrt der Intergiro bei der Italien-Rundfahrt zurück?

(rsn) - Auf einigen der von der RCS veröffentlichen Profilen der Italien-Rundfahrt taucht der Intergiro zum ersten Mal seit 2005 wieder auf. Der Intergiro ist eine Sonderwertung, bei dem die Zeit all

19.04.2024Skjelmose erklärt seine Unterkühlung beim Flèche Wallonne

(rsn) - "Skjelmose wird hier gerade vom Rad getragen und ist vollkommen am Zittern. Komplett kalt. Komplett im Arsch", hieß es nach einem Augenzeugenbericht unseres Mannes vor Ort am Mittwoch in unse

19.04.2024Querfeldeinstar Kuypers steigt auf und gibt Debüt in Lüttich

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

19.04.2024Lüttich-Bastogne-Lüttich im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Lüttich-Bastogne-Lüttich bildet traditionell den krönenden Abschluss der Ardennenwoche. La Doyenne, das älteste Eintagesrennen der Welt, ist mit seinen kurzen, teils extrem steilen Anst

18.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wie geht´s zum Liveticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

18.04.2024TotA-Sturz: Harper kommt mit leichter Gehirnerschütterung davon

(rsn) – Entwarnung für Chris Harper: Der Australier von Jayco – AlUla ist bei seinem Sturz rund 25 Kilometer vor dem Ziel der Königsetappe der Tour of the Alps ohne schlimmeren Verletzungen dav

18.04.2024Steinhauser: Giro-Test mit Prädikat sehr gut

(rsn) – Den Feinschliff für sein Grand-Tour-Debüt holt sich Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) derzeit bei der 47. Tour of the Alps (2.Pro). In wenigen Wochen geht es für den Allgäue

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Belgrade Banjaluka (2.2, BIH)