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26.07.2009 | (rsn) - Das ging ja gestern hin und her, hohes Tempo, dauernd Attacken. Nur einer blieb ruhig: Der Lance. Der Lance in der Brandung, sozusagen. Er gewann nicht nur die Etappe der Seniorenwertung, er behielt in der Gesamtwertung sogar seinen Podestplatz. Na, siehste, Lance, das ganze Brimborium vorher hätteste Dir sparen können.
Von wegen Krieg, war doch ein ganz normales Radrennen am Mont Ventoux. Die Ü35-Fahrer hielten sich weitgehend schadlos. Inigo Cuesta, Matteo Tosatto, Jose-Luis Arrieta, Stu O’Grady und Steven de Jongh nahmen den Autobus, als ganz am Schluss die Gruppe um Yauheni Hutarovich den Anschluss an das Gruppetto verlor, leistete O’Grady den Versprengten Gesellschaft. Wirklich ein netter Zug vom Australier.
Ganz vorn war wie gesagt Armstrong dabei. Goubert, Hincapie und Moreau trudelten ein paar Minuten später ein. Im Kampf um Platz drei hat Lance dennoch nicht mehr die Wende herbeiführen können. „Gou-Gou“ holt souverän sein zweites Graues Trikot nach 2008. Schorse belegt Rang zwei, „Mo-Mo“ klammert sich bis zum Schluss an den letzten Podestplatz wie sein Opa an den Krückstock. Dasselbe gilt für Steven de Jongh und die Graue Laterne. Fast dreieinhalb Stunden Rückstand zu Goubert hat der Niederländer sich in den drei Tour-Wochen zusammengestrampelt. Respekt!
Tja, nur der Lance wird unzufrieden sein. Armstrong hätte das Graue gewonnen, wäre da nicht diese unschöne Mogelei bei der Dopingkontrolle gewesen, die ihm 55 Minuten Zeitstrafe einbrockte. Jetzt mögen einige sagen: „Ist doch Humbug.“ Naja, nein, Humbug ist das, was in echt mit dem Lenz passiert. Da werden seitens der Jury mehr Augen zugedrückt, als bei Auftritten Pamela Andersons an deren Dekolletee kleben.
Lance gibt sechs positive Dopingproben ab, aber weil keine B-Proben existieren, wird heute so getan, als sei Contador der böse Fuentes-Kunde und der Texaner ein Waisenknabe. Da werden die Kontrolleure um eine Stunde vertröstet, während in der Fußball-Bundesliga bei zehn Minuten Verspätung zur Pipi-Abgabe schon über Sperre und Punktverlust debattiert wird. Alle Radsportwelt schönt und schleimt, dass dem Armstrong der Schädel rot wird. Ach nein, Schamgefühl kennt er ja nicht.
Und Ulle meldet sich auch noch zu Wort: „Die Tour ist sauber.“ Ah ja. Klar, wenn das so ist, erklärt sich auch der 55-minütige Klönschnack mit Kaffee und Kuchen im Astana-Hotel. Alles clean, da muss niemand kontrollieren. Zumindest nicht in Eile. Da das Graue Trikot als reine Satire weder politischen noch wirtschaftlichen Zwängen unterliegt, erlaubt es sich, die Realität etwas zurechtzurücken. Die Jury der Tour traut es sich nicht, die Protagonisten zu bestrafen. Diese Kolumne darf es. Deshalb gewinnt nicht Lenz das Graue, sondern Goubert, der sich an die Regeln gehalten hat und trotzdem sensationell stark fuhr. Platz 16 in der Gesamtwertung ist Beleg dafür.
Trotzdem bleibt eine Portion Wehmut. Nicht etwa, weil Fans des texanischen Radanimateurs Nummer eins nicht verstehen, was der Sinn und Zweck von Satire ist. Armstrong-Fans haben genauso wenig Humor wie ihr Idol, das ist bekannt. Es muss auch ernste Menschen geben auf der Welt. Sonst verkäme ja alles zur Blödelei. Aber die Vorgänge bei dieser Tour waren schon dubios. Von 1999 bis 2005 blieb es fast vollkommen ruhig bei der Frankreich-Rundfahrt. Maximal wurden Wasserträger als Doper überführt. Ein geradezu betrügerischer Frieden.
Kaum war der Dominator aus dem Land des damaligen Hauptsponsors Coca-Cola weg, hagelte es Skandale: 2006 Fuentes und Landis, 2007 Rasmussen und Cofidis, 2008 Ricco, Koh, Schumacher und Co. Nun ist Lance wieder da und alles heile Welt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht tauchen in fünf, sechs Jahren positive Dopingproben auf die Substanz „Hassenichgesehn“ auf. Die gehören dann Lance und Conty und Andy. Eine B-Probe wird nicht machbar sein, also wissen zwar alle, dass die Drei geschummelt haben, aber das Rad dreht sich dessen ungeachtet weiter. Schöne heile Radsport-Welt.
Aber Kopf hoch, Augen zu und durch. Adieu!
SN-Wertung Graues Trikot:
1. Stephane „Gou-Gou“ Goubert
2. Schorse Hincapie +9:58
3. Christophe „Mo-Mo“ Moreau +22:04
4. Lenz + 37:55*
5. Joan Horrach +1:36:22
6. Marzio Bruseghin +1:46:13
7. Jose-Luis Arrieta +1:49:00
8. Inigo Cuesta +1:53:48
9. Bingen Fernandez +2:22:59
10. Matteo Tosatto +2:25:59
11. Super-Stu O'Grady +2:46:10
12. Steven de Jongh +3:26:52
*Lenz sind nachträglich 55 Minuten Zeitstrafe aufgebrummt worden, weil er die Doping-Kontrolleure im Astana-Hotel exakt so lange mit Kaffee statt Urin abspeiste.
Etappensiege Ü35:
Levi 2, Hincapie 6, Voigt 1, Moreau 2, O’Grady 1, de Jongh 2, Lenz 4, Goubert 1, Astana: 1; Graues Trikot H.C.: Jens Voigt