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12.04.2010 | (rsn) – Aus dem prognostizierten Duell wurde nichts. Titelverteidiger Tom Boonen (Quick Step) sah in der entscheidenden Phase von Paris-Roubaix nicht einmal mehr das Hinterrad seines großen Konkurrenten Fabian Cancellara (Saxo Bank). Der dreifache Zeitfahrweltmeister hatte knapp 50 Kilometer vor dem Ziel taktisch clever in dem Moment attackiert, in dem sich Boonen in der Favoritengruppe hatte zurückfallen lassen, „um zu sehen, wer noch in der Gruppe war und um etwas zu essen“, wie der Belgier nach dem Rennen erklärte. Cancellara legte schnell fünfzig Meter zwischen sich und die Verfolger, die alle auf eine Reaktion von Boonen warteten. Die allerdings kam mit folgenreicher Verzögerung.
“Ich war hinter drei Columbia-Fahrern blockiert. Ich musste bei Gegenwind an allen vorbeifahren“, sagte Boonen dazu. „Als ich dann vorne war, schaute ich mich um und wollte die Verfolgung organisieren. Aber niemand wollte fahren. Dann bin ich mit 100 Prozent in den nächsten Pavé hineingefahren, wie Cancellara auch. “Zu diesem Zeitpunkt sei es noch möglich gewesen, Cancellara wieder zu stellen, so Boonen, in dessen Schlepptau sich mehrere Mitfavoriten befanden. „Die hingen an meinem Hinterrad und sagten, dass es besser wäre, um den zweiten Platz zu fahren. Das ist bizarr“, beklagte sich der 29-Jährige, der namentlich den Spanier Juan Antonio Flecha (Sky) mit dafür verantwortlich machte, dass Cancellara an der Spitze unbedrängt seine Kreise ziehen konnte.
Hätte Boonen einen Teamkollegen an seiner Seite gehabt, wäre die Verfolgungsjagd leicht zu bewerkstelligen gewesen. Doch sein Landsmann Maarten Wynants, der den Sprung in die große Ausreißergruppe des Tages geschafft hatte, konnte seinem Kapitän nicht mehr helfen, nachdem er gestellt worden war. Ebenso wenig Co-Kapitän Stijn Devolder, der nach zwei Stürzen und Defekten sich vergeblich abmühte, wieder an Anschluss an die Favoritengruppe zu schaffen und mit lädiertem Knie fast 13 Minuten hinter dem Sieger das Ziel erreichte.
So kam, was kommen musste. Cancellara, der gelassen auf Boonens Attacken zwischen Kilometer 60 und 50 reagiert hatte, nutzte die Gunst des Augenblicks – und in der Verfolgergruppe schauten alle auf Boonen, dessen Bemühungen gegen den Zeitfahrspezialisten Cancellara vergeblich bleiben mussten.
Im Finale wirkte der dreifache Roubaix-Gewinner zudem regelrecht ausgelaugt, auch wenn er das Gegenteil behauptete. Boonen: „Ich habe mich gut gefühlt, aber habe im Finale Gas rausgenommen. Ich hatte bei der Verfolgung viel Kraft gelassen und vergessen etwas zu essen. Schließlich war es eine Schlacht um den zweiten Platz, aber mir war es heute lieber, nicht Zweiter zu werden“, lautete die bizarre Begründung des Geschlagenen. "Ob ich enttäuscht bin? Ja, bin ich, und ich bin frustriert, weil Cancellara im einzigen Moment attackiert hat, in dem ich nicht vorne dabei war.“