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26.06.2012 | Leipzig (dapd) - Bei der unvermeidbaren Frage rollt Jens Voigt mit den Augen. Fast unentwegt wird er in diesen Tagen auf den deutschen Rekord angesprochen, den er mit seiner 15. Teilnahme an der Tour de France aufstellen wird.
Doch den Berliner lässt das kalt, es nervt ihn mittlerweile sogar leicht: "Der Rekord ist mir völlig egal." In seiner typischen, offenen Art fügt er noch an, dass er ihm "am verlängerten Rücken" vorbeigeht. Das liegt weniger an der fehlenden Anerkennung, Voigt betont im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd, dass es "nicht mal einen Handschlag oder einen Euro extra" dafür gebe.
Die 15. Teilnahme - nur der US-Amerikaner George Hincapie (BMC) und der Niederländer Joop Zoetemelk haben mehr - ist vielmehr die logische Konsequenz seiner offensichtlichen Unzerstörbarkeit. Voigts Motor läuft und läuft und läuft. Daran ändert auch sein Alter von mittlerweile 40 Jahren wenig.
Der Mecklenburger gibt zwar zu, ein wenig schwächer geworden zu sein; auf dem Rad fällt das selten auf. "Ich versuche es mehr oder weniger rational als durchlaufende Zahl zu betrachten", sagt Voigt. Auch am Alltag hat sich durch das Alter wenig geändert. Er wird bestimmt vom immer umfangreicher werdenden Rennkalender, vom stundenlangen täglichen Training und natürlich von der Familie mit Ehefrau Stephanie und den sechs Kindern.
Geschärft hat sich der Blick auf das eigene Leben. Er hinterfragt seine Karriere, seine Leistungen, seinen Plan. Viel würde er nicht ändern, lediglich ein bisschen mehr Mut hätte er sich in seinen jungen Jahren gewünscht. Dann hätte er "diese ganzen Selbstmordangriffe vom Start weg" gelassen und hätte bis zum Etappenfinale gewartet. Doch ohne seine kühnen Fluchten, die oft genug erst wenige Kilometer vor dem Ziel scheiterten, wäre der Schlacks aus Dassow nicht der weltweit bekannte und anerkannte König der Ausreißer, sondern womöglich nur ein solider Radprofi.
"Dass ich dreimal die Bayern-Rundfahrt gewonnen habe, wissen die wenigsten. Aber Jens Voigt, den Ausreißer bei der Tour, den kennt jeder", sagt Voigt und klingt dabei ein bisschen enttäuscht. Doch auf der anderen Seite genießt er seinen Status als Kultfigur des Pelotons. Er amüsiert sich köstlich, wenn er darüber erzählt, was über ihn alles im Internet steht.
Auf einer Seite werden ihm die Fähigkeiten des Actionhelden Chuck Norris zugesprochen. "Darüber lache ich mich tot. Einer ist: Jens Voigt hat einmal in die Pedale getreten, seitdem dreht sich die Welt immer noch." Irreale Dinge, findet Voigt. Sogar eine eigene App für das Mobiltelefon gibt es über ihn. Voigt selbst hat davon erst auf einer Radmesse in Las Vegas von seinen Fans erfahren. "Die nehmen sogar Geld dafür. Aber ich krieg' keinen Cent davon", berichtet er.
Der Routnier nimmt solche Geschichten Dinge als Kompliment. Für ihn sind es Fußstapfen, die er nach seiner Karriere hinterlässt. Einen weiteren Abdruck wollte Voigt auf den Champs-Elysees hinterlassen, wenn er einen der Brüder Schleck im Gelben Trikot über den Zielstrich der Tour geleitet. Doch Andy ist verletzt und Frank womöglich in diesem Jahr nicht in der richtigen Form. Voigt beharrt jedoch darauf, dass sein Traum noch nicht geplatzt ist. Ihm bleibt auch nichts anderes übrig, denn "noch eine Tour werde ich wohl nicht fahren".